Eigentlich führt Frank Lechner (Felix Klare) ein glückliches Leben, ist verheiratet mit Sabina (Patricia Aulitzky), ist stolzer Vater von Tim (Levin Mahir). Doch das gerät alles außer Fugen, als er in seinem alten Heimatdorf seinen ehemaligen Fußballtrainer Klaus Wille (Peter Lohmeyer) trifft. In Folge ist er nicht mehr wiederzuerkennen, steht neben sich, nimmt Medikamente und Alkohol. Erst nach einiger Zeit öffnet er sich Sabina gegenüber und verrät ihr, dass er als Kind von ihm missbraucht wurde. Mehr noch: Er befürchtet, dass Wille sich noch immer an Jungen vergreift. Doch was tun, so viele Jahre später? Im Ort sticht er damit in ein Wespennest. Selbst sein älterer Bruder Christian (Shenja Lacher) will von den Anschuldigungen nichts wissen und macht seinerseits Frank große Vorwürfe …
Tabu-Thema Missbrauch
In den letzten Jahren hat es eine ganze Reihe von Filmen und Serien gegeben, die sich des Themas Missbrauch annehmen. Da waren beispielsweise die Netflix-Dokumentationen Die dunkle Seite der Kirche La Luz del Mundo und Pfadfinderehre: Die Geheimakten der Boy Scouts of America, die von systematischem Missbrauch in großen Organisationen sprechen, in dem Fall Kirche und Pfadfinder. Aber das kann auch im Kleinen geschehen, solange es ein Machtgefälle gibt und genügend Leute, die wegschauen. Davon erzählt auch das deutsche Fernsehdrama Wir haben einen Deal. Hier ist es der Kontext Sport, der Übergriffe mit sich bringt. Das ist hier dann zwar fiktional, aber nicht unrealistisch – so zumindest sagt eine Texteinblendung zum Ende hin.
Tatsächlich kommt einem hier vieles bekannt vor, wenn der Film die üblichen Figuren und Situationen abarbeitet. Hier gibt es, anders als bei den obigen realen Vorfällen, nur einen Täter. Zumindest wird kein weiterer benannt, der sich an den Kindern vergriffen hat. Doch er wird geschützt durch andere, sei es aus Angst oder Ignoranz. Vielleicht kommt noch etwas Gleichgültigkeit hinzu, solange es nicht die eigenen Kinder sind. Wir haben einen Deal betont deshalb die Wichtigkeit des Umfelds, das eine Mitschuld tragen kann. Es zeigt aber auch, wie schwierig es ist, sich innerhalb eines solchen Umfelds zu wehren. Die Jungen sind dem Trainer schutzlos ausgeliefert, aus verschiedenen Gründen suchen sie nicht bei anderen Hilfe. Sie schämen sich vielleicht, suchen die Schuld bei sich selbst. Es wird auch viel verdrängt. Frank ist in dem Film nicht der Einzige, der sich Jahre später erst mit dem Erlebten auseinandersetzt.
Plakativ, aber bewegend
Besonders perfide an der Situation ist – der Titel nimmt es vorweg –, dass der Missbrauch als eine Art Tauschgeschäft verkauft wird. Wer sich dem Trainer gegenüber gefällig zeigt, kann mit Förderung rechnen. Zumindest implizit geht es in Wir haben einen Deal dann auch um die Frage, wie viel man bereit ist, für den eigenen Traum auf sich zu nehmen. Das gibt es natürlich gerade im Showgeschäft, die berüchtigte Besetzungscouch etwa. Hier fängt das noch viel früher an. Wobei sich Drehbuchautorin Marie-Helene Schwedler nicht ganz dazu durchringen kann, dieses Thema konsequent zu verfolgen. Vielmehr gibt es eine Reihe von Themen, darunter auch die kaputte Familie des Protagonisten inklusive geschwisterlicher Rivalitäten.
Grundsätzlich ist das alles plausibel erzählt. Aber es bleibt schon eher plakativ. So verzichtet der Film fast völlig auf eine Figurenzeichnung, hier sind alle mehr oder weniger nur ein Mittel zum Zweck. Auch ein zwischenzeitlicher Thrillereinschub und die sehr plötzliche Auflösung, wenn auf einmal alle gleichzeitig ein Umdenken an den Tag legen, sind schon eindeutige Drehbuchkonstrukte. Da wäre ein bisschen mehr Zurückhaltung wünschenswert gewesen. Insgesamt ist das Drama, das auf dem Filmfest München 2023 Premiere feierte, aber ein solider, teils bewegender Beitrag zu einem wichtigen Thema. Wir haben einen Deal will nicht nur auf Missstände aufmerksam machen, sondern plädiert auch dafür, sich zu öffnen, sich und sein Leid nicht länger zu verstecken.
OT: „Wir haben einen Deal“
Land: Deutschland
Jahr: 2023
Regie: Felicitas Korn
Drehbuch: Marie-Helene Schwedler
Musik: Christine Aufderhaar
Kamera: Julian Krubasik
Besetzung: Felix Klare, Peter Lohmeyer, Patricia Aulitzky, Shenja Lacher, Liane Forestieri, Johanna Bittenbinder, Heinz-Josef Braun, Levin Mahin
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