Nach ihrem letzten Auftritt in einer kleinen Rockerkneipe mitten im Nirgendwo wollen die Mitglieder der Punk-Band The Ravens nur noch entspannen und etwas Ruhe. Sängerin Jane (Clara Kovacic), Gitarrist Mark (Juan Pablo Bishel) und Billy Bob (Matías Desiderio) sind vor allem unzufrieden mit der Planung ihrer Tour durch Argentinien, bei der sie wenig eingenommen haben und teils nur vor ein paar Leuten spielen, und machen ihren Manager Javi (Agustin Olcese) dafür verantwortlich. Als Billy Bob die schöne Carla (Magui Bravi) kennenlernt und diese die Band auf ein Barbecue zu ihrer Familie einlädt, ist dies die willkommene Ablenkung, die die Musiker benötigen. Jedoch kommt es bereits auf der Fahrt zu ihrem neuen Ziel zu Spannungen zwischen den Bandmitgliedern und schließlich finden sie sich mitten in einer Geisterstadt wieder, weit abgeschnitten von der Zivilisation. Jedoch ist das von der Natur zerstörte Dorf keinesfalls unbewohnt, denn schon nach wenigen Minuten machen die Musiker Bekanntschaft mit den Bewohnern, die ein ganz besonderes Grillfest mit den Neuankömmlingen planen.
Spektakel
Der Argentinier Nicolás Onetti ist seit seinem Regiedebüt What the Waters Left Behind kein Unbekannter in Genrekreisen. Vor allem mit Beiträgen zur Horroranthologien wie Asylum – Irre-phantastische Horror-Geschichten, A Night of Horror: Nightmare Radio oder The 100 Candles Game hat er sich einen Namen gemacht und seinen Status im Horrorgenre zementiert. Mit What the Waters Left Behind: Scars inszenierte er eine Fortsetzung zu seinem bereits erwähnten Debütfilm, wobei er eigentlich eine ähnliche Geschichte erzählt und das Filmteam des ersten Teils durch eine Punk/ Heavy-Metal-Band ersetzt. Auch der Handlungsort ist gleich geblieben, was den sehr überraschungsarmen Film zumindest visuell mit ein paar interessanten Eindrücken anreichert. Die Themen, die sich durch diesen Ort auftun, nutzt Onetti jedoch kaum und zielt eher auf ein Spektakel ab, das laut und blutig ist und schließlich nach noch nicht einmal 90 Minuten vorüber ist.
Dass es Nicolás Onetti nicht an Ideen mangelt, sieht man an seinen oben erwähnten Beiträgen zu Horror-Anthologien. Experimente, die teils die Konventionen des Horrorgenres verlassen, sind nicht unüblich für ihn, auch wenn man an der Ausführung einiges bemängeln kann und viele Aspekte wenig durchdacht sind. Im Rahmen einer Anthologie mag dies nicht immer negativ auffallen, doch im Falle eines Spielfilms fällt dies schon ins Gewicht. What the Waters Left Behind war eine interessante Neuinterpretation von Wes Cravens The Hills Have Eyes, von der er nicht nur viele visuelle Elemente und Figurenkonstellationen übernahm, sondern auch ein paar thematische Elemente. Scars geht nun den gleichen Weg, mit minimalen Abweichungen und wirkt daher wie eine uninspirierte Kopie, deren Bilder einen Eindruck vermitteln, was hier erzählerisch möglich gewesen wäre, wenn ein besseres Drehbuch und eine ambitioniertere Regie sich der Geschichte angenommen hätten. Stattdessen setzt Onetti auf das Spektakel, beispielsweise auf blutige Tötungsszenarien, die den ein oder anderen Genrefan sicherlich begeistern werden, die aber letztlich nicht viel mehr als netter Budenzauber sind.
Die Spuren der Flut
Warum Scars auf IMDB eine bessere Bewertung hat als sein Vorgänger, ist ein Rätsel. Onetti verlässt sich auf die Wirkung und die Atmosphäre der kleinen Gemeinde, die einst als das Modell eines modernen, progressiven Argentiniens galt und nun eine verfallene Ruine ist, bevölkert von degenerierten Kannibalen, die nur darauf warten, dass sich abermals ein paar Opfer zu ihnen verirren. Nachdem die Dynamik der Bandmitglieder und ihres Managers etabliert wurde und sie den Bewohnern des verlassenen Ortes ins Netz gegangen sind, fällt dem Drehbuch schon nicht mehr ein, was es noch zu erzählen gibt, wenn man von einigen weiteren Genrezitaten einmal absieht. Die Inspirationen sind da (und für jeden Horrorfan auch ersichtlich), doch zu mehr als diesen Spuren reicht es nicht, sodass What the Waters Left Behind: Scars nicht nur hinter seinem Vorgänger bleibt, sondern auch verdeutlicht, wie mutlos das Horrorgenre sein kann. Um es mit den Worten der Rezension des ersten Teils zu sagen, wird hier dreckiger Horror versucht, aber stattdessen ist das Ergebnis sehr brav und glatt.
OT: „What the Waters Left Behind: Scars“
Land: Neuseeland, Italien
Jahr: 2022
Regie: Nicolás Onetti
Drehbuch: Camillo Zaffora
Musik: Luciano Onetti
Kamera: Luciano montes de Oca
Besetzung: Agustin Olcese, Clara Kovacic, Magui Bravi, Maria Eugenia Rigon, Matías Desiderio, Juan Pablo Bishel
Sitges 2022
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