Spielen oder nicht spielen
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Spielen oder nicht spielen

„Spielen oder nicht spielen“ // Deutschland-Start: 12. Oktober 2023 (Kino)

Inhalt / Kritik

Die ernüchternde Zahl kommt ganz zum Schluss von Spielen oder nicht spielen, um noch einmal den Missstand auf den Punkt zu bringen. 3 Millionen Deutsche haben eine Behinderung, was etwa 16 Prozent der Bevölkerung entspricht. Von den 5.000 fest in deutschen Stadt- oder Staatstheatern engagierten Schauspielern und Schauspielerinnen haben aber nur 15 eine Behinderung – das sind 0,3 Prozent. Der Fall ist also klar, wenn es um eine realistische Abbildung der deutschen Gesellschaft geht, hinkt das Theater gewaltig hinterher. Doch woran liegt das? Eine Antwort liefern Lucy Wilke und Yulia Yáñez Schmidt, zwei dieser seltenen Glücksfälle. Denn auch wenn sie geschafft haben, woran viele andere scheitern, es ist schon recht bitter, was sie zu erzählen haben.

Der beschwerliche Weg

Das fängt schon damit an, dass viele Betroffene gar nicht erst auf die Bühne könnten, weil die Theater gar nicht dafür konstruiert sind. Oft gibt es Treppen oder zumindest ein paar Stufen, die genommen werden müssen. Mit einem Rollstuhl ist das nicht möglich. Diese physischen Blockaden sind aber nur ein Element, wie Spielen oder nicht spielen verrät. Die anderen sind in den Köpfen der Verantwortlichen. Die Schauspielschulen schieben die Schuld für die selten ausgebildeten Schauspieler und Schauspielerinnen mit Behinderungen auf die Theater, die diese Menschen nicht annehmen würden. Die Theater wiederum sagen, die Schulen würden niemanden ausbilden. Vermutlich stimmt beides irgendwo. So oder so ist es einfacher, Betroffene einfach erst gar nicht aufzunehmen und dadurch nichts ändern zu müssen.

Eine weitere spannende Frage wird in Spielen oder nicht spielen nur am Rande angesprochen: Wie sieht es mit dem Publikum aus? Würde es diese Stücke ansehen, die von Menschen mit Behindern gespielt werden? Ganz eindeutig ist das nicht. In einer Zeit, in der es schon wütende Reaktionen gibt, wenn in Fernsehfilmen wieder starke Frauen, dunkelhäutige Menschen oder auch queere Figuren auftauchen, da kann die Abbildung einer Behinderung eine Herausforderung sein. Umgekehrt könnte es dazu führen, dass ein Publikum gerade deswegen ein Stück anschaut und es positiver bewertet, als es bei einem Ensemble ohne Behinderung der Fall gewesen wäre. Das ist dann gut gemeint, letztendlich aber ebenfalls diskriminierend und potenziell demütigend.

Die Sehnsucht nach Normalität

Damit einher geht ein anderes Problem: die Tendenz, einen Menschen mit einer Besonderheit auf eben diese Besonderheit zu reduzieren. Auch bei dunkelhäutigen oder queeren Figuren findet man es noch immer oft, dass diese Merkmale die Figuren definieren sollen. Beliebt ist dabei eine Problematisierung. Filme über Menschen, die mit Rassismus oder Homophobie zu kämpfen haben, gibt es nicht wenige. Deutlich seltener ist, dass Hautfarbe und Orientierung überhaupt kein Thema sind. Bei Menschen mit Behinderung ist das nahezu ausgeschlossen, wie in Spielen oder nicht spielen verraten wird. Wenn solche engagiert werden, muss das innerhalb der Geschichte irgendwie begründet werden. Da muss die Figur beispielsweise im Krieg gewesen sein, um das Bein verloren zu haben.

Die Sehnsucht nach Normalität beißt sich in dem Beitrag vom DOK.fest München 2023 daher mit der Sehnsucht der Schauspielerei. Wie beides zusammenzuführen ist, ob das überhaupt geht, wird nicht beantwortet. So berichten die zwei Schauspielerinnen zwar, was sie erreicht haben. Sie wissen aber auch, dass Glück dabei war, die Bedingungen stimmen einfach nicht. Insofern ist Spielen oder nicht spielen gleichzeitig die Geschichte eines Traums, der wahr wurde, wie auch deprimierende Bestandsaufnahme. Und sie ist ein Appell. Ein Appell an die Schulen und Theater, sich in der Hinsicht weiter zu öffnen. Aber auch ein Appell an das Publikum, an den äußeren Merkmalen vorbeizuschauen, nicht auf Rollstühle oder Prothesen zu achten, sondern sich stärker auf das Spielen an sich zu konzentrieren.

Credits

OT: „Spielen oder nicht spielen“
Land: Deutschland
Jahr: 2023
Regie: Sebastian Bergfeld, Kim Münster
Musik: Timon Wawreczko
Kamera: Sebastian Bergfeld, Kim Münster

Bilder

Trailer



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Spielen oder nicht spielen
fazit
„Spielen oder nicht spielen“ erzählt anhand von zwei Frauen, wie schwierig es ist, als Mensch mit einer Behinderung an Theatern ein Engagement zu finden. Wirkliche Lösungen hat die Doku nicht zu bieten, dafür aber eine Mischung aus Individualporträt und vielschichtiger Problemanalyse.
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