Jason (Cecilio Andresen) weiß genau, was er will und braucht. Und auch, was er nicht will. Dass sich die einzelnen Bestandteile seines Essens berühren zum Beispiel, das geht für den autistischen Zehnjährigen gar nicht. Seine Eltern Mirco (Florian David Fitz) und Fatime (Aylin Tezel) wissen um diese Regeln, die ihr Sohn aufgestellt hat, und bemühen sich wirklich, dass diese immer eingehalten werden – was im Alltag mal mehr, mal weniger klappt. Als es in der Schule erneut zu Problemen kommt und der Familie nahegelegt wird, den Jungen auf eine Förderschule zu schicken, schließen Mirco und Jason einen Pakt. Wenn Jason es schafft, sich stärker zu integrieren und keine Wutausbrüche mehr zu haben, nimmt ihn sein Vater zu allen 56 Fußballvereinen der ersten bis dritten Bundesliga mit. Denn Jason ist fest entschlossen, seinen Lieblingsverein zu finden – wofür er eine Reihe neuer Regeln aufstellt …
Einsatz für autistische Menschen
Eines von 36 Kindern hat Autismus, so gaben die Centers for Disease Control (CDC) in den USA 2020 an. Das ist ein kräftiger Anstieg im Vergleich zu früher, wobei nicht ganz klar ist, ob Autismus tatsächlich heute häufiger ist oder ob der Anstieg auf eine bessere Diagnostik und mehr Verständnis zurückzuführen ist. So oder so ist das Interesse an dem Thema gestiegen, was sich auch an den diversen Filmen und Serien festmachen lässt. Netflix brachte beispielsweise die fiktionale Serie Atypical und die Doku Liebe im Spektrum heraus. Das deutsche Fernsehen nahm einen Autisten als Protagonisten in Lost in Fuseta – Ein Krimi aus Portugal. Und auch in dem französischen Familiendrama Zoe & Sturm spielt ein Autist eine größere Rolle. Nun folgt mit Wochenendrebellen ein weiterer Beitrag aus Deutschland, der für Verständnis und Akzeptanz wirbt. Eingepackt wird das Thema jedoch in ein Szenario, das gleichermaßen originell wie wahr ist: Mirco von Juterczenka ist tatsächlich mit seinem Sohn Jason durch Deutschland gereist, um einen passenden Fußballverein für ihn zu finden.
In Wochenendrebellen klingt das erst einmal nach einer Schnapsidee. Nicht nur, dass ein Massenauflauf, bei dem es um eine körperliche Tätigkeit geht, nicht unbedingt zu einem Jungen passt, der in erster Linie in seinem Kopf lebt. Es passt auch nicht zu den besonderen Bedürfnissen des 10-Jährigen, der die physische Nähe zu anderen nicht ertragen kann. Diese offensichtliche Unvereinbarkeit wird in dem Film gern humoristisch genutzt. Das Ganze ist so absurd, dass man allein deswegen schon neugierig ist, worauf das alles hinauslaufen wird. Ebenso absurd erscheinen einem die Gründe, warum Jason jeden neuen besuchten Verein ablehnt. Da geht es nicht um die sportliche Leistung oder die Atmosphäre. Stattdessen hat er ganz andere Parameter zur Bestimmung der Qualität.
Ein Film fürs Massenpublikum
So etwas hätte schnell peinlich werden können, wenn letztendlich auf Kosten des Jungen unterhalten werden soll. Regisseur Marc Rothemund (Dieses bescheuerte Herz) ist aber schon sehr bemüht darum, dass genau das nicht geschieht und Jason nicht vorgeführt wird. Die interessantesten Momente seines Films sind die, wenn er den Perspektivwechsel versucht. Wen Jason nicht der Sonderling ist mit den komischen und unrealistischen Regeln. Stattdessen wechselt das Publikum die Seite und nimmt wahr, wie das Kind die Welt wahrnimmt: als einen lauten Kriegsschauplatz, in dem er seinen Platz sucht. Wochenendrebellen wechselt auf diese Weise zwischen bitteren und komischen Momenten, will ein schweres Thema luftig leicht und massentauglich verpassen.
Dazu gehört dann aber auch, dass der Film unentwegt Konventionen bedient und sich zahlreiche Klischees in der Geschichte finden. Dass beispielsweise Jason Interesse an der Chaostheorie hat, mag durchaus stimmen. Die Art und Weise, wie Wochenendrebellen aus ihm ein Genie macht, das den eher minderbemittelten Mitschülern weit überlegen ist, erinnert aber schon sehr an den durch Rain Man etablierten Stereotypen der Inselbegabung. Auch der Ablauf der Handlung hangelt sich ängstlich an den üblichen Stationen entlang, will nie etwas wagen, bloß nichts riskieren. Hinzu kommen Konflikte, die gern mal aus dem Nichts konstruiert und ebenso schnell wieder aufgelöst werden. Dadurch hat man bei dem Film immer wieder das Gefühl, dass da jemand nur eine Checkliste abarbeitet. Natürlich ist das Ergebnis schön und zeigt Wirkung, auch weil Nachwuchsschauspieler Cecilio Andresen (Entführt – 14 Tage Überleben) eine echte Entdeckung ist. Für einen Film, der sich aber auf die Fahne schreibt, sich für Menschen einzusetzen, die irgendwie anders sind, ist das Ergebnis schon ein bisschen sehr arm an Persönlichkeit.
OT: „Wochenendrebellen“
Land: Deutschland
Jahr: 2023
Regie: Marc Rothemund
Drehbuch: Richard Kropf
Vorlage: Mirco von Juterczenka, Jason von Juterczenka
Musik: Christopher Young
Kamera: Philip Peschlow
Besetzung: Florian David Fitz, Cecilio Andresen, Aylin Tezel, Joachim Król, Petra Marie Cammin, Leslie Malton, Milena Dreissig
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