The Great Escaper In voller Blüte
© Leonine

In voller Blüte

The Great Escaper In voller Blüte
„In voller Blüte“ // Deutschland-Start: 23. November 2023 (Kino) // 8. März 2024 (DVD)

Inhalt / Kritik

Der 89-jährige Bernie Jordan (Michael Caine) wäre gern mit der Reisegruppe britischer Kriegsveteranen in die französische Normandie gefahren. Denn der 70. Jahrestag des D-Day, an dem die Landung der Alliierten an der Küste begann, wird dort am 6. Juni 2014 groß gefeiert. Aber die Leiterin seines Altenheims in Südengland muss ihm leider mitteilen, dass die Gruppenreise ausgebucht ist. Bernies Frau Rene (Glenda Jackson) findet, dass er trotzdem dorthin fahren soll, wo er einst als junger Navy-Soldat (Will Fletcher) den Krieg miterlebte. Am Morgen setzt sich der alte Mann spontan ins Taxi nach Dover und besteigt die Fähre. Auf dem Schiff lernt er den Kriegsveteranen Arthur (John Standing) kennen, der ihn einlädt, sein Hotelzimmer in der Normandie mit ihm zu teilen. Bernie durchlebt im Geiste den D-Day wieder und ein traumatisches Erlebnis, von dem er nicht einmal Rene erzählte. Das Heim schaltet die Polizei ein, um den Vermissten zu suchen. Bald berichten die Zeitungen und das Fernsehen über den „Great Escaper“, der sich in der Normandie befinden soll. Bernie ahnt noch nichts von seiner Berühmtheit.

Das Geheimnis eines Kriegsveteranen

Es ist wahrlich nicht leicht, 89 Jahre alt zu sein. Der englische Heimbewohner Bernie Jordan kann ein Lied davon singen: Wenn er an der Strandpromenade zum Café spaziert, drängeln sich sportliche Radfahrer vor, als wäre er Luft. Und der jungen Pflegerin Adele (Danielle Vitalis), die ihn an der Bushaltestelle sieht, verschweigt er tunlichst, dass er auf dem Weg in die Normandie ist. Auch Bernies Ehefrau Rene gibt sich im Heim lieber ahnungslos, damit die Leitung den Mann mit dem Rollator nicht fürsorglich zurückholen lässt. Geschichten über alte Menschen durchzieht oft ein rebellischer Geist der Selbstbehauptung. Denn Senioren und Seniorinnen werden von ihrem Umfeld oft nicht mehr für voll genommen, erfahren Herablassung oder eine Bevormundung, wie sie sogar aus Fürsorge erwachsen kann. Der britische Regisseur Oliver Parker (Swimming with Men, Das Bildnis des Dorian Gray) hat sich der wahren Geschichte des Kriegsveteranen Bernard Jordan angenommen, dessen eigenmächtiger Trip zur Gedenkfeier in der Normandie 2014 für bewegende TV- und Presseberichte sorgte.

Filme über alte Menschen sind auch deswegen oft reizvoll, weil darin berühmte und erfahrene Schauspieler ihr Talent noch einmal voll ausspielen können. Der britische Schauspieler Michael Caine war selbst schon 89 Jahre alt, als ihm das Drehbuch von William Ivory vorgelegt wurde. Caine hatte sich da bereits vor 2,5 Jahren aus dem Beruf zurückgezogen und lehnte die Rolle zunächst ab. Angeblich sagte er dann aber vor allem wegen einer Szene zu, in der sein Charakter und der Kriegsveteran Arthur in einer Bar in der Normandie auf eine Gruppe ehemaliger deutscher Soldaten treffen. Auch sie wollen ihrer Kameraden gedenken, die an diesem Ort fielen und zwischen den früheren Kriegsgegnern entsteht ein solidarischer, verständnisvoller Moment.  Michael Caine, der in seiner langen Karriere zwei Oscars bekam, soll erst kürzlich in einem Interview bekräftigt haben, dass er keinen weiteren Film drehen werde. Und für die zweifache Oscar-Preisträgerin Glenda Jackson ist die Rolle der Ehefrau Rene Jordan ohnehin die letzte gewesen: Sie starb im Juni 2023.

Alte Liebe rostet nicht

Das Drama meidet triumphale Töne, schwelgt nicht im Gefühl des Sieges über Hitlerdeutschland, der sich mit der Landung der Alliierten in der Normandie bereits abzeichnete. Für Bernie und Arthur ist es nicht so wichtig, dass die Queen und Präsident Obama zur Gedenkfeier angereist sind. Beide plagen sich mit Schuldgefühlen, weil sie den Tod anderer britischer Soldaten nicht verhindern konnten oder zufällig mitverursachten. So scheint in diesem bewegenden Film auch das Grauen der Schlachten in der Normandie von ferne auf, in denen unzählige junge Männer ihr Leben für die Befreiung Europas ließen. Erst jetzt, am Ende ihres Lebens, stellen sich die beiden Veteranen dem schlimmsten inneren Schmerz, um Frieden zu finden. Das Reden tut gut – auch dem Ehepaar Bernie und Rene, dessen lebenslange Liebe nicht bedeutet, dass man sich alles gesagt hätte. Im Grunde ist dieses Drama der leisen, mitunter auch humorvollen Töne die Geschichte eines alt gewordenen Paares. Die Elemente des Liebesfilms gewinnen vor allem in der parallel erzählten Handlung, wenn sich Rene im Altenheim an ihr junges Glück erinnert, an Bedeutung und Kraft.

Glenda Jackson spielt Rene beeindruckend als eine Frau, die sich ihre innere Unabhängigkeit bewahrt hat. Die beiden Eheleute sind unterschiedliche Persönlichkeiten und leben eine Beziehung, in der sie sich aus einer gewissen, respektvollen Distanz heraus besser sehen und stets neu begegnen können. Die Dialoge sind herrlich unkompliziert und frei von Sentimentalität. In solch einer ungekünstelten Atmosphäre wirkt auch das Betrachten des Sonnenaufgangs über dem Meer nicht kitschig. Michael Caine spielt so natürlich, als wäre er Bernie. Dabei holt er den ganzen Charme des Charakters und seines Normandie-Abenteuers souverän heraus.

Credits

OT: „The Great Escaper“
Land: UK
Jahr: 2023
Regie: Oliver Parker
Drehbuch: William Ivory
Musik: Craig Armstrong
Kamera: Christopher Ross
Besetzung: Michael Caine, Glenda Jackson, John Standing, Danielle Vitalis, Victor Oshin, Will Fletcher, Laura Marcus

Bilder

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In voller Blüte
fazit
In diesem Drama des britischen Regisseurs Oliver Parker bringen die beiden Schauspiellegenden Michael Caine und Glenda Jackson noch einmal ihr ganzes Talent zur Entfaltung. Sie stellen ein Ehepaar dar, das seit 70 Jahren zusammen ist und nun in einem britischen Altenheim lebt. Von dort stiehlt sich Bernie Jordan heimlich fort, um als Kriegsveteran auf einer Feier in der Normandie der Landung der Alliierten im Juni 1944 zu gedenken. Der von einer wahren Geschichte inspirierte Film über Kriegstraumata, Alter, Gebrechlichkeit und lebenslange Liebe berührt mit sanftem Charme und leisem Humor.
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