Arena 196
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Arena 196 – Zwischen Wende, Wahl und Wirklichkeit

Arena 196
„Arena 196 – Zwischen Wende, Wahl und Wirklichkeit“ // Deutschland-Start: 26. Oktober 2023 (Kino)

Inhalt / Kritik

Für den Wahlkreis 196 in Südthüringen hätten sich bei der letzten Bundestagswahl wohl nur ein paar Polit-Spezialisten interessiert. Wer kennt schon die Städte Meiningen, Hildburghausen oder Schmalkalden und die vielen grünen Hügel um sie herum? Doch dann trat Ex-Verfassungsschutzpräsident und CDU-Rechtsaußen Georg Maaßen auf den Plan, dem beste Kontakte zur AfD nachgesagt werden. Um ihn als Direktkandidaten der CDU zu verhindern, tat die Kampagnenorganisation „Campact“ etwas, wovor sie bislang zurückschreckte. Sie mischte sich direkt in die Taktik der Parteien ein und forderte von Grünen und Linken eine gemeinsame Erststimmenkampagne für Frank Ullrich, den SPD-Direktkandidaten und weithin beliebten Biathlon-Olympiasieger von 1980. Urplötzlich geriet der Wahlkreis 196, flächenmäßig größer als das Saarland, ins Rampenlicht des öffentlichen Interesses. Diese Entwicklung und vieles mehr beleuchten die Dokumentarfilmer Yvonne und Wolfgang Andrä (Heimsuchung) in einer ebenso spannenden wie inspirierenden Betrachtung.

Auf den Zahn gefühlt

Sanft gleitet die Kamera über Baumspitzen: Wald, soweit das Auge reicht. Immer wieder bewundern Drohnenflüge die Schönheiten des Landstrichs nördlich von Bayern, das eifrigen Wanderern wegen des renommierten „Rennsteigs“ ein Begriff ist. Es dreht sich also nicht alles nur um die aktuelle Politik in diesem beobachtenden „Direct Cinema“, das einen Bogen schlägt zu den Menschen der ehemaligen DDR und der Frage, warum sie heute so ticken, wie sie es tun. Das selbst aus der DDR stammende Filmemacher-Ehepaar (Die jungen Kadyas, 2021) macht es sich zur Aufgabe, zuzuhören und sich jeden Kommentars zu enthalten. Zu Wort meldet es sich nur in Schrifttafeln, die dazu dienen, nötige Informationen zu liefern und Sachverhalte einzuordnen.

Auch Politiker müssen in Wahlkampfzeiten stärker auf die Menschen im Land zugehen, als sie das während der Legislaturperiode tun. Und so erweist sich die Methode als fruchtbar, sich an ihre Fersen zu heften bei ihren Reisen zu den Marktplätzen, zu Firmen und Kulturschaffenden und natürlich zu den diversen Podiumsdiskussionen, in denen Zeitungen und andere Medien den Direktkandidaten auf den Zahn fühlen. Zu Drehbeginn im Juni 2021 waren von den später zwölf Bewerbern um die Erststimmen sieben bekannt. Von ihnen lehnte der AfD-Kandidat Jürgen Treutler die Begleitung der Kamera ab, ebenso wie später Hans-Georg Maaßen (CDU), der zunächst mitmachte und dann ausstieg, als „Campact“ sich einmischte. Somit blieben Frank Ullrich (SPD), dessen Namensvetter Gerald Ullrich (FDP), Sandro Witt (Die Linke), Stephanie Erben (Bündnis 90 / Die Grünen) und Stefan Schnellenberg (ÖDP) als Protagonistinnen und Protagonisten übrig.

Wer sich seit langem für Politik interessiert, kennt natürlich die taktischen Spielchen um Erst- und Zweitstimmen. Mal forderte die FDP ihre Wähler auf, die Erststimme der CDU zu geben, mal ließ die CDU durchblicken, dass man doch mit der Zweitstimme die FDP über die Fünf-Prozent-Hürde hieven könnte. Und als es noch das rot-grüne Lager gab, liebäugelten viele Grünen-Anhänger mit einer Erst-Stimme für die SPD, da man als damals kleine Partei außerhalb Berlins sowieso keine Direktmandate holen konnte. Aber hier im Wahlkreis 196 liegt die Sache anders. Zum ersten Mal mischt sich ein Akteur von außen ein. Das hinterlässt Spuren bei den betroffenen Direktkandidaten von Grünen und Linken, wie der sensible Film deutlich zeigt. Schließlich ist Wahlkampf harte Arbeit, auch für die Helfer, und da will man nicht von vornherein als hoffnungsloser Kandidat abgestempelt werden.

Die Mühen der Ebene

Ähnlich wie Andreas Dresen in seiner Dokumentation Herr Wichmann aus der dritten Reihe (2012), die sich um einen weitgehend unbekannten CDU-Abgeordneten im Brandenburger Landtag dreht, rückt Arena 196 – Zwischen Wende, Wahl und Wirklichkeit den unspektakulären Polit-Alltag in den Mittelpunkt: die zermürbende Kärrnerarbeit, die „Mühen der Ebene“ (Bert Brecht). Man darf wohl davon ausgehen, dass das Regie-Ehepaar Andrä den Wichmann-Film kennt und vielleicht gar zum Vorbild nahm, denn Wolfgang Andrä war Regiepraktikant bei Dresens Willenbrock (2005). Sicher ist jedenfalls, dass die Arbeit der Andräs zum richtigen Zeitpunkt kommt, denn die Politikverdrossenheit ist seit 2012 noch einmal deutlich gewachsen. Was Politik jenseits der großen Bühne wirklich bedeutet, wollen viele Menschen nicht mehr wissen. Sie toben sich stattdessen in Hasskommentaren und persönlichen Angriffen aus.

Genau hinschauen und -hören erweist sich in der Dokumentation der Andräs als Gegengift. Das Ehepaar, das auch Kamera, Schnitt und Produktion verantwortet, lässt Menschen zu Wort kommen, die sich den Frust über enttäuschte Hoffnungen von der Seele reden, über das Kaputtmachen ihrer Betriebe durch raffgierige Westinvestoren und über den Verlust von 30.000 Menschen allein im Wahlkreis, die keine Arbeit mehr fanden und in den Westen gehen mussten. Wer sonst über die AfD-Erfolge in den neuen Bundesländern nur den Kopf schütteln kann, erfährt hier etwas über den Nährboden, auf dem die Saat des Protestes wächst. Hans-Georg Maaßen, der als einziger im Wahlkreis nicht aus Thüringen stammt, glaubt, dass die Menschen dort „so ticken wie ich“. Aber der Film zeigt unaufdringlich und implizit, dass das nicht stimmt. Warum die Menschen im Wahlkreis 196 so ticken, wie sie es tun, erfährt man nur, wenn man ihnen ausreichend Filmzeit einräumt.

Credits

OT: „Arena 196 – Zwischen Wende, Wahl und Wirklichkeit“
Land: Deutschland
Jahr: 2023
Regie: Yvonne Andrä, Wolfgang Andrä
Drehbuch: Yvonne Andrä, Wolfgang Andrä
Kamera: Wolfgang Andrä

Bilder

Trailer

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fazit
Gemeinsam gegen rechts: Das ist manchmal leichter gesagt als getan. Welche Wunden die Idee schlägt, Georg Maaßen in Südthüringen als Bundestagsabgeordneten zu verhindern, zeigen Yvonne und Wolfgang Andrä in einem einfühlsamen Porträt der Menschen vor Ort.
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