Für Finn (Adrian Grünewald) ist es eine Premiere: Er darf das erste Mal bei einer Aktion seiner Klimatruppe dabei sein! Lena (Valerie Stoll), für die er ziemlich schwärmt, ist hingegen schon erfahren. Deswegen weiß sie auch, dass sie sich viel werden anhören dürfen, als sie sich an die Straße in der Münchner Innenstadt kleben und damit den Autoverkehr aufhalten. Auf diese Weise wollen sie auf die Klimakrise aufmerksam machen und zu einem Umdenken zwingen. Damit stoßen sie jedoch auf wenig Gegenliebe. So muss die Cellistin Ava (Nadja Sabersky) zu einem wichtigen Vorspielen, Thomas Kling (Wayne Carpendale) will zu seiner kranken Tochter und Paketfahrer Lew (Nicolas Garin) fürchtet um seinen Job. Und auch das Polizeiduo Wuttke (Daniel Donskoy) und Strasser (Altine Emini) ist wenig glücklich darüber, schon wieder jemanden von der Straße kratzen zu müssen …
Kampf ums Klima
Dass mehr getan werden müsste, um den Klimawandel zu bekämpfen, dessen sind sich – bis auf ein paar besonders hartnäckige und laute Leugner – alle einig. Das bedeutet aber nicht, dass auch tatsächlich etwas getan wird, sobald es unangenehm wird, wird verbissen abgeblockt. Wandel ja, er darf nur nicht wehtun. Frustriert von der chronischen Bummelei macht daher die Letzte Generation mit teils rabiaten Mitteln auf den Mangel aufmerksam, was die Stimmung noch weiter angeheizt hat. Ein Thema, das derart stark emotionalisiert, ist natürlich ideal für Filme und Serien. Und so verwundert es dann auch nicht wirklich, dass man sich bei ZDFneo entschlossen hat, die Präsenz dieses Kultkampfes aufzugreifen. Ein bisschen zumindest. So ist Aufgestaut zwar seit Längerem in der Mediathek verfügbar. Bei der Ausstrahlung wählte man jedoch einen Sendetermin nach 23 Uhr und überlässt die Abendstunden lieber Wiederholungen alter Wilsberg-Folgen.
Das ist schade, weil die Serie durchaus sehenswert ist. Dem neuen hauseigenen Format der Instant Fiction (siehe etwa Schlafschafe) wurde das Projekt innerhalb kürzester Zeit konzipiert, gedreht und veröffentlicht. Auch die kurze Laufzeit von weniger als 15 Minuten pro Folge und der begrenzte Schauplatz sind die Folge davon: Die Geschichte von Aufgestaut spielt fast ausschließlich auf der gesperrten Straße. Die Zahl der Figuren ist hingegen schon ordentlich, neben der Aktivistengruppe gibt es ein paar Fahrer und Fahrerinnen, dazu die Polizei und Leute aus der Umgebung, etwa in einem Kiosk. Sie alle werden durch die Aktion plötzlich zusammengeführt und suchen nun nach einem Ausweg aus der verfahrenen Situation – mit mal mehr, mal weniger konstruktiven Ansätzen. Das bedeutet, dass hier in erster Linie geredet wird.
Verständnis für beide Seiten
Interessant ist das, weil wirklich ein Querschnitt durch die Gesellschaft stattfindet. Natürlich gibt es da zunächst eine maximale Konfrontation, wenn das Anliegen der einen – weiterfahren – nicht mit der anderen – Klimaschutz – zu vereinen sind. Doch trotz der offensichtlichen Blockbildung gibt es in Aufgestaut viel Raum für Zwischentöne. So ist Ava zwar grundsätzlich dem Ziel der Gruppe gegenüber wohlgesonnen, muss aber dringend zum Vorspielen, weil ihre berufliche Zukunft davon abhängt. Und selbst Kling, der besonders stark verbal aufrüstet, ist kein reiner Bösewicht. Wenn er zu seiner kranken Tochter will, die im Kindergarten auf ihn wartet, dann ist das nachzuvollziehen. Das ist dann auch das eigentliche Anliegen der Serie: Anstatt sich eindeutig zu positionieren, wie es Produktionen der öffentlich-rechtlichen Sender gern tun, provoziert sie einen Austausch. Implizit wird sie auch zu einem Plädoyer, anderen zuzuhören und ihre Sorgen ernstzunehmen.
Tatsächliche Antworten gibt es hier keine, das wäre in diesem Rahmen auch gar nicht möglich gewesen. Ein Diskussionsanfang, mehr ist da nicht drin. Wobei man sich prinzipiell auch einfach zurücklehnen und unterhalten lassen kann. Denn auch wenn das Thema ernst ist, wird es hier mit einer angenehmen Leichtigkeit präsentiert. Es bleibt sogar Platz für ein bisschen Humor, wobei der sich mehr aus der Situation und den unterschiedlichen Charakteren ergibt. Wer beim Thema Klimakleber nicht automatisch zumacht, kann deshalb bei Aufgestaut einmal einen Blick riskieren. Die geringe Laufzeit – man braucht gerade mal rund anderthalb Stunden, um alles angeschaut zu haben – macht es recht einfach, sich diesen Wahnsinn einmal anzutun.
OT: „Aufgestaut“
Land: Deutschland
Jahr: 2023
Regie: Matthias Thönnissen, Zarah Schade
Drehbuch: Matthias Thönnissen, Zarah Schade
Musik: Florian Kreier, Christoph Beck
Kamera: Sebastian Bäumler, Thorsten Harms
Besetzung: Valerie Stoll, Adrian Grünewald, Valentino Dalle Mura, Ben Andrews Rumler, Nicolas Garin, Daniel Friedrich, Wayne Carpendale, Joachim Seemann, Maria Goletz, Daniel Donskoy, Altine Emini, Nadja Sabersky
Wer mehr über die Serie erfahren möchte: Wir hatten die Gelegenheit, uns mit Darsteller Wayne Carpendale zu unterhalten. Im Interview zu Aufgestaut sprechen wir über die Arbeit an der Serie und seine eigenen Meinungen zu dem Thema.
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)