Wer eine Vorliebe für Jazz hat, für den könnte sich gerade eine Dauerkarte beim Kino lohnen. Zumindest ist es auffällig, dass in kurzer Zeit gleich mehrere Dokumentarfilme starten, die alle auf die eine oder andere Weise diese Musikrichtung thematisieren. Den Anfang machte Le Mali 70, bei der eine deutsche Gruppe den Weg nach Westafrika einschlägt, um dort nach musikalischen Wurzeln zu suchen. Im Anschluss nahm sich Jazzfieber speziell der hiesigen Musiklandschaft an und wagte einen Blick auf die Entwicklung derselben. Und da aller guten Dinge drei sind, folgt nun mit Music for Black Pigeons bereits das dritte Werk, das ein Schlaglicht auf den Jazz wirft. Wo die beiden obigen Kollegen jedoch aus einer deutschen Perspektive erzählt sind, handelt es sich beim dritten Film um eine dänische Produktion.
Internationales Ensemble
Das bedeutet jedoch nicht, dass es hier um die Musik des skandinavischen Landes geht. Tatsächlich ist der Film sehr international ausgerichtet. Da ist beispielsweise die japanische Perkussionistin und Komponistin Midori Takada, die unter anderem bei Final Fantasy und Haibane Renmei mitgewirkt hat. Auch der US-Amerikaner Lee Konitz oder der Norweger Jon Christensen kommen zu Wort. Ein Dutzend Leute bringt Music for Black Pigeons auf diese Weise zusammen. Gemeinsam ist ihnen dabei nicht nur die Liebe zur Musik, sondern auch, dass es sich um Bekannte des dänischen Gitarristen Jakob Bro handelt. Er ist dann gewissermaßen auch das Zentrum des Films. Genauer hat das Regie-Duo Jørgen Leth und Andreas Koefoed (The Lost Leonardo) ihn begleitet, über viele Jahre hinweg, während er sich für Aufnahmen und Auftritte musikalische Verstärkung suchte.
Ein solches Vorgehen hat quasi zwangsläufig keinen roten Faden. Der Film versucht nicht, diese vielen Begegnungen in einen narrativen Rahmen zu pressen oder sich vergleichbar zu den obigen Werken auf eine Spurensuche zu begeben. Vielmehr wird in den einzelnen Szenen der Moment zelebriert. Das gilt insbesondere natürlich für die Jam Sessions, wenn die Musiker und Musikerinnen zusammenkommen und sie selbst noch nicht genau wissen, wohin die Reise geht. Für ein Jazz-Publikum werden diese Szenen dann wohl auch der Höhepunkt von Music for Black Pigeons sein, wenn die wechselnden Ensembles die verschiedenen Möglichkeiten des Genres ausloten und sich immer wieder an etwas Neuem versuchen. Auch wenn manche der Teilnehmenden schon etwas betagter sind, ihre Spielfreude ist ungebrochen.
Nah am Menschen
Wer nichts mit der Musik anfangen kann, wird aufgrund des fehlenden narrativen Rahmens vielleicht etwas verloren sein. Wobei auch für sie einige der Gespräche und Interviews spannend sein könnten. So wechseln sich diese Sessions mit Szenen ab, in denen die verschiedenen Protagonisten und Protagonistinnen aus dem Nähkästchen plaudern oder ihre Gedanken zum Jazz teilen. Schön ist dabei, dass Music for Black Pigeons hier deutlich näher an den Menschen dran ist. Oft verkommen solche künstlerischen Dokumentarfilme zu reinen PR-Aufnahmen, insbesondere wenn eine einzelne Person im Mittelpunkt steht, der gehuldigt werden soll. Daran hatte hier aber niemand Interesse. Man kommt aus einer gemeinsamen Leidenschaft zusammen, ganz ohne vorgegebenes Ziel.
Das macht den Dokumentarfilm, der bei den Filmfestspielen von Venedig 2022 Premiere feierte, zu einer recht angenehmen Erfahrung, die so entspannt ist wie das Musizieren selbst. Der lockere Plauderton trägt zusammen mit den Auftritten dazu bei, dass Music for Black Pigeons zu einer interessanten Entdeckungsreise wird, bei der unterwegs alles Mögliche geschehen kann. Hin und wieder wäre man vielleicht dankbar gewesen für ein paar mehr Kontexte. So mögen beispielsweise die Mitwirkenden Koryphäen sein, Stars mit Mainstream-Appeal sind sie kaum. Dadurch verstärkt sich der Eindruck, dass man hier unter sich ist und weniger an ein Publikum denkt. Da war Ladies First: Eine Geschichte der Frauen im Hip-Hop trotz aller Dogmatik doch zugänglicher. Außenstehende sind eingeladen, das alles als Ausgangspunkt für weitere Entdeckungen zu nehmen, müssen das dann aber selbst in Angriff nehmen.
OT: „Music for Black Pigeons“
Land: Dänemark
Jahr: 2022
Regie: Jørgen Leth, Andreas Koefoed
Kamera: Adam Jandrup, Dan Holmberg, Andreas Koefoed
Venedig 2022
Nordische Filmtage Lübeck 2022
DOK.fest München 2023
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