Eine Stelle in einer der vielen Nachrichtenagenturen in Paris ist der Traum vieler angehender Journalisten. So auch von Gabrielle (Alice Isaaz), die sich mit Kamera sehr gut auskennt und diese reparieren kann, aber keinerlei Erfahrung mit der Zusammenstellung, der Recherche oder dem tatsächlichen Filmen eines Nachrichtenbeitrags hat. Bereits vom ersten Tag ihrer Ausbildung in der Redaktion einer renommierten Nachrichtensendung wird sie hineingeworfen in den hektischen Alltag der Journalisten. Von einem Beitrag über Rettungsfahrer oder einem über die Mafia bekommt sie einen Einblick in die Suche nach Informanten, das Ringen um ein Interview und den Schnitt, für den meist noch nicht einmal viel Zeit bleibt. Zunächst nur als technische Assistentin eingesetzt, wird sie schon bei ihrem ersten Einsatz vor eine Entscheidung gestellt, die das Gelingen des Beitrags bestimmt. Dabei lernt sie auch die harte Realität hinter der Sendung kennen, die schon lange nicht mehr alleine von Fakten bestimmt ist, sondern auch von Einschaltquoten und den politischen Interessen der Produzenten. Dabei wird Chefredakteur Vincent (Roschdy Zem) zu einem Mentor für die junge Frau und vielleicht auch noch etwas mehr als das.
Ein unberechenbarer Fluss
Ihr neuer Film On the Pulse war für die französische Drehbuchautorin und Regisseurin Alix Delaporte ein Herzensprojekt, weil die Geschichte viel mit ihrer Biografie zu tun hat. Wie sie in ihrem Regiestatement erklärt, hat auch sie angefangen als eine Reporterin in einer Nachrichtensendung angefangen und dabei sehr viele, sehr unterschiedliche Projekte. In On the Pulse, der bei den Filmfestspielen in Venedig 2023 Premiere feierte, wollte sie den hektischen Alltag der Reporter einfangen, doch genauso wie die Kameradschaft unter ihnen, die sich ergibt aufgrund ihres Berufs, welcher ihnen emotional und körperlich sehr viel abverlangt.
In ihrem Regiestatement beschreibt Delaporte den Alltag eines Reporters als einen „unberechenbaren Fluss“. Dieses Konzept scheint auch die Basis für On the Pulse, sowohl für die Inszenierung als auch die Erzählweise, gewesen zu sein. Selbst wenn man als Zuschauer die unterschiedlichen Beiträge und Eindrücke der Protagonistin identifizieren kann, ist die Abfolge der Ereignisse so hektisch inszeniert, dass man bisweilen erst einige Momente später bemerkt, dass die Figuren schon die nächste Story besprechen. Im Gegensatz zu manch anderen Projekten wirkt dieser Ansatz wesentlich authentischer (oder zumindest nachvollziehbarer) als in vergleichbaren Filmen, die den Reporter als jemanden zeigen, dem der nächste Coup praktisch in die Hände fällt. Delaporte zeigt die Arbeit und vor allem das Ringen, das jedem Beitrag zugrunde liegt, sowie die Verhandlungen mit den politisch-wirtschaftlichen Interessen des Senders, deren Einfluss in der Wahl der Themen immer deutlich wird.
Träume und Realität
Alice Isaaz’ Figur ist dabei ständiger Bezugspunkt für den Zuschauer. Dass die junge Frau schon etwas an Erfahrung mitbringt, scheint vom ersten Moment an mehr als offensichtlich, doch auch sie wirkt bisweilen etwas überfordert mit dem Ausmaß und der Tragweite der täglichen Herausforderungen in der Redaktion. Isaaz interpretiert ihre Figur als jemanden, der sich beweisen und der lernen will und der mit nur wenigen Illusionen an ihre Tätigkeit herangeht. Figuren wie die von Roschdy Zem oder Jean-Charles Clichet (als Moderator der Sendung) wirken eher wie Routiniers ihrer Zunft, die nicht einmal mehr merken, wie erschöpft sie auf ihr Umfeld wirken. Auch im Bereich der Rollengestaltung und der Figurenentwicklung zeigt sich der realistische Ansatz von Drehbuch und Regie.
Wenn es einen Kritikpunkt in On the Pulse gibt, dann liegt dieser in der Laufzeit. Ähnlich hektisch wie der Alltag der Figuren wirken auch Aspekte wie der Schnitt und damit der generelle Rhythmus des Films. Vielleicht hätte der Fokus auf einer der Reportagen, wie es viele vergleichbare Filme machen, genügt, um den Einblick zu gewähren, auf den es Delaporte ankommt. Dann hätte man vielleicht auch vermeiden können, dass man sich als Zuschauer viel über die Figuren zusammenreimen kann, diese aber einem doch irgendwie fremd wirken und man immer zu ihnen auf Distanz gehalten ist.
OT: „Vivants“
Land: Frankreich, Belgien
Jahr: 2023
Regie: Alix Delaporte
Drehbuch: Alix Delaporte, Alein La Henry, Olivier Demangel, Jeanne Herry
Musik: Evgueni Galperine, Sacha Galperine
Kamera: Inès Tabarin
Besetzung: Alice Isaaz, Roschdy Zem, Vincent Elbaz, Pascale Arbillot, Pierre Lottin, Jean-Charles Clichet
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