Das bleibt unter uns Interview Hanno Koffler TV Fernsehen ZDF Streamen online Mediathek
Alexander (Hanno Koffler) sucht Rat bei Freundin und Juristin Andrea (Britta Hammelstein) (© ZDF/Gordon Muehle)

Hanno Koffler [Interview 2023]

Das bleibt unter uns stellt uns das Paar Alexander (Hanno Koffler) und Jana (Anna Unterberger) vor, die es zu etwas gebracht haben. Sie haben Kinder, ein schönes Haus, er ist dabei, in der Politik Karriere zu machen. Um sich bei der Arbeit daheim zu entlassen, lassen sie Natalia (Kristina Yaroshenko) Teile der Haushaltsarbeit übernehmen. Das klappt gut, bis Natalie eines Tages in einen Unfall gerät und seither im Koma liegt. Für das Paar ist die Situation heikel, denn sie haben die Frau schwarz beschäftigt, wovon niemand erfahren darf. Zudem wissen sie nichts über sie und müssen sich plötzlich eine Lösung für Anna (Anna Cheban) ausdenken, die Tochter von Natalia. Wir haben zum Sendetermin am 25. September 2023 um 20.15 Uhr im ZDF Hauptdarsteller Hanno Koffler gesprochen. Im Interview reden wir unter anderem über die Themen ausbeuterische Arbeit und den Verlust von Idealen.

 

Was hat dich an Das bleibt unter uns gereizt? Warum wolltest du diesen Film drehen?

Ich fand interessant, wie sich aufgrund eines äußeren Vorfalls, nämlich einem Unfall, schließlich noch ganz andere Themen innerhalb einer Beziehung entblättern. Dinge, die das Paar vorher jahrelang verdrängt hat. Konflikte, denen sie sich nicht gestellt haben. Was man aus dem eignen Leben ja auch gut kennt. Diese Krise bietet dann die Chance zu einer Weiterentwicklung. Das war für mich eine spannende Mischung. Dieser brisante Fall, der auch eine gesellschaftliche und politische Dimension eröffnet und im Film zu einem klassischen Beziehungsdrama führt.

Wir haben uns vorher schon bei Interviews zu Plötzlich so still und Die Saat unterhalten. Dabei ist mir aufgefallen: Alle drei Filme handeln von Familienkrisen. Ist das jetzt Zufall oder ist das ein Thema, das du dir gezielt suchst?

Als Schauspieler bist du immer eine Projektionsfläche, nicht nur für das Publikum, sondern auch für die Caster, die Regisseure und die Autoren. Das heißt, dass man dann auch die entsprechenden Angebote bekommt. Offensichtlich sind Familiendramen ein Thema, in das ich aus deren Sicht ganz gut reinpasse. Ich versuche natürlich, mir aus den Angeboten die Sachen herauszusuchen, die am gehaltvollsten sind oder mich am meisten ansprechen. Aber alles fängt im Grunde mit einer Vision an, die andere von mir haben..

Dann kommen wir auf den Film selbst zu sprechen. Wie würdest du deine Figur beschreiben?

Ich spiele Alexander, der aus der liberalen, linken Richtung kommt politisch gesehen. Er war früher in seiner Jugend in der linken Protestbewegung aktiv. Später hat er eine Firma aufgebaut, die versucht, wirtschaftlich rentable Projekte für Klimaschutz aufzuziehen, zum Beispiel viel im Bereich Windenergie. Über die Jahre hat er einen Fuß in die Politik bekommen und entfernte sich über die Zeit immer weiter weg von seinen ursprünglichen Idealen. Durch eine dumme Entscheidung und einen Schicksalsschlag gerät das gesamte Konstrukt ins Wanken und er muss sich fragen, wo er in seinem Leben angekommen ist.

Würdest du also sagen, dass ihn die Politik verdorben hat?

