Ian (Carlos Scholz) verfügt über eine ganz besondere Gabe: Er kann bei anderen Menschen eine täuschend echte Illusion erzeugen, indem er ihren Geist beeinflusst. Das tut er gern und oft, er hat Mittel und Wege gefunden, diese Fähigkeit für sich zu nutzen. Das macht ihn aber auch für andere interessant. So hat beispielsweise Adriana (Lela Loren) ein Auge auf ihn geworfen, weshalb sie und ihre Organisation sich an die Fersen des jungen Mannes und seines Vaters Vicente (Pedro Alonso) heften. Doch sie sind nicht die Einzigen. Und auch Ian muss feststellen, dass es außer ihm noch andere gibt, die über diese Gabe verfügen. Während er vor seinen Verfolgern flieht, verfolgt er selbst noch ein anderes Ziel. So möchte er unbedingt mehr über seine verstorbene Mutter herausfinden …
Ich denke, also glaubst du
Wie lassen sich andere Menschen beeinflussen? Das war in den letzten Jahren immer mal wieder Thema, sei es im Hinblick auf Algorithmen und sozialen Medien oder gezielt lügenden populistischen Kräften, die hemmungslos Ängste ausnutzen. Und dann gibt es auch so erschreckende Beispiele wie die Missbrauchsfälle in Die dunkle Seite der Kirche: La Luz del Mundo, wo Menschen so lange gebrochen wurden, bis sie nicht einmal mehr merkten, dass sie Opfer sind. Da ist es zuweilen schockierend, wie einfach das geht. Doch was, wenn es diese ganzen Systeme und die damit verbundene Arbeit gar nicht bräuchte, um anderen etwas aufzuschwatzen? Im Fall des Amazon Prime Video Science-Fiction-Thrillers Awareness reicht es, wenn der Protagonist andere anschaut, um in ihnen Illusionen zu erzeugen.
Klar, das gab es in anderen Filmen auch schon. Geradezu ikonisch ist die Szene aus Star Wars: Episode IV – Eine neue Hoffnung, wenn sich Obi Wan Kenobi im Handumdrehen bei einer Patrouille vorbeischleicht. Und doch ist es ganz unterhaltsam, wie hier diese spezielle Fähigkeit genutzt wird. Wenn Ian beispielsweise einen anderen Menschen glauben lässt, er wurde gerade von seinem Finger erschossen, ist das schon ziemlich unverfroren. Ein bloßer Zettel kann auf einmal ein wertvoller Scheck sein, man muss nur daran glauben. Der Einstieg ist da schon mal gelungen, der kriminelle Einfallsreichtum lässt einen darauf hoffen, dass Awareness auch im weiteren Verlauf originelle Ideen hat. Die Möglichkeiten sind ziemlich groß, was man innerhalb eines solchen Szenarios anstellen kann. Sogar ein kompletter Heist Movie, der nur auf diesen Täuschungen basiert, wäre denkbar gewesen.
Ein nur mäßiger Sci-Fi-Thriller
Stattdessen wollte der spanische Regisseur und Co-Autor Daniel Benmayor (Xtremo) einen Science-Fiction-Thriller mit einem größeren Mystery-Teil. Das betrifft einerseits die Verschwörungsmomente, die er in die Geschichte einbaut. Vor allem aber die Sache mit Ians Mutter, um die sich irgendein Geheimnis rankt, soll das Publikum neugierig machen. Das klappt aber nur phasenweise. So hat Awareness zwar auch da nette Ideen, wenn sich Ian in andere Menschen hineinversetzen kann und so auf Spurensuche geht. Die Geschichte ist nur nicht wirklich interessant. Über weite Strecken ist es sogar ziemlich langweilig, wenn zu bekannte Elemente aneinandergereiht und auf zwei Stunden Laufzeit gestreckt werden.
Dass man nur bedingt mitfiebert, liegt aber auch daran, dass einem die Hauptfigur nur wenig Gründe gibt, warum man sich unbedingt für sie interessieren sollte. Es gelingt Carlos Scholz einfach nicht, seinem Protagonisten genügend Leben einzuhauchen, um sie zu einer Identifikationsfigur werden zu lassen. Dann und wann gibt es einige visuell ansprechende Momente, die dann auch dem Science-Fiction-Genre gerecht werden. Man darf natürlich keine Spektakel wie in einem Hollywood-Blockbuster erwarten. Für eine entsprechend geringer budgetierte spanische Produktion ist das aber ordentlich. Es ist nur nicht genug, um den gesamten Film sehenswert werden zu lassen. Trotz vereinzelt vielversprechender Elemente ist Awareness ein letztendlich nur mäßiger Thriller.
OT: „Awareness“
Land: Spanien
Jahr: 2023
Regie: Daniel Benmayor
Drehbuch: Daniel Benmayor, Ivan Ledesma
Kamera: Juan Miguel Azpiroz
Besetzung: Carlos Scholz, Pedro Alonso, María Pedraza, Óscar Jaenada, Lela Loren
Sitges 2023
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)