Pornos, das war lange etwas, was ganz viele Leute konsumiert haben, worüber aber niemand sprach. Filme, die irgendwo in einer Schmuddelecke produziert und verkauft wurden, ohne dass sich jemand dazu bekannte. Umso bemerkenswerter ist, wie viele Filme in den letzten Jahren entstanden sind, die sich auf die eine oder andere Weise mit den Sexfilmen beschäftigten. Da war beispielsweise Pleasure über eine junge Frau, die von einer großen Pornokarriere träumt und die Industrie in ihren positiven wie negativen Seiten kennenlernt. Das halb-dokumentarische Pornomelancolia befasste sich mit einem homosexuellen Pornodarsteller. Red Rocket wiederum erzählte von einem ehemaligen Pornodarsteller, der einen Neuanfang wagt, sich aber mit der realen Welt etwas schwertut.
Können Pornos ethisch vertretbar sein?
Fierce: A Porn Revolution geht noch etwas weiter. Hier geht es nicht allein um das Abbild der Wirklichkeit, wie sie im Umfeld von Pornos stattfindet. Vielmehr begleitet der Dokumentarfilm eine Reihe von Menschen in Lausanne, die – der Titel verrät es bereits – sich nicht länger damit zufriedengeben wollen, unter welchen Umständen Pornos gedreht werden. Stattdessen schweben ihnen Filme vor, die authentisch sind, ethisch vertretbar und Frauen nicht allein zu Objekten degradieren. Natürlich sind sie nicht die ersten, die so etwas anstreben. Viele haben sich schon daran versucht, lustvolle Filme zu schaffen, in denen nicht der männliche Blick das Geschehen diktiert, die gleichzeitig aber auch von Männern angeschaut und genossen werden können. Ob das überhaupt möglich ist und nicht jede Lust, die zur Befriedigung Fremder stattfindet, letztendlich eine Reduktion bedeutet, darüber lässt sich streiten.
Der Film behauptet auch nicht, eine Lösung auf diese Fragen gefunden zu haben. Wohl aber gibt es viele Gedanken und Diskussionen dazu. So lenkt der Schweizer Regisseur Patrick Muroni das Geschehen nicht, versucht weder die Gespräche noch die Filme in eine bestimmte Richtung zu drücken. Stattdessen überlässt er lieber den anderen das Wort, ist ein stiller Beobachter, mehr Begleiter als Regisseur. Aber das muss ja nicht verkehrt sein. So gibt es in Fierce: A Porn Revolution schon einige Gespräche der ambitionierten Revolutionäre, denen man gut zuhören kann. Selbst wer keinen bedarf an Pornos hat und wenig Interesse für dieses Thema mitbringt, kann in den Gesprächssituationen einiges für sich finden. Beispielsweise kommt zwangsläufig das Thema Geschlechterbilder auf, worüber es sich immer diskutieren lässt, auch losgelöst von dem konkreten Inhalt hier.
Nicht wirklich revolutionär
Interessant ist zudem, dass die Revolutionäre zwar einerseits alles anders machen wollen, dabei aber nach wie vor von dem geprägt sind, wie es bislang gelaufen ist. Dazu zählt auch, dass sie nicht unbedingt in ihrem privaten Umfeld darüber reden, dass sie Pornos machen. Das Bild des Verbotenen, das Tabu der kommerziellen Sexualität, das gilt selbst dann, wenn man die Regeln neu aufstellen will. Das ist dann auch ein wenig das Problem von Fierce: A Porn Revolution: Der Anspruch, anders zu denken und bessere Rahmenbedingungen zu schaffen, sind sicherlich löblich. Es ist aber nicht so, als würde der Dokumentarfilm den schon seit Längerem laufenden Diskussionen wirklich etwas Neues abgewinnen. Das Ergebnis ist mehr Postulat als wirklicher Erkenntnisgewinn. Wenn überhaupt, dient das hier als Denkanstoß für weitere Veränderungen, da durfte man sich bei dem Titel doch ein wenig mehr versprechen.
OT: „Ardente·x·s“
Land: Schweiz
Jahr: 2022
Regie: Patrick Muroni
Drehbuch: Emmanuelle Fournier-Lorentz, Patrick Muroni
Musik: Yatoni Roy Cantu
Kamera: Patrick Muroni , Augustin Losserand
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