Eigentlich klang der Auftrag ganz einfach: David Aurphet (Christophe Malavoy) soll der Teenagerin Viviane Tombsthay (Anaïs Jeanneret) das Gitarrenspiel beibringen. Kompliziert wird es jedoch, als er Julia (Nicole Garcia) näherkommt, der Mutter von Viviane. Schließlich ist die mit dem deutlich älteren Graham (Michel Piccoli) verheiratet, was sie aber nicht davon abhält, ihm Avancen zu machen. David lässt sich darauf ein, was ihn später in eine ziemliche Bredouille bringt. Denn da sind auch noch die eigenwillige Nachbarin Edwige Ledieu (Anémone) und der mysteriöse Daniel Forest (Richard Bohringer), die ein ganz eigenes Interesse an der Familie Tombsthay haben …
Eine Affäre und ihre Folgen
In den letzten Monaten hat es im Kino eine ganze Reihe von französischen Filmen gegeben, die ganz unaufgeregt von Affären gesprochen haben. Ob nun Tagebuch einer Pariser Affäre, Wild wie das Meer oder Im Herzen jung, sie alle beschrieben oft ohne großes Drama, wie verheiratete Menschen mit anderen anbandelten. Da wurde kaum skandalisiert oder anderweitig aufgebauscht. Vielmehr waren diese Filme daran interessiert, die jeweiligen Beziehungen der Figuren zu beschreiben und wie sich diese Begegnungen auf sie auswirken. Das heißt aber nicht, dass es keine Filme aus der Grande Nation gibt, bei denen es auch richtig knallen darf bei Affären. Ein Beispiel hierfür ist Gefahr im Verzug aus dem Jahr 1985.
Wobei Regisseur und Co-Autor Michel Deville (Ohne Datenschutz) darauf verzichtet, das Verhalten der Figuren groß moralisieren zu wollen. Vielmehr ist die Adaption des Romans Himmlische Tage und tödliche Affären von René Belletto ebenfalls an den Figuren interessiert, weniger der Frage, wer da nun woran Schuld hat. Das liegt aber auch daran, dass in Gefahr im Verzug niemand wirklich Vorbildfunktion hat. Ob es das ehebrecherische Paar ist, der gewaltbereite Ehemann, die übergriffige Nachbarin oder auch Daniel, der aus einem recht finsteren Grund da ist, es ist kaum zu sagen, wer da nun unter gut und wer unter böse fällt. Lediglich Viviane ist zu jung, um schon etwas Schlimmes getan zu haben. Sie ist aber nicht zu jung für Sex, wie sie nach der ersten Gitarrenstunde verkündet. Tatsächlich gehe sie mit einer Menge Männern ins Bett.
Viel Sex und viele Wendungen
Allgemein spielt Sex in dem Film eine große Rolle. Viele Szenen sind sexuell aufgeladen, zumindest wenn eine der drei Frauen im Spiel ist, die allesamt willensstarke Akteurinnen sind. Deville zeigt auch einiges an nackter Haut. Streckenweise könnte man Gefahr im Verzug sogar als Erotik-Thriller bezeichnen. Gleichzeitig geht das mit einigen Wendungen einher, da passiert auf dem Weg zum Ziel schon einiges. Es passiert vor allem viel Unerwartetes. Nein, glaubwürdig ist der Film nicht. Spannend aber schon, wenn man hier bis zum Schluss rätseln darf, wie das alles ausgeht und welche Ziele sie alle verfolgen. Von David einmal abgesehen, der oft wie ein Spielball hin und her geschlagen ist, führen sie alles etwas im Schilde – mal mehr, mal weniger versteckt.
Das ist unterhaltsam, sowohl als klassisches Genrekino wie auch als bissige Demontage einer nach außen hin heilen Familie. Vergleichbar zu Claude Chabrol genießt es Deville offensichtlich, die Fassade einzureißen und die Abgründe sichtbar zu machen. Das Ensemble leistet dazu einen guten Beitrag, die teils skurrilen, teils ruchlosen, aber auch melancholischen und sehnsüchtigen Charaktere sind neben den diversen Wendungen der beste Grund, sich auf diesen langsam eskalierenden Wahnsinn einzulassen. Dass das alles nicht gut ausgehen kann, verrät nicht nur der deutsche Titel Gefahr im Verzug. Auch atmosphärisch ist da früh klar, dass diese Konstellation kein gutes Ende nehmen wird. Man weiß nur nicht, wen es treffen wird und wer das Unglück einleitet.
OT: „Peril en la Demeure“
Land: Frankreich
Jahr: 1985
Regie: Michel Deville
Drehbuch: Michel Deville, Rosalinde Damamme
Vorlage: René Belletto
Musik: Johannes Brahms, Enrique Granados, Franz Schubert
Kamera: Martial Thury
Besetzung: Christophe Malavoy, Nicole Garcia, Anémone, Michel Piccoli, Anaïs Jeanneret, Richard Bohringer
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
---|---|---|---|---|
Berlinale | 1985 | Goldener Bär | Nominiert | |
César | 1986 | Bester Film | Nominiert | |
Beste Regie | Michel Deville | Sieg | ||
Bestes Drehbuch | Michel Deville | Nominiert | ||
Beste Hauptdarstellerin | Nicole Garcia | Nominiert | ||
Beste Nebendarstellerin | Anémone | Nominiert | ||
Bestes Szenenbild | Philippe Combastel | Nominiert | ||
Bester Schnitt | Raymonde Guyot | Sieg | ||
Bestes Poster | Nominiert |
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