Maestro Netflix
© Jason McDonald/Netflix

Maestro

Maestro Netflix
„Maestro“ // Deutschland-Start: 20. Dezember 2023 (Netflix)

Inhalt / Kritik

Als 28-jähriger aufstrebender Komponist lernt Leonard Bernstein (Bradley Cooper) die chilenische Theaterschauspielerin Felicia Montealegre (Carey Mulligan) kennen. Was nach der folgenden Hochzeit zunächst wie eine perfekte Ehe aussieht, strapaziert Felicia nach und nach immer mehr. Denn was sie schnell feststellen muss, ihr Mann hat Affären mit jungen Männern und verliert sich mitunter komplett in seiner Arbeit. Unter anderem um die Kinder zu schützen, bleibt die Ehe bestehen, bis zum Ende.

Die Leiden des Genies

Es ist immer so eine Sache mit Biopics. Viele von ihnen fühlen sich so an, als würde man einfach nur Lebensstationen abarbeiten, ohne dabei auf etwas Größeres abzuzielen. Das ist die Person, das ist ihr dann und dann passiert. Es ist schlicht konzeptionell ein schwieriges Unterfangen, ein echtes Leben thematisch und inhaltlich sinnvoll, nuanciert, ohne eine reine Huldigung zu sein und dennoch ergreifend in zwei Stunden abzubilden. Jede*r Regisseur*in, der*die sich ein Biopic vornimmt, stellt sich damit selbst immer einer Mammutaufgabe. Schränkt man sich selbst zu sehr ein, das zu erzählen, was man eigentlich erzählen will? Oder hat man vielleicht einfach nichts Besseres zu erzählen als: „Person X hatte ein spannendes Leben“?

Mit Maestro hat sich nun Bradley Cooper genau dieser Herausforderung gestellt. Ein Film über Leonard Bernstein, Komponist von unter anderem West Side Story und zudem einer der gefeiertsten US-amerikanischen Dirigenten aller Zeiten. Der Titel Maestro wirkt zunächst wieder einmal nach klassischer Huldigung. Doch Cooper, der nicht nur Regisseur, sondern auch Hauptdarsteller und Co-Autor des Films ist, weiß zumindest in Ansätzen zu überraschen. Maestro beschäftigt sich nur wenig mit der meisterlichen Arbeit Bernsteins. Stattdessen legt er den Fokus auf die dessen Beziehung mit seiner Frau, der chilenischen Theaterschauspielerin Felicia Montealegre, und die destruktive Natur seines Genies. Ein schwieriges Konzept. Wer will das leidende Genie sehen, das ach so genial, vielleicht zu genial für sich selbst ist?

Doch Maestro schafft es, seine Hauptfigur nicht völlig unausstehlich werden zu lassen. Zu viel Lebensfreude und gleichzeitig auch zu viele unterdrückte Probleme werden Bernstein hier attestiert. Irgendwo fast ein tragischer Held, der wie besessen von  Musik ist, da in die höchsten Höhen schießt, aber genauso hart, den emotionalen Abgrund kennt,  fast schon bipolar wirkt. Der extrovertierte Dirigent, der es mit der Hülle seiner Musik um sich herum mit allem aufnehmen kann und der stille Komponist, der sich von seinen Liebsten abkapselt und seine Ängste in sich hineinfrisst, bis es ihn und die Leute um ihn herum fast zerstört.

Ein wichtiger Aspekt ist dabei auch immer wieder seine Bi- bzw. Homosexualität und Affären mit jungen Männern, die an Felicia, aber natürlich auch an ihm selbst nagen. Wir sehen Bernstein als einen Mann, der alles Talent der Welt besitzt, sich aber in einem Strudel des Selbstzweifels und des Selbsthasses befindet. Der nicht immer sein kann, wer er gern wäre. Einen klaren Zusammenbruch voller Exzesse bekommen wir allerdings nie zu sehen. Affären, Drogen und Depression finden immer nur am Rand statt. Tatsächlich kommt Maestro, was die psychologische Analyse seiner Figur angeht, nicht weit über ein „es ist kompliziert“ hinaus. Zu zahm und zu gefällig ist der Film dafür. Maestro ist kein Leidensstück, keine Dekonstruktion Leonard Bernsteins, des reichen und gefeierten Genies, dem es dennoch furchtbar gehen würde und dessen Leid sich wie eine Seuche auf sein Umfeld übertragen würde.

