Mehr als zehn Jahre ist Vicco von Bülow inzwischen schon tot. Doch der große Humorist, der unter seinem Künstlernamen Loriot bekannt wurde, ist noch immer einer der großen Stars der deutschen Komik. Und so finden sich ohne Probleme regelmäßig Leute, die der Fernseh- und Kinolegende huldigen. So kam dieses Jahr Loriots große Trickfilmrevue in die hiesigen Kinos, eine Sammlung überarbeiteter Zeichentrick-Kurze des Meisters. Mit der ARD-Produktion Loriot 100 folgt nun ein Dokumentarfilm, der ihm gewidmet ist. Der Titel verrät dabei de Anlass: Am 12. November wäre von Bülow 100 Jahre alt geworden. Natürlich hätte man den Thementag auch direkt auf diesen Tag legen können. Das hätte aber bedeutet, den Tatort ausfallen zu lassen. Ganz so groß war die Liebe dann wohl doch nicht, um freiwillig auf die sonntägliche Cashcow zu verzichten.
Zeitlose Klassiker
Andererseits: Kaum ein deutscher Komiker ist derart zeitlos wie Loriot. Das wird in dem Dokumentarfilm auch gesagt, mehrfach. Tatsächlich sind diverse Figuren, Sketche oder auch Zitate so sehr in unser Kulturgut übergegangen, dass man zuweilen vergisst, wer die Quelle dafür ist. „Früher war mehr Lametta“ ist einer dieser unsterblichen Sätze, entnommen aus Weihnachten bei Hoppenstedts. Der 1978 erstmals ausgestrahlte Sketch gehört zu den berühmtesten und wird in Loriot 100 ausführlich besprochen. Katja Bogdanski, die damals das Kind spielte, darf sich auch daran erinnern, wie es war, mit der Ikone zu arbeiten. Zwar hat sie keine spannenden Hintergrundinfos auf Lager oder witzige Anekdoten. Durch den persönlichen Bezug ist der Auftritt dennoch nett.
Er ist auch interessanter als der von so manchem Promi, der hier vor die Kamera gezerrt wurde. Wenig überraschend dürfen diverse Kollegen und Kolleginnen aus dem komödiantischen Fach etwas über Loriot sagen, darunter Oliver Kalkofe, Hape Kerkeling, Helge Schneider und Mirja Boes. Das ist naheliegend, geht aber mit dem üblichen Problem solcher biografischen Dokus einher: Die Mitwirkenden sind so voll von Bewunderung, dass sie vor lauter Ehrerbietung gar nicht dazu kommen, tatsächlich etwas zu dem Porträtierten zu sagen. Zwischendurch gibt es in Loriot 100 auch ein paar persönliche Anekdoten, wenn die Interviewten sagen dürfen, welche Geschichten sie mit Loriot verbinden. Man nimmt ihnen durchaus ab, wie sehr sie die Legende verehren. Spannend ist das jedoch weniger.
Nichts Neues
Besser wird es, wenn sie sich daran versuchen, die Komik von Loriot zu beurteilen und einzuordnen. Was zeichnete ihn aus? Was machte ihn so besonders, dass Jahrzehnte später immer noch so viele seine Werke angeschaut und gemocht werden? Theorien dazu haben die Interviewten hier durchaus. Nur hat Loriot 100 an der Stelle nicht wirklich etwas Neues zu bieten, größere Aha-Momente bleiben aus. Hinzu kommt, dass die Aussagen auch widersprüchlich sind. Wenn beispielsweise an einer Stelle gesagt wird, dass der Humor von Loriot auf Sprachwitz basiert, der sich nicht übersetzen lässt, weshalb der Deutsche nie im Ausland angekommen ist, klingt das plausibel. Es passt aber nicht zu den ausgewählten Sketchen. So wurde kurz vorher die berühmte Szene gezeigt, in der Loriot ein schief hängendes Bild begradigen will und dabei das gesamte Zimmer in Schutt und Asche legt. Das ist reiner Slapstick, Sprache spielt da keine Rolle. Auch andere Evergreens wie die Sache mit der Nudel würden in Fremdsprachen funktionieren.
Wenn sich der Dokumentarfilm, der auf dem Filmfest Hamburg 2023 Premiere feierte, dennoch lohnt, dann wegen der Originalaufnahmen. Nicht nur dass Loriot 100 eine Reihe der bekannten Sketche zeigt, von denen die meisten heute tatsächlich so gut funktionieren wie damals. Es gibt auch einige Interviews mit von Bülow. Klar, die können ebenfalls nichts Neues bringen. Aber irgendwie ist es doch ganz schön, das alles innerhalb eines Films zu sehen. Letzten Endes macht dieser Lust, die alten Filme oder die Serie noch einmal auszupacken und sich einer wohligen Nostalgie hinzugeben und darüber zu schmunzeln, wie Loriot das Absurde im Alltag entdeckte und dabei gerade auch deutsche Eigenheiten aufs Korn nahm.
OT: „Loriot 100“
Land: Deutschland
Jahr: 2023
Regie: André Schäfer
Drehbuch: Hartmut Kasper
Musik: Ritchie Staringer
Kamera: Andy Lehmann
Mitwirkende: Johann von Bülow, Olli Dittrich, Oliver Kalkofe, Hape Kerkeling, Helge Schneider, Ariana Baborie, Dagmar Biener, Mirja Boes, Katja Bogdanski
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