Vjeran Tomic: Der Spiderman von Paris

Zuletzt bekamen Fans von True Crime Dokus auf Netflix wieder einiges geboten. Da war das eher klassische Der Mord an Jill Dando, bei dem das Publikum über ein bis heute nicht aufgeklärtes Verbrechen nachgrübeln darf. Die dunkle Seite der Kirche La Luz del Mundo ist hingegen eine Serie, die mit ihren abscheulichen Missbrauchsgeschichten vor allem schockiert. Und dann wäre da natürlich Der Teufel auf der Anklagebank über einen Mann, der einen Dämon für ein Verbrechen verantwortlich machen wollte. Wer die schon alle durch hat oder in Stimmung ist für einen eher harmloseren Vertreter dieses Segments, für den gibt es jetzt Vjeran Tomic: Der Spiderman von Paris.

Spektakulärer Einbruch in ein Museum

Hier wird niemand getötet oder missbraucht. Der titelgebende Franzose ist kein brutaler Mensch und beschränkt sich lieber darauf, „nur“ andere Leute zu berauben. Das klingt jetzt erst einmal nicht übermäßig spannend. Und doch wurde Tomic damit zu einer Berühmtheit, da er ein Talent dafür hat, an Häusern herumzukraxeln und überall einsteigen zu können, wo er will. Dabei haben es ihm besonders Kunstwerke angetan. Spektakulär ist der Fall, der auch in Vjeran Tomic: Der Spiderman von Paris die größte Aufmerksamkeit erhält. So brach er 2010 doch tatsächlich unbemerkt in das Pariser Museum für Moderne Kunst ein und entwendete dort mehrere Gemälde. Bis heute weiß niemand genau, was im Anschluss mit diesen geschehen ist, weshalb der Film schon noch Mystery-Elemente enthält.

Regisseur Jamie Roberts redet aber auch ausführlich über die Zeit davor. Spannend ist natürlich, wie er all das vorbereitet hat. Tomic, der selbst immer wieder vor die Kamera tritt, lässt uns dann auch an seinen Kunststücken teilhaben. Das macht Vjeran Tomic: Der Spiderman von Paris gleichermaßen unterhaltsam wie faszinierend. Obwohl natürlich keine Original-Videos von den Vorbereitungen und dem Einbruch existieren – welcher Dieb filmt sich schon selbst? –, wird das Ganze doch anschaulich vorgeführt. Man kann hier staunen, wenn wir gemeinsam mit dem Verbrecher in dessen Vergangenheit zurückkehren. Das hat dann schon etwas von einem Heist Movie. Nur dass die Geschichte hier wahr ist und der Film keine Hollywood-Stars braucht, um das Publikum zu fesseln.

Ein Dieb zum Bewundern?

Vjeran Tomic: Der Spiderman von Paris gibt einem aber auch die Gelegenheit, den Menschen ein wenig besser kennenzulernen. Das geht dann zwar vielleicht nicht so richtig in die Tiefe, dafür reichen anderthalb Stunden auch nicht aus. Beispielsweise wird gar nicht über seine Erfahrungen im Gefängnis gesprochen. Schließlich wurde der Dieb irgendwann dann doch geschnappt und musste eine mehrjährige Strafe antreten. Im Film werden auch andere angesprochen, die etwas mit dem Verbrechen zu tun haben, vor allem der Auftraggeber von Tomic. Der kommt hier auch sehr schlecht weg. Wenn der Meisterdieb der Protagonist ist, dann kommt dem anderen die Antagonistenrolle zu.

Klar kann man sich fragen, ob das wirklich gut ist, wenn ein mehrfacher Dieb hier letztendlich so positiv wegkommt. Tomic selbst zeigt auch wenig Reue. Das mag daran liegen, dass er schon als Kind mit dem Stehlen angefangen hat und damals bereits größeres Talent demonstrierte. Er versucht sich aber auch dadurch zu rechtfertigen, dass er nur bei Reichen geraubt hat, also solchen, die das verschmerzen können. Ein bisschen dünn ist das schon. Wen das nicht weiter stört, findet bei Vjeran Tomic: Der Spiderman von Paris einen spannenden Verbrecher, bei dem es Spaß macht ihm zuzuhören. Auch mehr als ein Jahrzehnt später ist es zudem faszinierend, was er alles hinbekommen hat und wie weit ihn seine Dreistigkeit gebracht hat.