Wie angemessen das wäre, können vermutlich nur die Leute beurteilen, die dabei waren, aus rein filmischer Sicht sorgt das aber dafür, dass Maestro etwas zwischen den Stühlen steht. Und leider, gerade in der zweiten Hälfte, fällt er deshalb auch in das klassische Biopic-Muster des Wiedergebens, ohne dabei etwas wirklich Interessantes zu sagen. Denn auch seine Arbeit steht zu wenig im Fokus, um darüber überzeugen zu können. Zwar ist diese wirklich gut eingebunden und an vielerlei Stellen zu hören, wer aber einen Film wie Tár erwartet, in dem es auch um die Bedeutung von dirigierender und komponierender Tätigkeit geht, dürfte enttäuscht werden.

Meisterhaft?

Vielmehr bekommt man den Eindruck, dass Maestro vor allem Coopers Spielwiese ist, schauspielerisch und auch auf dem Regie-Stuhl. Denn bei aller Kritik, die man am Drehbuch anbringen kann, muss man festhalten, dass Maestro grandios inszeniert und mit noch besserem Schauspiel gesegnet ist. Sowohl Cooper als Bernstein selbst als auch Carey Mulligan als Felicia bieten in den lauten wie in den leisen Momenten Großes dar. Getragen wird das Spiel vor allem durch Mulligans Mimik und Coopers Gestik, wobei dessen Make-up ebenfalls hervorzuheben ist.

Was die Inszenierung betrifft, muss man gerade über das Framing und Blocking sprechen, die wirklich hervorragend sind. Maestro ist kreativ und für ein Biopic ungewöhnlich stark inszeniert, ohne dabei aber unpassend überinszeniert zu sein. Die verträumt-subjektive Bildsprache der ersten Hälfte passt perfekt zu dem, was sie sein will. Für die zweite Hälfte hätte man vielleicht noch schlichter sein können, um den inhaltlichen Bruch noch besser einzufangen. Es wirkt ein wenig so, als würde man sich auf dem Wechsel von Schwarz-Weiß- zu Farbfotografie zu sehr ausruhen. Denn die zweite Hälfte entspricht dem visuellen Stil der ersten Hälfte etwas zu sehr. Zwar gibt es insgesamt immer wieder subtile Unterschiede, vieles verliert durch eine gewisse innerfilmische Beliebigkeit seinen Wert.

Selbstinszenierung

Sowohl inszenatorisch als auch spielerisch merkt man dem Film seine Award-Ambitionen an, vielleicht sogar etwas zu sehr. Man bekommt fast den Eindruck, thematisch würde sich zurückgehalten, um mehr diffuses, aber toll gespieltes und inszeniertes zwischenmenschliches Drama zu bekommen. Vielleicht wird der Film hier sogar etwas mehr zur Selbstinszenierung Coopers als zur Inszenierung Bernsteins. Das Resultat davon ist, für Leute, die sich vor allem für Schauspiel und Inszenierung begeistern können, definitiv gelungen. Allerdings ist es auch genauso selbstgefällig.

Credits

OT: „Maestro“
Land: USA
Jahr: 2023
Regie: Bradley Cooper
Drehbuch: Bradley Cooper, Josh Singer
Musik: Leonard Bernstein
Kamera: Matthew Libatique
Besetzung: Bradley Cooper, Carey Mulligan, Maya Hawk, Sarah Silverman, Matt Bomer, Michael Urie

Trailer

Filmfeste

Venedig 2023

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fazit
„Maestro“ verspricht einen anderen Ansatz als das typische Biopic, indem er sich auf die Beziehung zwischen seiner Hauptfigur und dessen Frau konzentrieren will. Und dieser Ansatz gelingt, gerade in der ersten Hälfte, auch wirklich gut. Das Problem ist nur, dass der Film thematisch dadurch Federn lassen muss und auch von seiner tollen Inszenierung und dem fantastischen Schauspiel nur bedingt gerettet werden kann.
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