Der Schock ist groß, als drei Menschen erschossen in einem idyllischen Teil des Zürcher Oberlands gefunden werde. Er wird sogar noch größer, da sich dort auch die sechsjährige Ella (Maura Landert) befindet, die sich völlig verstört stundenlang unter der toten Mutter versteckt hat. Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) und Tessa Ott (Carol Schuler) übernehmen daraufhin den Fall und suchen nach möglichen Antworten. Eine Spur führt dabei zu dem Unternehmen von Joel Müller (Ralph Gassmann), an dem auch die Toten beteiligt waren und das ein Programm entwickelt hatte, welches die Gesichtserkennung erschweren sollte. Doch ist da die Lösung zu finden? Einfach ist die Aufgabe nicht, da Ella aufgrund ihrer Traumatisierung wenig zur Aufklärung beitragen kann …
Eine Frage der Technik
Fans vom Tatort hatten es zuletzt nicht leicht, zumindest wenn sie einen ganz klassischen Krimi sehen wollten. So war Gold ein irgendwie kurioses Werk um den berühmten Nibelungenschatz, bei Erbarmen. Zu spät. mussten die Zuschauer und Zuschauerinnen ewig mitanschauen, wie die Polizei durch die Gegend fährt und über alles Mögliche redet. Handlung? Fehlanzeige. Spannung erzeugt man auf diese Weise weniger, bei vielen kam das gar nicht gut an. Nun darf das Schweizer Duo Grandjean und Ott in seinem sechsten Fall Blinder Fleck versuchen, die vergrätzten Leute wieder zu besänftigen. Eine gute Nachricht für diejenigen, die mal wieder etwas Traditionelleres sehen wollen: Der Film ist das. Die schlechte Nachricht: Das Ergebnis ist auch nicht besser als bei den beigen obigen Titeln.
Grundsätzlich bietet der 1244. Film der ARD-Endlosreihe schon das, was man von einem Fernsehkrimi erwarten kann. So gibt es zu Beginn ein Verbrechen, das entdeckt und im Laufe der folgenden anderthalb Stunden aufgeklärt werden muss. Auch dass verschiedene Figuren für die Tat in Frage kommen, orientiert sich eng am Standard-Regelwerk. Dabei könnte es sowohl berufliche wie private Gründe geben, das Übliche eben. Gleichzeitig macht man bei Tatort: Blinder Fleck aber früh klar, dass es schon größere Ambitionen bei der Geschichte gibt und man richtig aktuell sein wollte. Vor allem das Thema Drohnen wird genutzt, um einige ganz grundsätzliche Fragen zu stellen und vielleicht sogar ein bisschen den Warner und Mahner zu geben, potenziell gefährlich sind diese Dinge ja.
Zu wenig draus gemacht
Das Konzept des Programms, welches das Start-up-Unternehmen entwickelt hat, ist schon mal spannend, geht es doch darum, Gesichter von Kameras und ähnlichem schwerer erkennbar zu machen. Ein solches Programm ließe sich sowohl positiv wie negativ nutzen. Ebenso unklar ist, was das Unternehmen, welches es kaufen sollte, damit vorhatte. Nutzen oder aus dem Verkehr ziehen? Auch an anderen Stellen wird versucht zu zeigen, dass die Drohnen erst durch die Menschen zu Segen oder Fluch werden können. Tatort: Blinder Fleck gibt da also schon ein paar Stichworte, über die man nachdenken kann. Richtig groß war das Interesse an dem Stoff dann aber wohl doch nicht. Zumindest werden diese Gedanken irgendwann einfach fallengelassen, spielen keine Rolle mehr.
Das liegt auch daran, dass der Film ein anderes Thema für sich entdeckt, welches weit in die Vergangenheit zurückführt. Die Autorinnen Karin Heberlein und Claudia Pütz wollen dann über Traumata sprechen und wie wir von Erfahrungen geprägt werden. Auch das ist grundsätzlich ein dankbares Thema, wird aber vergleichbar zu den technologischen Bedenken kaum vertieft. Besonders ärgerlich ist, wie die junge Ella, die immerhin den Mord an ihren Eltern erlebt hat, nach dem Erfüllen ihrer narrativen Pflicht quasi entlassen wird. Das ist dann schon ziemlich billig. Richtig spannend wird es in Tatort: Blinder Fleck sowieso nicht. Selbst das Finale, bei dem es richtig brenzlig werden sollte, hinterlässt kaum Eindruck. Das Warten auf einen guten klassischen Krimi geht also weiter.
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