Bislang wuchs Eva Bruhns (Katharina Stark) in behüteten Verhältnissen auf. Ihre Eltern Edith (Anke Engelke) und Ludwig (Hans-Jochen Wagner) betreiben die Wirtschaft „Deutsches Haus“, sie selbst arbeitet als Polnisch-Dolmetscherin und ist mit dem Versandhauserben Jürgen Schoormann (Thomas Prenn) verlobt. Diese Idylle nimmt jedoch zunehmend Schaden, als sie 1963 engagiert wird, um bei einem Gerichtsprozess in Frankfurt zu dolmetschen. Dort versuchen der junge Staatsanwalt Hans Kübler (Max von der Groeben), David Miller (Aaron Altaras) und weitere Männer zu beweisen, dass die Angeklagten im Rahmen ihrer Tätigkeiten in einem Konzentrationslager die Ermordung zahlreicher Menschen mitzuverantworten haben. Eva, der diese Geschichten bislang unbekannt waren, muss erkennen, dass sie vieles über das Land nicht wusste – und auch ihre eigene Familie …
Erinnerung an den Holocaust
Auch wenn der Zweite Weltkrieg viele Jahrzehnte zurückliegt, gibt es kaum eine Zeit, welche die Menschen bis heute derart stark beschäftigt. Das zeigt sich gerade auch bei den unzähligen Filmen und Serien, die nach wie vor jedes Jahr gedreht werden. Dabei ist es neben dem Krieg als solchen vor allem der Holocaust, der einen nicht loslässt. So kamen dieses Jahr der Animationsfilm Wo ist Anne Frank sowie die Dokumentationen Liebe Angst und Miss Holocaust Survivor in die Kinos. Auf DVD erschien kürzlich das niederländische Drama Betrayal – Zwischen den Fronten. Netflix ging mit Transatlantic an den Start. Nun meldet sich mit Disney+ ein weiterer Streamingdienst zu dem Thema und will das Publikum mit der Serie Deutsches Haus an den damaligen Schrecken erinnern.
Grundlage hierfür liefert das 2018 veröffentlichte gleichnamige Romandebüt von Annette Hess. Die deutsche Autorin, die auch die populäre Serie Ku’damm 56 konzipiert hatte, ist bei der Adaption ihres Romans für die Drehbücher verantwortlich. Dass die fünfteilige Miniserie ursprünglich eine reine Textarbeitet war, ist dem Ergebnis anzumerken. So ist die Geschichte schon sehr dialoglastig. Ein Großteil besteht aus Szenen vor Gericht oder am heimischen Esstisch, wo sich die Figuren mit der eigenen Verantwortung auseinandersetzen. Nur selten bricht Deutsches Haus aus dieser Enge aus und zeigt einmal andere Orte. Dazu zählen ein Besuch des Konzentrationslagers in Auschwitz, wo sich Richter Hans Hofmeyer (Uwe Preuss) und eine Delegation selbst ein Bild davon machen wollen, ob die Angeklagten etwas von den Vorgängen mitbekommen konnte. Eine andere Szene zeigt Miller, der bei einem ausgelassenen Abend in einem Club einmal alles hinter sich lassen will und dabei einer Prostituierten (Alice Dwyer) näherkommt.
Nicht wirklich spannend
Letzterer Strang hat zwar nur bedingt mit dem Holocaust oder der Gerichtsverhandlung zu tun. Doch Deutsches Haus versucht auch mehr zu sein als das. Genauer versucht sich das Regie-Duo Isabel Prahl (Westwall) und Randa Chahoud (Nur ein Augenblick) daran, ein Gesellschafts- und Zeitporträt zu erstellen. So beschreiben sie ein Deutschland, das die Entbehrungen des Kriegs hinter sich gelassen hat, wirtschaftlich geht es voran. Immer wieder ist von Kommerz die Rede, von Schuhen, einer wertvollen Uhr. Man ist wieder jemand. Die hässliche Vergangenheit will da niemand sehen. Vergessen und Verdrängen lautet die Devise. Neben der mangelnden Aufarbeitung der eigenen Verantwortung – niemand in der Serie wird sich dieser stellen – wird zudem die Position von Frauen thematisiert. So muss sich Eva den Ansichten ihres Verlobten beugen, der vom eigenen Vater als reaktionär beschimpft wird.
Das sind alles wichtige Themen, ohne Zweifel. Einiges davon ist auch erschreckend aktuell, wenn sie Deutschen zunehmend geschichtsmüde werden und sich revisionistische und reaktionäre Tendenzen zeigen. Doch auch wenn Deutsches Haus von guten Absichten begleitet wird, spannend ist die Serie kaum. So hat sie wenig zur Diskussion beizutragen. Die Geschichten sind beliebig, die Figuren sind es auch. Dann und wann kommt zwar tatsächlich so etwas wie Persönlichkeit durch, wenn sich Miller an eine Prostituierte klammert, um selbst zu vergessen, oder der Verteidiger bei der Erinnerung an die Mutter zusammenbricht. Doch nach kurzem Schweigen wird weiter getrunken und weiter gescherzt, als wäre nichts gewesen. Man verliert sich in Banalitäten und Konventionen. So als wollte man dem Publikum nichts zumuten. Insgesamt ist die Dramaserie solide, zumal Disney ein illustres Ensemble versammeln konnte: Neben den oben genannten treten unter anderem Iris Berben, Henry Hübchen und Heiner Lauterbach auf. Trotz teils emotionaler Auftritte bleibt aber erschreckend wenig von dieser Erinnerungsveranstaltung zurück.
OT: „Deutsches Haus“
Land: Deutschland
Jahr: 2023
Regie: Isabel Prahl, Randa Chahoud
Drehbuch: Annette Hess
Vorlage: Annette Hess
Musik: Dascha Dauenhauer
Kamera: Julian Hohndorf, Andreas Köhler
Besetzung: Katharina Stark, Anke Engelke, Hans-Jochen Wagner, Thomas Prenn, Max von der Groeben, Aaron Altaras, Uwe Preuss, Sabin Tambrea, Alice Dwyer
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