Drifter
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Drifter

„Drifter“ // Deutschland-Start: 2. November 2023 (Kino) // 10. Mai 2024 (DVD)

Inhalt / Kritik

Der 22-jährige Moritz (Lorenz Hochhuth) ist gerade für seinen Freund Jonas (Gustav Schmidt) nach Berlin gezogen – doch die Romantik nimmt ein schnelles Ende, als Jonas ihn vor die Tür setzt. Allein im großen, pulsierenden Berlin taucht der schüchterne Moritz tief in die Schwulenszene ein, die sich von Partys, Drogen und Sex definiert sieht. Einsamkeit wird zu Zugehörigkeit und Moritz wird in dieser vielschichtigen Stadt erwachsen.

Wer bin ich eigentlich?

Moritz scheint aus einem liebenden Elternhaus zu stammen – so erfahren wir zumindest, dass seine Mutter ihm die Zeit gibt, die er braucht, bevor er sich für ein Studium entscheiden soll. Dieser Hinweis, wenn man will, soll allerdings der einzige bleiben, der sich außerhalb der vier Wände der Party-Schwulenszene bewegt, der eine andere Charaktertiefe ermöglicht. Gemeinsam mit den neugefundenen Freund*innen, die er teils über seinen inzwischen Exfreund Jonas kennengelernt hatte, verliert er sich zusehends mehr in einer ganz anderen, zeitlosen Welt – er driftet ab. Was Regisseur und Co-Autor Hannes Hirsch mit seinem Kreativteam hier geschaffen hat, darf als eine mögliche Darstellung der queeren Community Berlins gesehen werden, allerdings scheint sie doch recht eindimensional, was aber auch der starken Konzentration des Umfelds und der Geschichte geschuldet sein kann.

Kreatives Chaos und Einsamkeit

Sehenswert ist aber in jedem Fall die Kreativität so mancher Location, wie eine Dusche im Club, die ihrerseits für eine sehr eindrückliche und wichtige Atmosphäre sorgt. Auch das Schauspiel des Hauptdarstellers ist inspiriert, sieht man doch so viele Unsicherheiten und Zögern in seinen Augen, seinen Bewegungen. Er scheint sich an die wilde und offene Art der Szene zu gewöhnen, aber wirkt manchmal beinahe abwesend, fast mitgetragen durch eine Form von Gruppenzwang. Er verliert sich und seine Leidenschaften, vielleicht sogar Ziele im Tausch gegen ein Leben aus Freundschaft, Sex und Drogen. Und doch bleibt er irgendwie einsam in diesem konstanten Strom aus Reizen und Menschen. Die Personen werden austauschbar, echte Bindungen erscheinen von kurzer Dauer, das Angebot ist zu vielfältig, die Möglichkeiten zu grenzenlos. Kann Moritz in diesem Chaos sich selbst finden, eine passende Art zu leben? Ist er noch derselbe, schüchterne und vielleicht monogame junge Mann oder wird der echte Moritz erst noch geboren?

Wer darf bewerten?

Der heterosexuellen Gemeinschaft fällt es leicht, über den exzessiven Lebensstil so mancher queeren Szene zu urteilen, doch besitzt diese Community eben nicht die Jahrzehnte, Jahrhunderte Entwicklung eines heteronormativen Bildes von Leben, Lieben und Familie. All das steht konstant zur Debatte, will und muss umgeworfen werden um eventuell willkommene Normen und Wohlfühlzonen schaffen zu können. Dennoch bleibt die Frage: Sind Drogen, all der Sex, all die Körper und Partys denn wirklich notwendig? Sind sie nur „Voll Berlin“ und könnten junge, unerfahrene Männer wie Moritz nicht auch von einem ruhigeren, liebevolleren Modell profitieren? In den ruhigen Momenten und Bildern dieses Films scheint es beinahe so, die Einsamkeit kehrt immer wieder zurück, egal welche Extreme der Protagonist so ausprobiert.

Zwischen Sexualität und giftigen Werten

Was der Film und seine Macher*innen allerdings gut darstellen, ist die Vielfältigkeit der Szene. Sie ist nicht einfach nur schwul, sie kann bi, pan, vielleicht auch trans sein. Doch oft fühlen sich eben diese Leute zwischen den inzwischen klaren definierten Haltestellen der sexuellen Orientierung noch ausgegrenzter, was dieser Film nur anreißen kann. Die toxische Maskulinität und Körperkultur, die auch außerhalb der heterosexuellen Szene verbreitet ist, wird ebenfalls zwar betrachtet, allerdings beinahe zu sanft, teils schon etwas traumhaft romantisiert und fetischisiert. Es sind aber diese Details und Facetten, die den Film sehenswert machen – auch wenn die Kritik und Problematiken weiter hinter den endlosen Partys zu verschwinden scheinen.

Credits

OT: „Drifter“
Land: Deutschland
Jahr: 2023
Regie: Hannes Hirsch
Drehbuch: Hannes Hirsch, River Matzke
Kamera: Eli Börnicke
Besetzung: Lorenz Hochhuth, Cino Djavid, Gustav Schmidt, Oscar Hoppe, Marie Tragousti, Aviran Edri, Alexandre Karim Howard

Bilder

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Drifter
fazit
Viele Ansätze, noch mehr Charaktere und eine genauso reichhaltige wie eindimensionale Welt macht sich hier auf der Leinwand breit. Es ist ein Coming-Of-Age-Drama einer Szene, die entweder romantisiert oder kritisiert wird, die sich schwertut ihren Platz zu finden. Mit spannenden Ideen, einem guten Cast und lebensnahe Dialogen steht hier ein bewegender Film vor uns, der in seiner Ästhetik aber manchmal denkt, tiefer zu schürfen, als er es wirklich tut.
Leserwertung3 Bewertungen
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von 10