Nun ja, da draußen lauern allgemein schon jede Menge Verführungen, die uns von unserer eigenen moralischen Instanz abbringen können. Alexander trägt eine Verantwortung für seine Familie. Er will ihnen ein gutes Leben ermöglichen, was ja erst einmal nicht verwerflich ist. Dadurch spielt der wirtschaftliche Aspekt in seinem Leben aber auch eine größere Rolle. Und das geht schließlich auf die Kosten seiner moralischen bzw. idealistischen Werte. Um den Lebensstandard seiner Familie zu erhalten, trifft er Entscheidungen, die nicht mehr seinen Überzeugungen entsprechen. Auf diese Weise verliert sich Alexander immer mehr. In seinem Fall ist es die lukrativere Karriere in der Politik. Es könnte aber im Grunde fast jedes berufliche Feld sein.

Die Krise im Film wird letztendlich durch die Putzfrau ausgelöst, die beide schwarz beschäftigen. Warum tun sie das? Sie hätten schließlich das Geld gehabt, das auch ganz regulär zu tun.

Das ist eine gute Frage. Wahrscheinlich wurde die Putzfrau ihnen von anderen empfohlen und sie haben im Anschluss nicht lange genug darüber nachgedacht. Es ist ja auch nicht so, dass die Putzfrau unbedingt auf Rechnung arbeiten wollte. Da hätten die beiden bestimmt nicht Nein gesagt. Es war sogar im Interesse der Putzfrau, das Geld schwarz auf die Hand zu bekommen. Also macht man das erstmal so und hinterfragt es nicht weiter.

Man erfährt später auch, dass sie wirklich darauf angewiesen ist, eine solche Stelle zu bekommen. Ist es dann schlecht, ihr diese Stelle zu geben?

Genau. Vielleicht eine Frage der Perspektive. Du denkst am Anfang: Da macht jemand seine Arbeit und bekommt Geld dafür, das ist im Grunde ein korrekter Vorgang. Im Einzelfall ist das kein Drama. Die Leute bekommen ihr Geld, der Stundenlohn ist okay, alle haben etwas davon. Wenn man aber weiterdenkt und die gesamtgesellschaftliche Komponente betrachtet, wird es schon schwieriger. Dann ist es plötzlich nicht mehr korrekt, weil du noch ganz andere Verantwortungen hast, die über den Einzelfall hinausgehen. Und ich finde es ganz spannend, wenn ein Film dich dazu bringt, über Sachen nachzudenken und sie auf eine höhere Ebene zu stellen. Wobei manche auch sagen werden: Das ist mir egal, mich interessiert das Drumherum nicht. Da wird es bestimmt auch beim Publikum ganz unterschiedliche Reaktionen geben.

Das Thema Arbeit und wie gehen wir mit Menschen um, die für uns arbeiten, hatten wir auch in Die Saat. Wo zieht man die Grenze zwischen einer Beschäftigung auf Augenhöhe und einer Ausbeutung?

Ja, das ist ein superspannendes Thema. Damit zusammen hängt ja auch die Frage: Wird eine Machtposition ausgenutzt? Beide Seiten haben ihre Bedürfnisse und ihren Anteil an der Verantwortlichkeit. Wenn aber eine Seite diese Geschäftsbeziehung dringender braucht, wie eben die Putzfrau bei uns, die Geld zum Überleben braucht, dann ist das ein absolutes Ungleichgewicht. Bei Alexander und Jana existiert ganze Arbeitsverhältnis ja mehr aus einer Bequemlichkeit heraus. Wenn niemand kommt, um das Haus zu putzen, wird das nicht zu einem existenziellen Problem.

Das Thema Ausbeutung wird derzeit auch im Bereich Schauspielerei diskutiert, in den USA wird seit Monaten gestreikt und für bessere Bedingungen gekämpft. Hast du dich je als Schauspieler ausgebeutet gefühlt?

Klar, natürlich. Aber da kommen mehrere Dinge zusammen. Das eine sind die Arbeitsbedingungen und die Arbeitszeiten, wo ich teilweise rückblickend sagen muss, dass da Sachen nicht ganz korrekt liefen. Da hätte man klarere Grenzen ziehen müssen. Aber da ist auch die Ebene der emotionalen Ausbeutung. Man geht hier schon ein bisschen den Pakt mit dem Teufel ein. Du musst für die Figuren deine eigenen Emotionen zur Verfügung stellen, teilweise richtig extreme Emotionen. Da kann es schon sein, dass zwischendurch Grenzen überschritten werden. Vielleicht ist Ausbeutung da das falsche Wort. Aber ich hatte schon manchmal das Gefühl, unnötig ausgesaugt worden zu sein.

