Notes on a Summer Notas sobre un verano
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Notes on a Summer

„Notes on a Summer“ // Deutschland-Start: 26. Oktober 2023 (Kino)

Inhalt / Kritik

Marta (Katia Borlado) lebt mit ihrem Freund Leo (Antonio Araque) in Madrid. Erst vor kurzem sind sie zusammengezogen, ein paar Sachen befinden sich noch in Martas früherem Zimmer. Die junge Frau Ende 20 schreibt an einer Dissertation und verdient ihren Lebensunterhalt mit kleinen Jobs. Aber jetzt ist erstmal Sommer, und den will sie bei ihrer Familie in der Hafenstadt Gijón an der atlantischen Nordwest-Küste Spaniens verbringen. Es erwartet sie dort ein lockeres Leben: am Strand liegen, die alten Freundinnen treffen, Nichtstun und Partys feiern. Leo kann aus beruflichen Gründen nicht mit, nur ein kurzer Besuch von drei Tagen ist dieses Jahr bei ihm drin. Und so lässt sich Marta auf ein amouröses Abenteuer mit ihrer alten Liebe Pablo (Álvaro Quintana) ein. Es sind unbeschwerte, sinnliche Sommertage in einer impressionistisch hingetupften Dreiecksgeschichte des spanischen Regisseurs Diego Llorente.

Problemfreie Zone?

Nach einer Viertelstunde Filmzeit sagt Marta zu ihrer Freundin Elena (Rocío Suárez) einen Schlüsselsatz: „Probleme werden im September gelöst, im August gibt es keine Probleme“. Die beneidenswerte Einstellung und das weise Genießermotto haben nicht nur mit der klaren Trennung von Arbeit und Freizeit zu tun, sondern verweisen auf eine räumliche Trennung und ein gesellschaftliches Gefälle. Die Hauptstadt Madrid steht für Jobs, Karriere und Geldverdienen, Gijón hingegen für eine Region mit geringeren Aufstiegschancen und hohem Freizeitwert, quasi „arm, aber sexy“. In seiner minimalistischen, vignettenhaften Inszenierung geht der Film die sozialen Probleme nicht direkt an, lässt sie aber durchaus durchschimmern. Etwa, wenn gezeigt wird, dass Pablo, der hiergeblieben ist, am Fließband arbeitet und eben keine akademische Karriere wie Marta anstrebt.

Vordergründig geht es aber zunächst einmal um junge Menschen, die feiern und Spaß haben wollen. In einer langen Sequenz zelebriert die Kamera (Adrián Hernández) den Gang zum Strand. Sie zeigt Marta und Elena, die sonst oft in halbnahen und nahen Aufnahmen zu sehen sind, hier einmal aus der Distanz. So sieht man die hohen Wellen, den Sand und am Rand ein paar wilde Klippen, während die jungen Frauen am Rand des Wassers entlangflanieren, kurz mit ein paar Fußball spielenden Jungs flirten, weitergehen und die schier endlose Weite dieser Bucht auskosten, bis ein Schnitt den Spaziergang abrupt abbricht.

Man kommt bei solchen Bildern kaum um den Vergleich mit den Flaneuren der Nouvelle Vague herum, insbesondere mit Éric Rohmer und seinen Filmen Pauline am Strand (1982), Das grüne Leuchten (1986) und Sommer (1996). Auch Rohmer hat vergnüglich die Liebeleien und Gefühlsverwirrungen junger Leute betrachtet. Im Unterschied zu ihm entwirft Diego Llorente aber keine distanzierte Versuchsanordnung, kein unbeteiligtes Zuschauen bei Entscheidungen, die zu seelischen Verletzungen führen. Sondern er nimmt eine wohlwollende, verständnisvolle Haltung gegenüber seiner entscheidungsunwilligen Protagonistin ein, deren Spiel mit zwei Männern zu keiner offen ausgelebten Dreierbeziehung führt, sondern zu Betrug und schlechtem Gewissen. Die Empathie rührt wohl auch daher, dass der Schriftsteller und Filmemacher selbst aus Asturien kommt – und mit seinen 39 Jahren nah dran ist an der Generation, die er porträtiert.

Bohème statt Karriere?

Es ist eben nicht leicht, sich zu entscheiden. Nicht nur zwischen zwei Männern, sondern auch zwischen zwei Leben. Marta hat in ihrer Jugend, als sie noch in Gijón mit Pablo zusammen war, Bilder gemalt und gezeichnet. Aber sie bezweifelt, dass sie als bildende Künstlerin statt als angehende Chemikerin ihren Lebensunterhalt verdienen kann. Pablo sieht das anders. Er will, dass sie bei ihm in Gijón bleibt und sich als Künstlerin verwirklicht: arm, aber glücklich. Wenig später erklärt sie ihm den Unterschied zwischen ihm und Leo. Mit Pablo ist die Beziehung intensiver, aber angstbesetzter. Von heute auf morgen könnte alles vorbei sein. Bei Leo hingegen ist sie nicht sicher, ob sie ihn wirklich als Person liebt, sondern mehr die Art, wie er sie anschaut und begehrt.

So zusammengefasst, ist das eine recht simple und vielleicht sogar banale Geschichte. Aber Notes on a Summer lebt von dem, was schon der Titel verspricht. Nämlich von einer notizenhaften, in lyrischen Stimmungsbildern hingeworfenen Bildsprache. Die Kamera arbeitet mit Bruchstücken, der Schnitt liebt die Auslassungen. Man muss also ständig am Ball bleiben und die Puzzlestücke zusammensetzen in diesem Porträt der heutigen Jugend, das in Spanien vielleicht noch viel genauer verstanden wird als in Deutschland. Die Entscheidungsunfähigkeit hat nämlich auch mit einer bitteren sozialen Realität zu tun, die keine selbstgewählte Zukunft erlaubt. „Leute, die einen Job haben, sollten sich nicht beschweren“, sagt Martas Mutter einmal. Wirklich nicht, auch nicht bei einer Arbeit am Fließband?

Credits

OT: „Notas sobre un verano“
Land: Spanien
Jahr 2023
Regie: Diego Llorente
Drehbuch: Diego Llorente
Kamera: Adrián Hernández
Besetzung: Katia Borlado, Antonio Araque, Álvaro Quintana, Rocío Suárez

Bilder

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Notes on a Summer
fazit
„Notes on a Summer“ erzählt von einer Frau zwischen zwei Männern, die sich nicht entscheiden will. In impressionistischen Puzzlestücken lässt Regisseur Diego Llorente hinter sinnlichen Strand- und Partybildern eine bittere soziale Realität aufscheinen.
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