Das große Geschäft machen begleitet jeden einzelnen Menschen auf dieser Welt. Nein, die Rede ist nicht vom Geld, sondern von den Ausscheidungen, die tagein, tagaus anfallen. Nachdem die Spülung getätigt wird, werden wohl viele Menschen nicht weiter darüber nachdenken, was nun folgt. Dokumentarfilmer Rubén Abruña widmet sich in seiner Dokumentation mit dem passenden Titel Holy Shit dem Thema auf akribische Art und Weise. Angefangen bei der Frage, wo die menschlichen Ausscheidungen am Ende landen, bis hin zu klimapolitischen Aspekten, folgt ein Abriss über ein echtes Tabuthema, denn wer redet schon gern „da drüber“? Abruña stellt dabei eine große Frage in den Raum: Ist das alles gut so, wie es aktuell mit den Klärwerken vonstatten geht und wie können wir klimapolitisch etwas ändern, wenn wir über manche Sachen nicht reden?
Unsichtbare Probleme sichtbar gemacht
Auf diese Frage werden die meisten Menschen wohl dieselbe Antwort geben: auf landwirtschaftlichen Äckern, um Gemüse und Getreide zu düngen. Dies ist natürlich nahe an der Realität, doch Abruña will es genauer wissen. In den kurz gehaltenen 90 Minuten kommen dafür Kulturpsychologen, Kanalisationsarbeiter, Agrarwissenschaftler, Biologen, Ingenieure, Experten aus Wasseraufbereitungsanlagen und selbst ein Historiker für Sanitärwesen sowie ein Erfinder von kommerziellen Trockentoiletten zur Sprache. Holy Shit will jedoch keine stumpfe Produktion sein, die das Publikum nur mit wissenschaftlichen Fakten bombardiert, sondern entführt uns durch die ganze Welt, angefangen in den USA, über Uganda, England, Südkorea und Deutschland bis hin nach Japan und offenbart in den unterschiedlichsten sozialen Kontexten ziemlich deutlich: Bei dem Thema der menschlichen Fäkalien gibt es scheiß viele Probleme.
Manchmal scheiß lustig, manchmal scheiß ernst
Viele Überraschungsmomente gibt es dabei, die konstant für Verblüffung sorgen. Dass Klärwerke nicht dafür ausgestattet sind, Medikamentenrückstände zu entfernen oder die Verwendung von menschlichen Fäkalien als Düngemittel illegal ist, sind nur zwei Beispiele unter vielen, womit sich der Titel Holy Shit sich alle Ehre macht. Besonders durch die Verbindungen, die Abruña zwischen menschlichen Fäkalien, Boden-, Wasser- und die generelle Lebensqualität herstellt, wird dies erreicht, wobei das Thema der Nachhaltigkeit konstant am Ende von Überlegungen und Geschichten anzufinden ist. Es ist lange nicht so einfach, dass menschliche Exkremente auf Ackerböden landen und alles ist gut, im Gegenteil. Narrativ pegelt sich Holy Shit dabei konstant zwischen einer spielerischen und lockeren Art sowie sehr ernsten Themen ein, die sich nach Angaben der Experten und Expertinnen spätestens in ein paar Jahrzehnten zu echten Problemen entwickeln werden.
Fortschritt oder Rückstand?
Besonders intensiv wird auf neue sanitäre Entwicklungen geblickt, die immer mehr an Bedeutung gewinnen und den Kreislauf (Ackerbau – Nahrungsverzehr – Ausscheidung – Düngung), der durch Kläranlagen gebrochen wird, wieder schließen. Sehr interessante Ansätze und Lebensumstellungen machen zwar erst einen gewöhnungsbedürftigen Eindruck, doch Holy Shit profitiert besonders an dieser Stelle von seiner cleveren Machart. Die Portraitierung der Menschen, die nicht mehr eine Spültoilette benutzen, fällt zu keinem Zeitpunkt rückständig aus, sondern erweckt den gegenteiligen Eindruck, dass diese schon im Jahr 2123 leben. Zu viele Probleme gibt es nämlich bei der Verwendung von Klärschlamm als Düngemittel, was vermutlich nur wenige Menschen wissen werden.
Abruñas Dokumentation schafft in diesem Aspekt und darüber hinaus Abhilfe, indem auch eine recht besorgniserregende Geschichte eines amerikanischen Bauers erzählt wird. Holy Shit (heilige Scheiße) darf man an diesen Stellen gern wortwörtlich nehmen, da nicht minder krasse Erkenntnisse an die Oberfläche dringen. Die Dokumentation findet dadurch einen gelungenen Platz zwischen ähnlich schaurigen Produktionen wie Dark Waters oder All the Beauty and the Bloodshed, mit dem Unterschied, dass dieses Mal die Abwasserindustrie ihr Fett wegbekommt. Hätte Holy Shit in der Gesamtheit nicht ein bis zwei Mankos wie beispielsweise die unsaubere Auseinandersetzung mit Rückständen von Mikroplastik und Medikamenten im Urin, könnte man von einer perfekten Dokumentation sprechen. Es reicht jedoch allemal für das Prädikat „sehr sehenswert“.
OT: „Holy Shit“
Land: Deutschland, Schweiz
Jahr: 2023
Regie: Rubén Abruña
Drehbuch: Rubén Abruña
Musik: Ulrich Kodjo Wendt
Kamera: Hajo Schomerus
Stimme: Christoph Maria Herbst
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