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Szene aus „Das bleibt unter uns“: Als ihre Putzfrau schwer verunglückt, rutscht auch die Ehe von Jana (Anna Unterberger) und Alexander (Hanno Koffler) in eine Krise. (© ZDF/Gordon Muehle)

Einen Punkt fand ich in Das bleibt unter uns noch spannend: Die beiden stellen irgendwann fest, dass sie eigentlich nichts über ihre Putzfrau wissen. Sollte man die eigene Putzfrau kennen?

Das fand ich auch interessant. Wenn man das auf andere Arbeitsverhältnisse überträgst, bin ich mir auch nicht sicher, ob man wirklich so viel über die Angestellten weiß, also wo sie wohnen, wann sie Geburtstag haben, wie viele Kinder sie haben. Ganz zu schweigen von der privaten Telefonnummer. Bei einer Putzfrau fühlt sich das aber noch einmal anders an, weil dieser Job etwas Besonderes ist. Du agierst bei dieser Arbeit so sehr in den privaten vier Wänden und damit dem Leben anderer und wirst damit ein Teil dieser privaten Welt. Da fühlt es sich noch absurder an, wenn man einen solchen Menschen überhaupt nicht kennt. Aber letztendlich weiß ich nicht, ob man diese privaten Informationen in einem Arbeitsverhältnis braucht.

Bei dem Thema ist mir dann bewusst geworden, dass ich von so vielen Leuten im täglichen Leben abhängig bin, von denen ich nichts weiß, ob es die Post ist oder die Müllabfuhr. Kann man diese Leute überhaupt kennen? Sollte man das?

Genau, das meine ich. Auch, ob man das überhaupt will. Auch bei der Arbeit. Man ist oft gezwungenermaßen in einem so engen Verhältnis, dass du kaum noch die Grenze ziehen kannst zwischen Beruflichem und Privatem. Gehst du noch diesen Schritt weiter, dass aus einem Kollegen ein Freund wird? Und woran machst du das fest?

Auf jeden Fall bietet der Film so viel Stoff, über den man nachdenken kann. Was hast du für dich selbst denn aus dem Film mitgenommen?

Ich habe für mich festgestellt, dass es oft dann schwierig wird, wenn du anfängst Sachen zu theoretisieren und zu problematisieren. Wenn du intellektuell Lösungen suchst, läufst du Gefahr, die einfachen Antworten zu übersehen, die dir dein Herz geben würde. Der Film hat mir wieder in Erinnerung gerufen, wie wichtig es ist, bei Entscheidungen auf dein Herz zu hören und auf die Menschlichkeit. Wie gehst du mit einem Menschen um, der direkt vor dir sitzt? Das vergessen wir heute viel zu oft, auch weil wir diesen Filter der digitalen Welt haben. Diese Menschlichkeit musst du dir immer wieder vor Augen führen.

Letzte Frage: Was sind deine nächsten Projekte, über die du sprechen darfst?

Ich habe mal wieder einen Tatort gedreht, der wahrscheinlich Anfang nächsten Jahres rauskommt. Das war mit Wotan Wilke Möhring und ist glaube ich ganz spannend geworden. Außerdem hatte ich noch ein schönes Projekt mit Laura Tonke.

Vielen Dank für das Gespräch!

Zur Person
Hanno Koffler wurde am 25. März 1980 in Westberlin geboren. 2003 gab er sein Kinodebüt in dem Thriller Anatomie 2. 2007 schloss er sein Studium am Max-Reinhardt-Seminar in Wien ab. Er spielte seither unter anderem in der Romanadaption Krabat (2008) und dem LGBT-Drama Freier Fall (2013) sowie zahlreichen TV-Produktionen mit. Daneben trat er seit seiner Studienzeit in einer Reihe von Theaterproduktionen auf, darunter mehrere Shakespeare-Inszenierungen von Klaus Maria Brandauer.



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