The Pigeon Tunnel John le Carre Der Taubentunnel
© Apple TV+

John le Carré: Der Taubentunnel

The Pigeon Tunnel John le Carre Der Taubentunnel
„John le Carré: Der Taubentunnel“ // Deutschland-Start: 20. Oktober 2023 (Apple TV+)

Inhalt / Kritik

Es ist kein Geheimnis, dass viele Kunstschaffende für ihre Werke auf Episoden aus ihrer eigenen Biografie zurückgreifen. Natürlich müssen dies keine Nacherzählungen sein, jedoch sind es Erfahrungen, Gefühle oder Begegnungen, die einen Menschen prägen und die uns im Nachhinein noch sehr beschäftigen. In Seminaren zum Kreativen Schreiben oder in Schauspielkursen wird deswegen immer wieder seitens deren Leitung der Rat erteilt, sich auf eben diesen Wissensschatz zu beziehen, sofern eine Geschichte oder eine Darstellung glaubwürdig und authentisch sein soll. Interessant ist dabei immer wieder, wie wir von diesen Erfahrungen erzählen, denn während beispielsweise bei einem Familiendrama der Bezug noch sehr offensichtlich scheint, ist dies bei einem Genre wie Action, Horror oder Thriller vielleicht nicht unbedingt direkt ersichtlich.

Im Falle des Schriftstellers David John Moore Cornwell, besser bekannt unter seinem Pseudonym John le Carré, jedoch braucht man nur in seine Vergangenheit als Mitglied des britischen Geheimdienst schauen und man erhält sofort eine Verbindung zu den Spionen, von denen seine zahlreichen Thriller handeln. Unvergessen sind dabei solche Werke wie Der Spion, der aus der Kälte kam, Dame, König, As, Spion oder Agent in eigener Sache, die teils sehr erfolgreich verfilmt wurden und nachhaltig dafür sorgten, dass man le Carré wohl auf ewig mit dem  Genre des Spionagethrillers in Verbindung bringen wird.

Die Inspiration für seine Figuren und Geschichten liegt aber noch weiter zurück, nämlich in einer Episode aus seiner Kindheit. All seine Romane trugen den Arbeitstitel The Pigeon Tunnel, als Anspielung auf eine Schießanlage in einem renommierten Sportklub in Monte Carlo, in den ihn sein Vater oft mitnahm. 2016 erschien dann das gleichnamige Buch, jedoch handelt es sich keinesfalls um Fiktion, sondern um ein Werk, in dem Cornwell über Episoden aus seinem Leben spricht, über seine Eltern, seine Zeit beim Geheimdienst und natürlich die Geschichte hinter dem Taubentunnel, über den die Tauben ins Freie kamen, nur um dort von den Sportschützen abgeschossen zu werden. In seiner gleichnamigen Dokumentation geht Regisseur Errol Morris (Der Fall Randall Adams, The Fog of War) den einzelnen Stories des Buches auf den Grund, eingerahmt durch seine Interviews mit dem Autor, der auch Kennern der Vorlage noch das ein oder andere neue Detail wird liefern können. Nach seiner Premiere auf dem Telluride Film Festival wird John le Carré: Der Taubentunnel auf Apple TV+ zum Streamen verfügbar sein.

Was die Welt im Innersten zusammenhält

Eine Stärke der bisherigen Werke von Errol Morris ist die Verbindung der Geschichte, die seine Gesprächspartner erzählen, zur Gegenwart. Es mag banal klingen, weil es man diesen Satz sehr oft hört, doch Morris schafft es tatsächlich, seinem Zuschauer die Vergangenheit präsent und relevant zu machen, was vor allem mit seiner Interviewtechnik und seiner Recherche zu tun hat. Im Falle von John le Carré: Der Taubentunnel geht es weniger um den Werdegang Cornwells als Autor, sondern vielmehr um jene Episoden, die sein Buch ausmachen, wobei die Dokumentation noch über diese hinausgeht. Der Satz aus Goethes Faust, der von dem „was die Welt im Innersten zusammenhält“ erzählt, trifft immer wieder auf die Aussagen des Autors zu, der aus seiner Sicht von einem Doppelspion an der Spitze des britischen Geheimdienstes berichtet oder vom Bau der Berliner Mauer. Dank Cornwell (und damit verbunden den Fragen Morris’) gelingt ein Blick hinter die Kulissen der politischen Bühne und manchmal kommen so interessante Einsichten zutage, die man sich nicht entgehen lassen sollte.

Darüber hinaus geht es um das nach wie vor relevante Thema der Inszenierung einer Wahrheit. Ausgehend von der Biografie seines Vaters, einem Betrüger und Hochstapler, spielt Cornwell wiederholt auf die Idee der Wahrheit an, wann diese verloren gegangen ist und wann wir selbst an eine Lüge glauben. Auch die Figuren in seinen Romanen glauben noch an diese Wahrheiten, an Politik oder Ideologien, oder sie haben, wie beispielsweise George Smiley, einen Blick in dieses Innerste geworfen und sind nur noch da, um das System am Laufen zu halten.

Credits

OT: „The Pigeon Tunnel“
Land: UK
Jahr: 2023
Regie: Errol Morris
Drehbuch: Errol Morris
Musik: Philip Glass, Paul Leonard-Morgan
Kamera: Igor Martinovic

Bilder

Trailer

Interview

Ihr wollt mehr über den Film erfahren? Wir hatten die Gelegenheit, ein Interview mit Regisseur Errol Morris zu führen und mit ihm über John le Carré: Der Taubentunnel zu sprechen.

Errol Morris [Interview ]

Filmfeste

Telluride Film Festival 2023
Toronto International Film Festival 2023

Kaufen / Streamen

Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.




(Anzeige)

John le Carré: Der Taubentunnel
fazit
„The Pigeon Tunnel“ ist eine Dokumentation basierend auf dem gleichnamigen Buch John le Carrés. Errol Morris gelingt ein Film, der mindestens genauso spannend ist wie einer der vielen Spionagethriller des britischen Autors und der einen Blick hinter die Kulissen von Weltpolitik und Geheimdiensten gibt.
Leserwertung0 Bewertungen
0
8
von 10