Schon als kleines Kind interessierte sich Vicky (Shu Qi) fürs Feiern und konnte es nicht abwarten, endlich von ihrem Heimatdorf wegzuziehen. Zusammen mit ihrem ersten Freund Hao-hao (Tuan Chun-hao) zieht sie in ein kleines Apartment in Taipei. Während sie sich ihren Kindertraum jeden Abend erfüllt und meist sehr spät nach Hause kommt, will es ihr Freund als DJ schaffen, jedoch fehlt es ihm am nötigen Talent. Als das Geld der beiden langsam knapp wird, scheut Hao auch nicht vor Diebstählen zurück und provoziert schließlich einen Konflikt mit seinem Vater, dessen Rolex er bei einem Pfandhaus eingetauscht hat. Auch die Beziehung von Vicky und ihm leidet immer mehr, es kommt immer wieder zu Streitereien, vor allem wegen Haos Eifersucht, der schon wegen eines langen Telefonats misstrauisch ist und regelmäßig Vickys Sachen durchsucht. Um selbst Geld zu haben und sich von Hao zu trennen, nimmt Vicky einen Job als Hostess in einem Nachtklub an. Dessen Besitzer, Jack (Jack Kao), hat schon bald ein Auge auf seine schöne neue Mitarbeiterin geworfen, was sich Vicky natürlich gefallen lässt. Jacks Beziehungen zur Unterwelt der taiwanesischen Hauptstadt machen ihn zu einem gefährlichen Konkurrenten für Hao, der nicht einsehen will, dass seine Beziehung zu Vicky zu Ende gehen soll.
Ein Blick nach vorne und zurück
Nachdem er zu Beginn seiner Karriere noch sehr kommerziell motivierte Projekte gemacht hatte, wurde Regisseur Hou Hsiao-hsien spätestens mit seinen Werken Geschichten einer fernen Kindheit und Liebe wie Staub im Wind zu einem festen Teil einer Bewegung, die in der Filmgeschichte als Taiwanese New Wave bezeichnet. Ihm, wie auch Filmemachern wie Edward Yang, ging es um nichts weniger als eine neue Bildsprache, die dem neuen Taiwan gerecht wurde, wobei für Hsiao-hsien es immer auch ein Blick zurück war. In seinem 2001 erschienenen Millennium Mambo werden solche Themen besonders deutlich, geht es doch in dem Drama um eine junge Frau und ihren eifersüchtigen Liebhaber, vor allem um eine Generation, wie sie in die Zukunft blickt und wie sie mit ihrer Geschichte umgeht. Dank einer liebevollen 4K-Restauration, die dem Bilderreigen des Filmes noch einmal neue Kraft gibt, darf man Millennium Mambo auch wieder in den deutschen Kinos sehen.
Die 1990er waren ein wichtiges Jahrzehnt für den taiwanesischen Filmemacher, der zum einen seine filmische Sprache weiterdachte und zum anderen einige seiner bedeutendsten Werke schuf, die ihn international bekannt machten. Millennium Mambo kann als eine Schlussakkord dieser Schaffenszeit gesehen werden, auch wenn der Film 2001 erst seine Premiere bei den Filmfestspielen in Cannes feierte. In langen Einstellungen fängt die Kamera die Figuren und ihre Umgebung ein, wie sie in dieser interagieren und was uns dies über sie selbst aussagt. Das kleine Apartment, in dem die Luft sprichwörtlich immer dicker wird, als die Streitigkeiten der beiden Protagonisten sich häufen, wird zu einer Art Gefängnis für die Figuren und damit einem Symbol für ihre emotionale Lage. Hsiao-hsien zeigt Menschen, die nicht vor und nicht zurück können oder sich zumindest nicht in der Lage sehen, dies zu bewerkstelligen, sodass die Bilder auch als Ausdruck eines Stillstands verstanden werden können. Selbst in den Nachtclubs, den Discos oder in den Straßen scheint diese Atmosphäre vorzuherrschen, dass man weiß, man muss aufbrechen, aber man sich nicht traut, den ersten Schritt in einen vermeintlichen Abgrund zu machen.
Tanzen, Drogen und Geld zu verschleudern
Wie viele Filme dieser Zeit sind auch die Figuren in Millennium Mambo ständig in Bewegung. Shu Qi spielt eine junge Frau, die ziemlich genau weiß, was sie nicht will, aber bei dem, was sie will, an sich und der Welt zu scheitern droht. Die Narration des Films berichtet teils von Ereignissen, bevor diese passieren, was wie eine Erinnerung wirkt, zu der man zurückkehrt, weil man sie bereut oder weil sie einem vielleicht sogar etwas Trost spendet. Neben der Melancholie blickt man ebenso auf sie, wie sie zurückgeht zu ihrer Familie aufs Land, wie sie dort aufblüht, nur um dann wieder zurück in die Metropole zu kommen, wo sie sogleich von neuen Anschuldigungen ihres Freundes begrüßt wird. Immer wieder fragt man sich als Zuschauer, was diese Menschen antreibt, oder ob sie sich vielmehr treiben lassen, wie dieser Film, in dem Dinge zwar geschehen, aber es keine zwingende Dramaturgie zu geben scheint. Hsiao-hsien geht es um eine Bestandsaufnahme einer Zeit der Unsicherheit und des Übergangs.
OT: „Qianxi manbo“
Land: Taiwan, Frankreich
Jahr: 2001
Regie: Hsiao-hsien Hou
Drehbuch: Tien-wen Chou
Musik: Lim Gong, Yoshihiro Hanno
Kamera: Mark Lee Ping-bin
Besetzung: Shu Qi, Jack Kao, Chun-hao Tuan, Yi-hsuan Chen, Jun Takeuchi, Doze Niu
Cannes 2001
Toronto International Film Festival 2001
International Film Festival Rotterdam 2001
Filmfest München 2023
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