Jeden Tag ist es dasselbe Ritual für Hirayama (Koji Yakushi). Nach dem Aufwachen und der Morgentoilette macht er sich für den Tag fertig, zieht sich einen kalten Kaffee am Automaten und begibt sich zur ersten Station des Tages. Hirayama putzt die öffentlichen Toiletten der Hauptstadt, oder zumindest einen Bezirk, und das schon seit Jahren, mit einer Akribie, die seinen neuen Kollegen Takashi (Tokio Emoto) erstaunt. Auch die Musikkassetten, mit Songs von Lou Reed oder den Rolling Stones, die er auf dem Weg zu seiner nächsten Station hört, scheinen ihm wie ein Relikt seiner Eltern. Nach der Arbeit fotografiert Hirayama leidenschaftlich gerne, besonders Bäume, von denen er schon unzählige Aufnahmen in seiner kleinen Wohnung hat. Jedoch wird sein geregelter Tag durcheinander gebracht, als eines Tages Takashi ihn im Stich lässt und ihn später noch um Geld bittet, und schließlich mit Niko (Arisa Nakano) auf einmal seine Nichte vor ihm steht, mit der er schon seit Jahren keinen Kontakt mehr hatte.
Ein schönes Leben
Spätestens seit der Pandemie beschäftigen sich viele Kunstschaffende wieder mit der Frage nach dem glücklichen Leben und was dieses konstituiert. Während andere sich in Untergangsszenarien hineinsteigern, finden andere praktisch um die Ecke oder durch einen Zufall eine solche Möglichkeit, vielleicht auch nur fiktiv. Für seinen neuen Spielfilm Perfect Days war es eine Einladung nach Tokio, kurz nach Aufhebung des Lockdowns, die für Regisseur Wim Wenders eine solche Inspiration bot, wie er im Interview mit film-rezensionen verrät. Es ist nicht nur der Einzelne, der zählt, sondern auch die Verantwortung für die Gemeinschaft sowie eine Besinnung auf eben die Dinge, die einen Menschen wirklich glücklich machen. Davon erzählt Perfect Days, ein ruhiger Film mit reichlich Musik und Großstadtbildern.
Es ist ein glückliches Leben, was Hirayama führt. Dieser Aussage aus dem oben zitierten Interview wird der Zuschauer sicherlich zustimmen, wenn man beobachtet, wie komfortabel die tägliche Routine für den Helden von Perfect Days geworden ist. Hierbei geht es nicht um Bequemlichkeit, denn er könnte ein wesentlich bequemeres Leben führen, wenn er nur wollte, doch gerade dies will er nicht. Hirayama hat alles, was er braucht und auch wenn uns als Zuschauer dieses spartanische Leben stört (wie auch seinen jungen Arbeitskollegen), kommt man nicht umhin, diesen Mann um sein Glück zu beneiden. Wenders zeigt dies durch den Kontrast zu den anderen Figuren, nicht nur zu Takashi, sondern auch zu dessen Freundin (oder vielmehr potenzieller Freundin), die noch nicht so recht wissen, wie sie ihr Glück definieren, ob es sich über Geld definiert, eine emotionale Verbindung oder über die Arbeit. Mit einer fast schon dokumentarischen Herangehensweise, ästhetisch wie auch erzählerisch, verweist Wenders auf eine besonders nach der Pandemie wieder sehr aktuelle Frage, nämlich die nach der Definition von Glück und ob es wirklich die Akkumulation von Dingen ist, die einen solchen Zustand konstituiert.
Zurück zum Analogen
Schauspieler Koji Yakusho spielt Hirayama als einen Menschen, der sich schwer damit tut seine Wege zu ändern. Man merkt schnell, dass es einen Grund für seinen Rückzug ins Spartanische gibt, denn finanziell scheint es ihm nicht schlecht zu gehen. Er ist ein Mann, der das Analoge liebt, seine Kassetten wie auch seine Bücher, vor allem aber die Fotografie. Er hat Spaß an einem Tic-Tac-Toe-Spiel, bei dem er nicht weiß, mit wem er eigentlich spielt, er ist aufmerksam und neugierig, auch wenn ihm manchmal die Worte fehlen, um dies auszudrücken. Wenders zeigt diese Lebensweise, zugleich aber auch die Sehnsucht vieler, wieder dorthin zurückzukehren, beispielsweise, wenn Hirayama herausfindet, wie angesagt seine Kassetten tatsächlich sind.
Eine besondere Erwähnung verdient die Darstellung Tokios in Perfect Days. Es ist eine „sleepy city“, durch die Hirayama anfangs streift und keinesfalls die hektische, überfüllte Metropole, wie man sie aus anderen Filmen kennt. Durch die Augen des Protagonisten bekommt man einen Eindruck für das Schöne und Poetische in diesem urbanen Raum, was zusätzlich noch durch die Wahl der Filmmusik verstärkt wird, sowie den Bezug auf Literatur, zum Beispiel die Lyrik Aya Kodas.
OT: „Perfect Days“
Land: Japan, Deutschland
Jahr: 2023
Regie: Wim Wenders
Drehbuch: Wim Wenders, Takuma Takasaki
Kamera: Franz Lustig
Besetzung: Koji Yakusho, Tokio Emoto, Arisa Nakano, Aoi Yamada, Yumi Aso, Sayuri Ishikawa, Tomokazu Miura, Min Tanaka
Ihr wollt mehr über den Film erfahren? Wir hatten die Gelegenheit, ein Interview mit Regisseur Wim Wenders zu führen und mit ihm über die Doku Anselm – Das Rauschen der Zeit und den Spielfilm Perfect Days zu sprechen.
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