Früher einmal, da war Bettie (Catherine Deneuve) eine begehrte Frau. Doch davon ist nicht sehr viel geblieben, schon länger fehlt der ehemaligen Miss Bretagne ein Partner. Zwar hat sie schon seit Längerem eine Affäre mit einem verheirateten Mann. Der hat aber wenig Interesse, seine Frau zu verlassen und sich zu Bettie zu bekennen. Am Ende trennt der sich zwar tatsächlich, tut dies aber nicht für die 60-Jährige, sondern eine deutlich jüngere. Bettie fällt aus allen Wolken, schlittert durch ihr Leben, lässt alles schleifen und geht selbst mit einem sehr viel jüngeren Mann ins Bett. Da kommt der Anruf ihrer Tochter Muriel (Camille Dalmais) zum richtigen Zeitpunkt. Diese bittet sie, ihren Sohn Charly (Nemo Schiffman) zu ihrem Schwiegervater Alain (Gérard Garouste) zu fahren. Besonders gut ist das Verhältnis zwar nicht, aber für die kriselnde Bettie ist das eine gute Gelegenheit, einmal alles hinter sich zu lassen …
Die Komik der Krise
Bekannt wurde Emmanuelle Bercot eigentlich als Schauspielerin. Immer wieder inszeniert die Französin aber auch selbst und schreibt Drehbücher, etwa bei dem Drama Die Frau aus Brest (2016), bei dem es um den Kampf einer Ärztin gegen die Pharmaindustrie geht. Zuletzt drehte sie In Liebe lassen (2021) über eine Frau, die sich mit dem nahenden Tod ihres Sohnes auseinandersetzen muss. Aber nicht alle Werke von Bercot sind schwere Dramen über große Themen. Ein Beispiel für einen etwas leichteren Film ist Madame empfiehlt sich aus dem Jahr 2013. Zwar sind auch dort nachdenklichere Momente zu finden, wenn Bercot von einer Frau erzählt, die in eine schwere Krise schlittert und nicht mehr viel mit ihren Leben anzufangen weiß. So richtig düster wird es dabei aber nicht.
Schon die Szene um die flüchtige Bettgeschichte Marco (Paul Hamy) zeigt auf, dass der Film eher in die humorvolle Richtung geht – vor allem, wenn der liebestrunkene 30-Jährige ihr hinterherläuft. Er würde gern auch ihren Namen rufen, nur kennt er den nicht. Auf diese Weise sind fast alle Begegnungen flüchtig und oberflächlich, Madame empfiehlt sich folgt da dem beliebten Roadmovie-Prinzip. Bettie und Charly reisen durchs Land, treffen irgendwelche Leute, geraten in chaotische Situationen. Bercot, die zusammen mit Jérôme Tonnerre das Drehbuch geschrieben hat, weiß schon, wie diese Filme funktionieren. Beide halten sich an die Formel und zeigen wenig Interesse daran, groß an dieser zu rütteln oder bei dieser Rundreise mal einen neuen Weg zu suchen.
Die Großmutter im Blick
Es ist auch nicht wirklich so, dass die besagten Begegnungen so wahnsinnig erwähnenswert wären. Wo andere Roadmovies gern mit besonders schrägen Figuren aufwarten, die das Publikum erheitern sollen, bleibt einem von Madame empfiehlt sich nicht viel in Erinnerung. Da ist das One Night Stand schon das prägnanteste Beispiel. Stattdessen ist der Film vor allem an der Protagonistin interessiert. Sie bekommt eine längere Vorgeschichte, komplexe Familienverhältnisse und darf dann auch noch in eine Krise schlittern. Die restlichen Figuren gehen hingegen leer aus. Betties Mutter (Claude Gensac) darf am Anfang noch ein paar Pfeilchen abschießen. Das war es aber auch schon, viele sind im Film letztendlich nur eine Kulisse, vor der die flüchtende Großmutter auftritt.
Das kann schon Spaß machen, weil Bercot hierfür Catherine Deneuve verpflichten konnte. Auch in späteren Filmen hat die Regisseurin mit der Diva zusammengearbeitet. Hier darf sie vor allem ihr komisches Talent ausspielen, vergleichbar etwa zu Leben im Schloss oder Das Schmuckstück. Ihre dramatische Tiefe wird hingegen kaum gefordert. Anstatt wirklich ans Eingemachte zu gehen, beschränkt sich Madame empfiehlt sich auf oberflächliches Wohlgefühl, wenn dann alles doch gut ausgeht. Das muss einen nicht stören, das tragikomische Roadmovie ist ein Film, den man sich anschaut, um ein bisschen abzuschalten und Zuversicht zu gewinnen. Ist ja auch nicht zu verachten.
OT: „Elle s’en va“
Land: Frankreich
Jahr: 2013
Regie: Emmanuelle Bercot
Drehbuch: Emmanuelle Bercot, Jérôme Tonnerre
Kamera: Guillaume Schiffman
Besetzung: Catherine Deneuve, Nemo Schiffman, Camille, Gérard Garouste, Claude Gensac
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
---|---|---|---|---|
Berlinale | 2013 | Goldener Bär | Nominiert | |
César | 2014 | Beste Hauptdarstellerin | Catherine Deneuve | Nominiert |
Bester Nachwuchsdarsteller | Némo Schiffman | Nominiert | ||
Prix Lumières | 2014 | Beste Hauptdarstellerin | Catherine Deneuve | Nominiert |
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