Bei Familie Pujol sind die Rollen klar verteilt. Während Oberhaupt Robert (Fabrice Luchini) Geschäftsführer der familienbetriebenen Regenschirmfabrik ist, kümmert sich seine Ehefrau Suzanne (Catherine Deneuve) um den Haushalt. Als jedoch die Fabrik bestreikt wird und Robert einen Herzinfarkt erleidet, macht dieser erst einmal zur Erholung eine Kreuzreise – ohne seine Familie. Auf Drängen des Bürgermeisters Maurice Babin (Gérard Depardieu) erklärt sich Suzanne bereit, vorübergehend das Unternehmen zu leiten. Dabei wirbelt sie alles durcheinander, was auch an ihren erwachsenen Kindern Joëlle (Judith Godrèche) und Laurent (Jérémie Rénier) nicht spurlos vorübergeht, die sie miteinbezieht. Denn Suzanne will vieles ganz anders machen als ihr Mann …
70er Jahre Komödie
Im Laufe seiner Karriere hat François Ozon wirklich die unterschiedlichsten Genres abgedeckt. Da ist vom harten Missbrauchsdrama über unbekümmerte Coming-of-Age-Geschichten und gallige Satiren bis zu Thrillern alles dabei. Ein wiederkehrendes Element in seiner Filmografie sind dabei bonbonfarbene Komödien in historischen Settings. Das bekannteste Beispiel hierfür ist sicherlich das Krimi-Musical 8 Frauen (2002) über einen mysteriösen Mord in einem Landhaus, das uns in die 1950er mitnimmt. Daran knüpfte er 2023 mit Mein fabelhaftes Verbrechen an, einer Krimikomödie, die in den 1930ern spielt. Zwischen den beiden lag noch ein weiterer Titel: Das Schmuckstück aus dem Jahr 2010. Hier gibt es zwar keinen Mord, dafür aber jede Menge 1970er Flair.
Und noch etwas haben die drei Filme gemeinsam: Sie alle basieren auf Theaterstücken. Hier ist es ein Werk von Pierre Barillet und Jean-Pierre Grédy, das als Vorlage diente. Dessen Original-Titel Potiche bezieht sich auf Porzellanvasen, wird umgangssprachlich aber auch auf Hausfrauen angewendet, die nur dekorativ sind. Auf Suzanne trifft sich das sicherlich zu, die sich selbst in dem Film als Schmuckstück bezeichnet. Der Film ist damit eine Abrechnung mit patriarchalen Systemen. Umso mehr, da nach dem Führungswechsel die Menschen in der Fabrik aufblühen: Sie sind glücklicher, fühlen sich wertgeschätzt. Suzanne bezieht die Menschen mit ein, anstatt sie zu bloßen Objekten zu degradieren – wie etwa seine Sekretärin Nadège (Karin Viard), mit der er schon länger eine Affäre hat und noch nicht einmal versucht, sie zu verstecken.
Mit Spaß dabei
Insofern ist Das Schmuckstück schon auch ein feministischer Film. Man sollte in der Hinsicht aber keine größeren Erwartungen haben. Zwar genießt es Ozon, sich mit den klassischen Geschlechterbildern zu beschäftigen und damit seinen Spaß zu haben. Richtig große gesellschaftliche Ambitionen hat er aber wohl nicht. Dafür nimmt er das Ganze auch nicht ernst genug. Außerdem ist es nicht so, dass er sich da ganz eindeutig auf die Seite der Frauen verschlägt. Wenn beispielsweise Tochter Joëlle als knallharte Geschäftsfrau auftritt, Sohn Laurent hingegen der feingeistige Künstler ist, der mit der Fabrik nichts zu tun haben will, werden auch die traditionellen Bilder auf den Kopf gestellt. Irgendwelche Macken haben sie dabei fast alle.
Das ist amüsant, so wie Komödien des Franzosen immer amüsant sind. Der Film lebt dabei zum einen von dem besagten lustvollen Spiel und der stimmungsvollen Ausstattung. Und natürlich von dem Ensemble, wenn Ozon eine ganze Reihe französischer und belgischer Stars auf die Leinwand holt. Im Mittelpunkt steht dabei natürlich die große Diva Catherine Deneuve, die sichtlich Spaß dabei hat, wenn sie sich vom Hausmütterchen in eine Vorkämpferin verwandelt. Aber auch der Rest trägt dazu bei, dass das in mehrfacher Hinsicht bewusst altmodische Das Schmuckstück bis heute Spaß macht. Man schaut hier einfach gern zu, wenn die Familie miteinander rangelt und in Abwesenheit des bestimmenden Papas neue Konstellationen und Wege ausprobiert.
OT: „Potiche“
Land: Belgien, Frankreich
Jahr: 2010
Regie François Ozon
Drehbuch: François Ozon
Vorlage: Pierre Barillet, Jean-Pierre Grédy.
Musik: Philippe Rombi
Kamera: Yorick Le Saux
Besetzung: Catherine Deneuve, Gérard Depardieu, Fabrice Luchini, Judith Godrèche, Jérémie Rénier, Karin Viard
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
---|---|---|---|---|
BAFTA | 2012 | Bester fremdsprachiger Film | Nominiert | |
Césars | 2011 | Beste Hauptdarstellerin | Catherine Deneuve | Nominiert |
Beste Nebendarstellerin | Karin Viard | Nominiert | ||
Bestes adaptiertes Drehbuch | François Ozon | Nominiert | ||
Beste Kostüme | Pascaline Chavanne | Nominiert | ||
Venedig | 2010 | Goldener Löwe | Nominiert |
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