Der Himmel gehört euch

Frankreich zu Beginn der 1920er: Eigentlich betreiben Pierre (Charles Vanel) und Thérèse Gauthier (Madeleine Renaud) eine kleine Autowerkstatt. Diese müssen sie jedoch aufgeben, als auf dem Gelände ein Flugplatz entstehen soll, wofür ihr Geschäft dann weichen muss. Zwar finden sie eine Alternative und fangen an, ein neues aufzubauen. Doch die Geschichte lässt sie nicht los. So findet Pierre, der während des Ersten Weltkriegs als Mechaniker für einen Kampfpiloten tätig war, seine Faszination fürs Fliegen wieder. Aber auch Thérèse, die dem Ganzen zunächst ablehnend gegenübersteht, entwickelt Interesse und will nun selbst das Fliegen lernen. Damit trifft sie bei vielen auf Unverständnis. Davon lässt sie sich aber nicht abhalten, denn sie verfolgt einen kühnen Plan …

Höhenflug einer Ehefrau

Das Leben von Jean Grémillon war von auffällig vielen und vielfältigen Transportfahrzeugen begleitet. So wuchs der französische Filmemacher als Sohn eines Eisenbahners auf. Einer seiner frühestens Erfolge als Regisseur war Schleppkähne (1941) über einen Kapitän, der zwischen seiner Liebe zur See und zwei Frauen hin und her gerissen ist. Drei Jahre späte widmete er sich dem Fliegen, wenn er in Der Himmel gehört euch von einem Paar erzählte, das seine Leidenschaft fürs Fliegen entdeckt. Und noch etwas eint die beiden Filme: Es geht um Beziehungen in der Krise und ein Leben, das von äußeren Zwängen und Erwartungen geprägt ist. Pierre und Thérèse müssen einen Weg für sich finden, innerhalb dieser Rahmenbedingungen als Paar wie als Individuum zu funktionieren.

Und doch gibt es mehrere große Unterschiede zwischen den beiden Werken. Wo beim obigen Titel die Frauen in erster Linie durch die Beziehungen zu den Männern definiert waren, da hat Thérèse deutlich mehr Eigensinn und Antriebskraft. Schon innerhalb der Ehe zeigt sie ihren Willen. Sich einfach so Pierre unterzuordnen, das ist nicht ihr Ding. Tatsächlich interessant wird sie und damit auch der Film, als es zu dem besagten Wandel in ihr kommt. Der Himmel gehört euch bewegt sich weg von einer reinen Milieubeschreibung hin zu dem Porträt einer Frau, die wirklich hoch hinaus will und als Pilotin Geschichte schreiben möchte. Das ist natürlich ein ziemlicher Wandel, den sie da innerhalb eines Films darlegt. Aber es ist doch einigermaßen glaubwürdig, wie Grémillon dies erzählt. Seine stärker naturalistische Herangehensweise hält den Film am Boden, wenn dieser abzuheben droht.

Inspirierend und sehenswert

Dass ein Film von 1944 eine derart progressive und feministische Geschichte erzählt, ist bemerkenswert. Grémillon macht dabei nicht den Fehler, seine Protagonistin einseitig zu verherrlichen, wie es viele solcher inspirierenden Dramen tun. Thérèse zeigt eine große Willensstärke, zeigt auch Mut. Sie wird dadurch aber nicht zu einer dieser strahlenden Heldinnen ohne Ecken und Kanten. Madeleine Renaud ist keine dieser Hollywood-Schönheiten, bei denen ein Overall wie eine Verkleidung wirkt. Man hat bei Der Himmel gehört euch immer das Gefühl, es mit realen Menschen zu tun zu haben. Wobei das in erster Linie für die beiden Hauptfiguren gilt, die übrigen sind dann doch mehr ein Mittel zum Zweck.

Im Vergleich zu Schleppkähne ist der Film insgesamt runder. So war Ersterer vor allem in der ersten Hälfte spannend, wenn es um die schwierige Arbeit auf dem Schiff geht. Im weiteren Verlauf verkam das zu einem Melodram, das gar nicht die Zeit bekommt, um sich entfalten zu können. Der Himmel gehört euch, alternativ als Sprung in die Wolken bekannt, wird nicht ganz so rau wie das frühere Werk des Franzosen. Die einzelnen Passagen entwickeln sich aber organischer und stehen nicht in einem unvermittelten Kontrast. Zu sehen gibt es auch einiges, selbst wenn in der Hinsicht die See-Variante doch noch die Nase vorn hatte. So oder so lohnt sich ein Blick auf das Drama eines Regisseurs, der hierzulande nie die Bekanntheit anderer Zeitgenossen erhalten hat und leider etwas in Vergessenheit geraten ist.