The Changeling – Staffel 1

Apollo (LaKeith Stanfield) verkauft seltene Bücher, Emma (Clark Backo) ist Bibliothekarin. Was zunächst nach einer Liebesgeschichte aussieht, endet nach der Geburt ihres Sohnes Brian im blanken Horror. Emma erhält Fotos von ihrem Mann auf dem Handy, die er aber immer nach dem Verschicken wieder löscht. Als sie ihn darauf anspricht, scheint er gar nicht zu wissen, was sie eigentlich meint. Auch sonst geschehen um die beiden herum immer mehr mysteriöse Dinge. Emma hinterfragt schließlich, ob Brian überhaupt ihr Sohn ist. Sie sucht Rat bei The Wise Ones an, einer Onlinegruppe für Mütter, was letzten Endes dazu führt, dass sie verschwindet. Apollo setzt alles daran, sie wiederzufinden, wird dabei aber auch mit der Vergangenheit konfrontiert …

Ein vergessener Mythos

Der Mythos des Wechselbalgs geht auf das europäische Mittelalter zurück, ist mittlerweile aber etwas in Vergessenheit geraten. Während er in der Literatur oft aufgegriffen wurde (etwa durch die Brüder Grimm), gibt es erstaunlich wenig filmische Werke, die sich mit ihm beschäftigen. In Die Reise ins Labyrinth etwa wird ein Kind von Kobolden entführt, aber selbst dort findet kein richtiger Austausch im ursprünglichen Sinne statt. Dabei ließe sich aus dem Motiv des geraubten und durch ein garstiges Wesen ersetzten Kindes filmisch einiges herausholen. Je nachdem, wie erfolgreich The Changeling wird, sehen wir davon ja vielleicht mehr in Zukunft. Die Serie, von der die ersten drei Folgen am 8. September auf Apple TV+ verfügbar sind, basiert jedenfalls auf dem gleichnamigen Roman von Victor LaValle aus dem Jahre 2017. Wie genau sich dabei an die Vorlage gehalten wurde, kann hier nicht festgestellt werden – es spielt wie bei allen Adaptionen auch keine Rolle. Die restlichen fünf Episoden werden im weiteren Verlauf wöchentlich veröffentlicht; eine Fernseh-Praxis, die sich in Zeiten von Streamingdiensten ebenfalls wie aus dem Mittelalter anfühlt.

Jane Kaczmarek spielen zu sehen, ist immer ein Genuss. Wer als Schauspieler einmal eine Paraderolle übernommen hat, der wird sie so schnell nicht wieder los. Auch wenn sie an deutlich mehr Projekten mitgewirkt hat, ist sie doch fast nur für die Rolle der Mutter Lois in Malcolm mittendrin bekannt. Allerdings gestaltet sie jeden neuen Auftritt auf individuelle Weise, anders als bei anderen Mimen überschattet diese eine Rolle nie ihr sonstiges Wirken. Das Schauspiel ist dann auch die große Stärke von The Changeling. Kaczmarek, die erst in der vierten Folge dazustößt, sticht nur deshalb nicht übermäßig hervor, weil hier eben die meisten Darsteller volle Leistung bringen. LaKeith Stanfield bewegt sich rollentechnisch wieder in gewohnten Bahnen, zeigt jedoch keinerlei Ermüdungserscheinungen und füllt seinen Charakter mit Leben. Auch optisch kann The Changeling mit allem mithalten, was Apple TV+ bisher so produziert hat.

Pacingprobleme und offenes Ende

Was diese Serie jedoch runterzieht, ist zum einen ihre Länge und zum anderen, vielleicht als Konsequenz daraus, die Handlung gegen Ende. Von den acht Episoden sind mindestens zwei zu viel. Mit straffem Pacing hätte sich die Sache in fünf starken Folge erzählen lassen, allerdings können wir auch großzügig sechs zugestehen, da die ersten beiden bewusst eher gemächlich gestaltet sind, um das Setting vernünftig zu etablieren. Die Pacingprobleme verblassen jedoch im Vergleich zu denen der Handlung. Was als subtiler Realhorror beginnt und die Ängste von Eltern beziehungsweise vor allem einer Mutter zeigt, wird zunehmends ein abstruses Geflecht aus Mysterien, die nie aufgelöst werden. Für jede Antwort, die The Changeling liefert, werden zwei neue Fragen aufgeworfen. Die Staffel endet mit einem Cliffhanger, der nicht nur Anlass zu noch mehr Verwunderung gibt, sondern jeden, der bis hierher gespannt durchgehalten hat, mit einer letzten Frage tatsächlich das Fürchten lehrt: Was, wenn die Serie abgesetzt wird?