Das wird ein richtig großer Film, davon zumindest ist Simon (Denis Podalydès) überzeugt. In diesem will er von dem Streik in einer Fabrik erzählen, bei denen die Männer und Frauen um den Erhalt ihrer Arbeit kämpfen. Dabei hat Simon selbst mit dem Projekt zu kämpfen. Da wären die unsichere Finanzierung und die unfähigen Studioleute, die ihm ständig in seine Geschichte hineinreden wollen. Aber auch sein egozentrischer Star Alain (Jonathan Cohen) treibt ihn und den Rest der Crew in den Wahnsinn, darunter die Hauptdarstellerin Nadia (Souheila Yacoub). Dafür ist Joseph (Stefan Crepon) die Ruhe in Person, der die verantwortungsvolle Aufgabe erhalten hat, den Dreh des Films selbst als Film festzuhalten …
Humorvolles Spiel mit der Wahrheit
Ein bisschen still war es in den letzten Jahren um Cédric Kahn geworden. Zwar trat der Franzose immer mal wieder vor die Kamera, als Schauspieler war er gerade letztes Jahr ziemlich oft zu sehen. Bei seiner eigenen Arbeit als Regisseur passierte aber lange Zeit nichts, seit seiner genüsslichen Familiendemontage in Die Familienfeier im Jahr 2019 war nichts mehr. Dafür kamen jetzt innerhalb bemerkenswert kurzer Zeit gleich zwei neue Filme heraus, die er wieder selbst inszenierte. Erst feierte in Cannes sein Justizdrama The Goldman Case Premiere, bei dem er die Gerichtsverhandlung des mutmaßlichen Mörders Pierre Goldman rekonstruierte. In Venedig folgte dann der zweite Streich Making Of.
Unterschiedlicher könnten die beiden Werke dabei kaum sein. So folgt der erste Film dem Ziel, eine schwierige Wahrheit herauszuarbeiten, sowohl innerhalb des Prozesses wie auch als Zeitporträt. Bei Making Of wird hingegen ausgiebig mit der Wahrheit gespielt. So sehen wir am Anfang eine zunehmend eskalierende Eskalation auf einem Fabrikgelände, bis ein Mann mit einer Kamera durchs Bild läuft und dadurch die Illusion zerstört. Der Tollpatsch, der einen Film über einen Filmdreh drehen sollte, sabotiert damit gleichzeitig den Film. Das neueste Werk von Kahn ist damit eines, welches sich mit der Entstehung eines solchen Werks beschäftigt. Dabei geht dann einiges schief, was mit viel Humor einhergeht. Auch das unterscheidet den zweiten Streifen von dem ersten, der betont ernst und nüchtern war.
Ambivalente Grenzüberschreitung
Ein humoristischer Film, der hinter die Kulissen eines Filmdrehs blickt? Da dürften manche an den japanischen Kulttitel One Cut of the Dead zurückdenken, welches vor einigen Jahren die Festivals eroberte und später mit Final Cut of the Dead eine französische Neuauflage erfuhr. In beiden Werken geht richtig viel schief, müssen sich die Teams mit irgendwelchen Widrigkeiten herumplagen. Doch während der obige Kollege, der von einer Zombie-Invasion berichtete, eine Liebeserklärung an das Filmemachen war, ist Making Of deutlich ambivalenter. So knallen hier diverse Egos aneinander, die kein sehr schmeichelhaftes Bild dieser Zunft zeichnen. Und spätestens, wenn das Geld knapp wird, wird es sowieso richtig hässlich. Von der hehren Kunst bleibt dann nicht mehr viel übrig.
Augenzwinkernde bis bissige Abrechnungen mit der Filmbranche hat es natürlich früher schon gegeben, da wird hier kein Neuland betreten. Interessant ist aber, wie Kahn, der gemeinsam mit Fanny Burdino und Samuel Doux das Drehbuch geschrieben hat, den Filmdreh und den Inhalt des Film im Films in Verbindung setzt. Da finden sich dann Parallelen zwischen den prekären Verhältnissen in der Fabrik und denen am Set. Tatsächlich weiß man zwischendurch schon gar nicht mehr, wo die Grenzen zwischen dem einen und dem anderen liegen. Das ist manchmal erheiternd, manchmal ziemlich bitter und regt an der einen oder anderen Stelle auch zum Nachdenken an. Making Of ist damit ein weiteres interessantes Werk des Franzosen geworden. Bleibt nur zu hoffen, dass es im Anschluss nicht wieder einige Jahre dauert, bis der Filmemacher eine eigene Geschichte zu erzählen hat. Da darf gern früher wieder Nachschub kommen.
OT: „Making Of“
Land: Frankreich
Jahr: 2023
Regie: Cédric Kahn
Drehbuch: Fanny Burdino, Samuel Doux, Cédric Kahn
Kamera: Patrick Ghiringhelli
Besetzung: Denis Podalydès, Jonathan Cohen, Stefan Crepon, Souheila Yacoub, Emmanuelle Bercot, Xavier Beauvois, Valérie Donzelli
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