Was hatte sich He Fei (Yilong Zhu) nicht darauf gefreut, zusammen mit seiner Frau Li Muzi zum einjährigen Hochzeitstag schön Urlaub in einem Inselresort zu machen! Doch die Freude ist bald verflogen, als Li Muzi spurlos verschwindet. Völlig verzweifelt wendet er sich an die Polizei, mehrfach, die jedoch kein Interesse an seiner Geschichte hat. Schließlich läge kein Verbrechen vor. Tatsächlich wacht He Fei eines Morgens neben einer Frau (Janice Man) auf, die vehement behauptet, seine Gattin zu sein. Für ihn steht das aber außer Frage, auch wenn die Unbekannte ihre Papiere hat und es gemeinsame Fotos von ihnen gibt. Dreht He Fei vielleicht einfach durch? In seiner Not wendet er sich an die Anwältin Chen Mai (Ni Ni), die ihm dabei helfen soll, die Wahrheit aufzudecken …
Ein chinesischer Blockbuster mit französischen Wurzeln
China ist einer der größten Kinomärkte der Welt. Und einer der eigenwilligsten. Während eine Zeit lang Hollywood-Filme dort noch richtig Geld einspielen konnten, interessiert man sich im Reich der Mitte kaum noch für fremde Produktionen. Selbst weltweite Hits wie Barbie oder Oppenheimer werden dort eher ignoriert und dafür lieber eigenen Filmen der Vorzug gegeben. Einer der erfolgreichsten Titel dieses Jahres war dabei Lost in the Stars, das im heimischen Markt umgerechnet mehr als 500 Millionen US Dollar einspielte. Zum Vergleich, das ist nicht viel weniger als das, was Mission: Impossible – Dead Reckoning – Teil Eins in einem ähnlichen Zeitraum eingespielt hat – weltweit wohlgemerkt. Insofern durfte man neugierig sein, was es mit dem fernöstlichen Blockbuster auf sich hat, der so viele Menschen in die Kinos lockte.
Wobei die Wurzeln des Hits nicht in China liegen. Vielmehr geht der Film auf das 1960 veröffentlichte Theaterstück Piège pour un homme seul von Robert Thomas zurück. Letzterer dürfte manchen durch eine andere Adaption ein Begriff sein: Auch das gefeierte Krimikomödien-Musical 8 Frauen von François Ozon basiert auf einem seiner Stücke. So wie dort gibt es auch in Lost in the Stars zahlreiche Wendungen und dunkle Geheimnisse. Während dort am Anfang der Fund einer Leiche steht, geht bei dem neuen Film alles damit los, dass eben eine Leiche fehlt. Oder auch sonst jede Spur von der vermissten Li Muzi. Richtig verwirrend wird es aber, als sie wieder auftaucht und laut He Fei gar nicht die Vermisste sein soll. Ist sie eine Betrügerin? Stimmt etwas nicht mit ihm? Was genau ist geschehen?
Zwei Stunden voll irrer Wendungen
Bis diese Fragen beantwortet werden, dauert es natürlich. Und auf dem Weg zur Erleuchtung darf sich das Publikum auf zahlreiche falsche Fährten gefasst machen. Immer wenn man bei Lost in the Stars meint, man wüsste, worauf es nun hinausläuft, passiert wieder etwas anderes. Dass Alfred Hitchcock an der Geschichte von Thomas Gefallen gefunden hatte und diese adaptieren wollte, verwundert nicht. Dazu gibt es eine mysteriöse Frau, einen gewöhnlichen Mann, der plötzlich in eine gefährliche Verschwörung hineingeraten zu sein scheint. Dass der Thriller auf einer fremden Insel spielt, es also noch ein paar schöne Kulissen obendrein gibt, hilft natürlich ebenfalls. Da schaut man gleich doppelt gern zu.
Allerdings sollte man keine hohen Erwartungen an die Glaubwürdigkeit haben. Tatsächlich ist das so überzogen, dass man sich irgendwann nicht mehr sicher ist, ob die Geschichte ernst gemeint war oder es sich nicht vielleicht doch um eine Komödie handelte. Wen das nicht stört, der kann bei dem stylischen und gut gespielten Mystery-Thriller, der im Rahmen des Fantasy Filmfests 2023 in Deutschland zu sehen ist, eine Menge Spaß haben. Und auch wenn Lost in the Stars am Ende vielleicht nicht das Niveau hat, um den gigantischen Erfolg wirklich erklären zu können, reicht es doch aus, um sich einen vergnüglichen Abend zu bereiten und für gut zwei Stunden zu vergessen, dass es eine Außenwelt gibt.
OT: „Xiao shi de ta“
Land: China
Jahr: 2023
Regie: Rui Cui, Xiang Liu
Drehbuch: Sicheng Chen, Shuyi Gu, Yixiong Yin
Vorlage: Robert Thomas
Musik: Xiao’ou Hu
Kamera: Shan He
Besetzung: Yilong Zhu, Ni Ni, Janice Man, Jiang Du, Kay Huang
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