Als 1973 Der Mann mit der Todeskralle in die Kinos kam, war dies für viele Zuschauer, besonders in Deutschland, das erste Mal, dass sie Bruce Lee auf der Leinwand sahen. In Deutschland, wie auch in vielen anderen Ländern, wurden seine drei vorherigen Filme deswegen erst sehr viel später und unter einem gänzlich anderen Titel in die Kinos gebracht, um vom Erfolg von Der Mann mit der Todeskralle zu profitieren und zugleich vom Ruhm des Schauspielers Bruce Lee, der diesen Erfolg leider nicht mehr miterleben durfte. Für viele gleicht es einer grausamen Ironie des Schicksals, dass Lee ein Leben lang versuchte, ein asiatisches Rollenbild im Kino zu etablieren, was jenseits der stereotypen Konventionen Hollywoods angelegt war, doch dessen Erfüllung in Der Mann mit der Todeskralle nicht mehr selbst im Kino sehen konnte.
Dieser Film, wie auch seine vorherigen TV- und Kinoauftritte, manifestierten in der Folge das Erbe eines Sportlers, Darstellers und Künstlers, der sich nicht mit den Konventionen zufriedengeben und seine Ideen durchsetzen wollte. Bis heute zeugen allein im Kino Filme wie die John Wick-Reihe oder viele Projekte Quentin Tarantinos oder Sion Sonos von der Wirkung, die Lees Präsenz als Darsteller auf Regisseure und Drehbuchautoren hatte. Zudem ranken sich viele Geschichten und Mythen um diesen Mann, der in der Welt des Kampfsports ebenso umstritten war wie in der Filmwelt.
Auf seine Philosophie als Lehrer der Kampfkunst angesprochen, sagte Lee in einem TV-Interview einst, dass man als Ziel haben sollte, wie Wasser zu sein. Es war eine Erkenntnis, zu der er selbst vor vielen Jahren kam, als er bemerkte, wie diese Substanz letztlich alle anderen Substanzen umschließen und durchdringen konnte. Dieser Leitsatz der Philosophie Lees bildet den Titel von Bao Nguyens Dokumentation Be Water, die auf dem Sundance Film Festival 2020 ihre Premiere feierte. Neben dem Menschen Bruce Lee thematisiert Nyguen in seinem Film Rassismus innerhalb der USA, insbesondere im Kulturbetrieb, gegen den Lee Zeit seines Lebens wiederholt ankämpfen musste. Mithilfe von Archivmaterial sowie diversen Zeitzeugen, darunter Lees Witwe Linda Lee Cadwell, verfolgt man als Zuschauer das Leben dieses außergewöhnlichen Menschen, der zwischen zwei Kulturen, der amerikanischen und der chinesischen, aufwuchs und sich seine Identität selbst definieren musste, als Mensch, als Kämpfer und als Darsteller. Es ist letztlich vor allem eine Dokumentation, die betont, welches Erbe Lee hinterlassen hat.
Der absolute Andere
Vor allem sei Be Water jenen Menschen empfohlen, die schon einmal etwas von Bruce Lee gehört haben und die sich nun näher mit seinem Werk befassen wollen. In 97 Minuten bietet Nguyen einen Überblick über die verschiedenen Facetten Lees, seine Herkunft, seine Leistungen für den Kampfsport und schließlich seine Filmkarriere, um dann zusammenzufassen, was nun Lees Erbe ist. Naturgemäß wird vieles nur angekratzt, beispielsweise Lees rigoroses Training, für das er nach immer neuen Wegen suchte, seinen Körper zu optimieren und seinem Leitsatz zu folgen. Der Fokus liegt auf dem Status Lees als Außenseiter, kulturell sowie später innerhalb der Filmindustrie, und wie er versuchte, mit Konventionen zu brechen. Toll ist dabei, dass das Bild eines selbstbewussten Menschen überwiegt, der, wie beispielsweise in den Probeaufnahmen zu Beginn der Dokumentation, niemals aufhörte, zu lehren und sich mit einer bloßen Demonstration nicht zufriedengeben wollte. Man bemerkt, wie sein Gegenüber mit diesem Gesprächspartner fremdelt, ihn nicht einordnen kann, sich aber letztlich überzeugen lässt aufgrund des Charismas Lees.
Eine andere Ebene, die Nguyen verfolgt, ist die Sichtweise auf Lee als Teil einer ganzen Bewegung oder vielmehr des Zeitgeists. Gerade in der Gegenkultur der 60er, die danach strebte mit Traditionen und Konventionen zu brechen, war Lee ein Symbol für diese, doch ironischerweise ebenso eines für die Grenzen dieser Sichtweise, die zwar bereit war, Afroamerikaner etwas mehr zu akzeptieren, aber Asiaten noch lange nicht, erst recht nicht innerhalb der Kulturindustrie. Gerade diese zweite Ebene ist es, die Be Water spannend macht und über die üblichen Dokumentationen über Berühmtheiten erhebt.
OT: „Be Water“
Land: USA
Jahr: 2020
Regie: Bao Nguyen
Musik: Goh Nakamura, Ton That An
Kamera: Caleb Heller
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