Der Schock ist groß, als der ehemalige Schüler Rocco Burhan (Marco Valero) in der Schule auftaucht und mit einer Waffe herumfuchtelt. Helen Dorn (Anna Loos) und der restliche Einsatztrupp sind sofort zur Stelle. Doch noch bevor es zu einer Konfrontation mit dem Amokläufer kommt, ist er bereits tot. Dessen Bruder Denniz (Dominik Ganser) findet nur noch die Leiche. Aber wer hat ihn getötet? Denniz, dessen Familie den Roma angehört, schwört, den Täter zu finden und sich für den Mord zu rächen. Auch Dorn setzt alles daran, den Todesfall aufzuklären. Die Spur führt sie dabei zu Roccos schwangerer Freundin Abedi Elemide (Carla Njine), deren Bruder Deon (Yalany Marschner) und dem Imam Aadish Naifeh (Eray von Egilmez), der die örtliche Moschee leitet …
Beschäftigung mit einer Minderheit
Auch wenn Helen Dorn dafür bekannt ist, zuweilen sehr hitzköpfig zu sein, ist sie doch prinzipiell sehr zuverlässig. Nicht nur dass die einzelnen Filme der ZDF-Krimireihe regelmäßig um die sechs Millionen Zuschauer und Zuschauerinnen vor die Fernseher locken. Auch die Frequenz der neuen Teile ist recht konstant: Meistens kommen zwei pro Jahr heraus. 2023 ist da keine Ausnahme. Anfang des Jahres wurde Das Recht zu schweigen ausgestrahlt. Nun folgt mit Der kleine Bruder ein weiterer Teil, es ist der inzwischen 18. des 2014 gestarteten Dauerbrenners. Beim Personal hat sich sowieso nichts geändert, weder vor noch hinter der Kamera. Erneut hat Friedemann Fromm Regie und Drehbuch übernommen.
Dieser hat sich bei dem vierten in Folge inszenierten Teil einiges vorgenommen. Anfangs meint man noch, dass sich die Geschichte um einen Amoklauf dreht. Die Passage ist aber ziemlich schnell vorbei, danach kommt der reguläre Krimipart mit der Suche nach dem Täter. Bei Helen Dorn: Der kleine Bruder wird das aber mit allerlei gesellschaftlichen Themen aufgeladen. Allein schon das rund um die Sinti und Roma hätte ausgereicht, um einen ganzen Film zu füllen. So richtig geht Fromm aber nicht darauf ein. Nachdem es anfangs noch an mehreren Stellen angesprochen wird, spielt es im weiteren Verlauf keine wirkliche Rolle mehr. Über die Unterschiede zwischen den beiden Gruppen dieser oft angefeindeten Minderheit wird sowieso nicht gesprochen.
Überfrachtet und ohne Tiefgang
Stattdessen wandelt sich der Film in eine wenig originelle Version von Romeo und Julia. Tatsächlich konnte es sich Fromm auch nicht verkneifen, auf das berühmte Stück von William Shakespeare zu verweisen, indem die Jugendlichen dieses gerade proben. Das ist schon ein wenig plump. Bei der Darstellung des Imams, der im weiteren Verlauf so etwas wie der Gegenspieler der Kommissarin wird und zusätzlich das Thema Terrorgefahr hinzufügt, begnügte man sich ohnehin mit Klischees. Und als wäre das nicht genug, gibt es in Helen Dorn: Der kleine Bruder auch noch Konflikte zwischen der Protagonistin und ihrem Chef Nedjo Kristic (Stipe Erceg), der ihr nicht vertraut und sie in Therapie schickt. Das ist alles schon ein bisschen arg überfrachtet, zwischendurch weiß man gar nicht mehr, worum es in dem Film überhaupt gehen soll.
Das ist schade, weil einzelne Themen wie Migration oder islamischer Terror zweifelsfrei wichtig sind. Man konnte oder wollte sich nur für nichts unterscheiden. Das gilt auch für Dorn. An manchen Stellen ist sie so unerträglich wie eh und je, wenn sie voller Aggression auftritt, gern auch mal ohne jeden Anlass. An anderen ist sie dann so freundlich, als hätte sie eine bipolare Störung. Aber schon die letzten Filme waren kaum durchdacht. Warum also jetzt damit anfangen? Wen das bislang nicht gestört hat, wird vermutlich auch Helen Dorn: Der kleine Bruder gut finden. Zumindest ist die Stimmung so angespannt, dass man gerade auf den Knall wartet. Da sind schon einige Konfrontationen dabei. Dennoch ist das hier in der Summe eher unbefriedigend, da hätte mehr kommen dürfen.
OT: „Helen Dorn: Der kleine Bruder“
Land: Deutschland
Jahr: 2023
Regie: Friedemann Fromm
Drehbuch: Friedemann Fromm
Musik: Meredi Arakelian
Kamera: Heinz Wehsling
Besetzung: Anna Loos, Tristan Seith, Nagmeh Alaei, Stipe Erceg, Dominik Ganser, Carla Njine, Yalany Marschner
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)