Seit vier Jahren schon sind Clara (Cécile de France) und Ismaël (Roschdy Zem) ein Paar. Ein sehr glückliches Paar. Und doch haben sie sich gegenseitig noch nicht den Eltern vorgestellt. Es ist höchste Zeit, das nachzuholen, umso mehr, da Nachwuchs ansteht. Sonderlich beglückt sind die Eltern aber nicht, da sie aus unterschiedlichen Welten kommen: Claras Familie ist jüdisch, die von Ismaël muslimisch. Für das Paar selbst spielte der Glauben bislang keine Rolle, man versteht sich trotz der verschiedenen Hintergründe. Doch als die Eltern Stress machen, greift das auch auf die beiden über und sie befinden sich plötzlich mitten in einer Beziehungskrise, ohne zu wissen, wie sie aus dieser wieder herauskommen …
Ein erzwungener Konflikt
Auch wenn Roschdy Zem in erster Linie als Schauspieler bekannt, hat er sich im Laufe der Zeit doch eine kleine Nebenkarriere als Regisseur aufgebaut. Dabei deckte er die unterschiedlichsten Themen ab. So erzählte er in dem auf einer wahren Geschichte basierenden Drama Omar – Ein Justizskandal (2011) von einem marokkanischen Gärtner, der trotz dürftiger Beweislage eines Mordes beschuldigt wird. Auch Monsieur Chocolat (2016) hat eine reale Vorlage, wenn wir mehr über einen schwarzen Clown erfahren dürfen. Seine Vorliebe für gesellschaftlich relevante Themen bewies er dabei bereits bei seinem Regie-Debüt Keine Lüge ohne dich von 2006, wenn es um das mitunter schwierige Miteinander von Religionen ging. Ein Thema, das derzeit wieder besonders aktuell ist, der Hass auf beiden Seiten ist groß.
Dieses Mal verfilmte Zem zwar keine reale Geschichte. Sie wurde aber sicherlich von einer solchen beeinflusst: Der Filmemacher, der hier auch die Hauptrolle spielte, ist selbst Muslim und war seinerzeit mit einer Jüdin verheiratet. Das Drehbuch verfasste er mit seinem jüdischen Kollegen Pascal Elbé, der in dem Film den besten Freund von Ismaël spielt. Diese verschiedenen Perspektiven führen dazu, dass der Film insgesamt ausgewogen ist und sich nicht auf irgendwelchen Klischees ausruht. Eigentlich war den beiden Hauptfiguren das mit der Religion ja auch gar nicht wichtig, bis sie von den Eltern dazu gezwungen wurden. Keine Lüge ohne dich zeigt damit auch auf, wie Konflikte erzwungen und Streitigkeiten von einer Generation an die nächste weitergegeben werden. Dabei ist nicht einmal klar, was genau störend sein soll an der anderen Religion. Die Ablehnung existiert eher aus Prinzip, als dass sie einem Grund folgen würde.
Sehr menschlich
Das ist sicherlich ein spannendes Thema. So richtig in die Tiefe gehen Zem und Elbé dabei aber nicht. Nicht nur, dass die Antipathie nicht weiter erläutert wird. Auch die Zusammenführung wird nicht groß ausgeführt. Dafür war in dem nicht einmal anderthalb Stunden langen Film wohl auch kein Platz. Wenn am Ende Keine Lüge ohne dich sehr versöhnliche Töne anschlägt, dann sind diese nicht so wirklich erarbeitet. Man wollte einfach nur, dass es gut ausgeht. Die Absicht ist natürlich löblich, der Film tut auch irgendwie gut. Man sollte nur keine großen Erwartungen haben, dass die belgisch-französische Coproduktion wirklich viel zur Diskussion beizutragen hat.
Auch beim Humor sollte man sich nicht zu viel erhoffen. Zwar wird der Film meistens als Komödie bezeichnet. Mit Monsieur Claude und seine Töchter hat das hier aber trotz der thematischen Verwandtschaft nur wenig zu tun. Auf grobe Karikaturen und Culture-Clash-Gags wird weitgehend verzichtet. Tatsächlich ist der Film über weite Strecke mehr Drama als Komödie, der reine Unterhaltungsfaktor hält sich in Grenzen. Dafür ist Keine Lüge ohne dich gut besetzt. Cécile de France (Wild wie das Meer) ist immer eine Bereicherung, so auch hier als Frau, die plötzlich zwischen allen Stühlen sitzt. Dass ihre Figur wie die anderen ins Straucheln gerät, ist dabei kein Manko. Es trägt vielmehr dazu bei, dass die Tragikomödie eine sehr menschliche Seite hat. Gerade die Familiendynamik ist so universell, dass man sich gut darin wiederfinden kann, selbst ohne der jeweiligen Glaubensrichtung anzugehören.
OT: „Mauvaise foi“
IT: „Bad Faith“
Land: Belgien, Frankreich
Jahr: 2006
Regie: Roschdy Zem
Drehbuch: Roschdy Zem, Pascal Elbé
Musik: Souad Massi
Kamera: Jérôme Alméras
Besetzung: Roschdy Zem, Cécile de France, Pascal Elbé, Martine Chevallier, Jean-Pierre Cassel, Bérangère Bonvoisin, Leïla Bekhti, Naïma Elmcherqui
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
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César | 2007 | Bester Debütfilm | nominiert |
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