Blue Jean
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Blue Jean

„Blue Jean“ // Deutschland-Start: 5. Oktober 2023 (Kino) // 30. November 2023 (DVD)

Inhalt / Kritik

England, 1988. Eigentlich ist Jean Newman (Rosy McEwen) ganz glücklich mit ihrer Arbeit als Sportlehrerin an einer Schule. Die Sache hat nur einen Haken: Niemand dort darf erfahren, dass sie lesbisch ist und mit einer Frau in einer Partnerschaft lebt. Schließlich hat die konservative Regierung um Margaret Thatcher gerade erst ein Gesetz verabschiedet, welches die Förderung von Homosexualität unter Strafe stellt. Ihre Partnerin Vivian Highton (Kerrie Hayes) hat Verständnis für ihre Lage, auch wenn sie das ständige Versteckspiel leid ist. Kompliziert wird es, als die Homosexualität ihrer Schülerin Lois Jackson (Lucy Halliday) bekannt wird und diese von ihren Mitschülerinnen gemobbt wird. Vor allem Siobhan Murphy (Lydia Page) hat es auf sie abgesehen …

Ein queeres Doppelleben

Auch wenn Homophobie und viele andere Formen der Diskriminierung wohl nie ganz überwunden werden – siehe die aktuellen Kontroversen um Migration und Transgeschlechtlichkeit –, manchmal ist es doch nicht verkehrt, einen Blick zurück zu wagen und damit die Entwicklung besser einschätzen zu können. Ein Film, der dies ermöglicht ist Blue Jean. Regisseurin und Drehbuchautorin Georgia Oakley nimmt uns hier mit in das England der späten 1980er, als die Regierung von Thatcher eine in mehrfacher Hinsicht menschenverachtende Politik verfolgte. Die Arbeiterklasse ignorierte sie, Menschen am unteren Ende der Gesellschaft wurden sich selbst überlassen. Während dies noch unter „unterlassene Hilfeleistung“ fallen würde, wurde Homosexualität in der besonders kontroversen Clause 28 aktiv unterdrückt.

Das Drama führt dies am Beispiel einer Sportlehrerin vor, die durch dieses Gesetz direkt betroffen ist. So darf niemand wissen, dass sie lesbisch ist, schon das Bekanntwerden könnte als Förderung verstanden werden und sie die Arbeit kosten. Also bleibt ihr nichts anderes übrig, als diesen Teil ihres Lebens im Verborgenen auszuleben. Blue Jean zeigt eine Frau, die aufgrund eines repressiven Systems eine Art Doppelleben führen muss. Tagsüber scheucht sie Schülerinnen durch die Sporthalle, nachts zieht sie mit ihren Freundinnen durch die queere Szene von Newcastle. Für Jean selbst ist das kein Problem, sie trennt das Private und das Berufliche, ein inneres und ein äußeres Leben. Das führt zwar hin und wieder zu Konflikten mit ihrer Freundin Vivian. Doch die sind nie so gravierend, dass sie sich gezwungen sieht, etwas zu ändern.

Die Frage der Verantwortung

Das ändert sich, als diese beiden Welten plötzlich doch aufeinandertreffen in Form ihrer Schülerin Lois. Dies geht dann auch mit kniffligen Fragen einher. Ist Jean als Lehrerin dafür zuständig, die Teenagerin zu schützen, auch wenn sie das ihre Arbeit kosten könnte? Lässt sich das überhaupt wirklich voneinander trennen? Es gelingt Oakley gut, in Blue Jean diesen inneren Widerspruch sichtbar zu machen. Daran hat ihre Hauptdarstellerin Rosy McEwen (Vesper Chronicles) einen großen Anteil, die Jean zu einer Identifikationsfigur macht. Man muss das Verhalten der Lehrerin nicht gutheißen angesichts der Not ihrer Schülerin, die von niemandem Hilfe erhält. Man kann es aber zumindest nachvollziehen. Sie ist weder Heldin noch Schurkin, sondern jemand, der irgendwie in einer schwierigen Situation feststeckt.

Andere Figuren sind da weniger nuanciert gezeichnet. Vor allem an der Schule wird es schon arg schematisch. Bei Siobhan wird zwar kurz mehr angedeutet, mehr als ein Klischee ist das aber nicht. Tatsächlich ist nicht einmal Lois eine interessante Figur, über weite Strecken ist sie nur ein Mittel zum Zweck. Insgesamt ist das Drama, welches bei der Giornate degli Autori in Venedig 2022 Premiere feierte, aber sehenswert. Blue Jean ist ein stimmiges Zeitporträt, mal bedrückend, mal aufmunternd, und damit auch ein Plädoyer für mehr Offenheit und Toleranz. Und auch wenn die 1980er manchmal sehr weit weg wirken, ist das doch noch immer relevanter, als man es zuweilen glauben mag.

Credits

OT: „Blue Jean“
Land: USA
Jahr: 2023
Regie: Georgia Oakley
Drehbuch: Georgia Oakley
Musik: Chris Roe
Kamera: Victor Seguin
Besetzung: Rosy McEwen, Kerrie Hayes, Lucy Halliday, Lydia Page, Becky Lindsay, Maya Torres

Bilder

Trailer

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Blue Jean
fazit
„Blue Jean“ nimmt uns mit ins England der späten 1980er und erzählt von der repressiven Politik Thatchers anhand einer ungeouteten Sportlehrerin, die in einen Zwiespalt gerät. Das ist stimmig und gut gespielt, auch wenn drumherum bei der Figurenzeichnung gespart wurde.
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