1917 ist das Ende des Ersten Weltkriegs zwar nicht mehr weit. Doch noch halten die Kämpfe an, unter großen Verlusten wird der Krieg fortgeführt. Das bedeutet für die Armeen, dass sie Nachschub brauchen, um die Reihen wieder aufzufüllen. Das betrifft auch den gerade mal 17-jährigen Senegalesen Thierno Diallo (Alassane Diong), der von Frankreich zwangsrekrutiert wird. Aus Sorge um ihn beschließt daher sein Vater Bakary (Omar Sy), der als einfacher Hirte arbeitet, ebenfalls in den Krieg zu ziehen, um so besser über seinen Sohn wachen zu können. Trotz der gemeinsam durchlebten Gefahren entfremden sich die beiden jedoch zunehmend. Daran hat auch Leutnant Chambreau (Jonas Bloquet) seinen Anteil, der immer mehr Einfluss über den Jugendlichen gewinnt …
Emanzipation vor dem Kriegshintergrund
Omar Sy gehört sicherlich zu den international bekanntesten Darstellern des zeitgenössischen französischen Kinos. So wurde Ziemlich beste Freunde 2011 zu einem weltweiten Phänomen, auch die Netflix-Serie Lupin stieß international auf große Resonanz. Dann und wann war er sogar in Hollywood-Produktionen zu sehen, darunter in Jurassic World. Doch trotz der beeindruckenden Filmografie waren die Rollen eher beschränkt. Meistens spielte er in Komödien mit oder in actionorientierten Titeln. Als Charakterdarsteller ist Sy hingegen eher selten in Erscheinung getreten. Jetzt kommt mal wieder einer dieser seltenen Fälle heraus. Auch wenn Mein Sohn, der Soldat in einem Kriegskontext angesiedelt ist, in erster Linie handelt es sich hier um ein Drama, das von dem Verhältnis zwischen einem Vater und seinem Sohn erzählt.
Tatsächlich sollte man sich den Film nicht anschauen, wenn man große Schlachten sehen will. Das heißt nicht, dass hier gar nicht gekämpft wird. Da sind schon immer mal wieder entsprechende Szenen dabei. Anders als aber die beiden großen Erste-Weltkrieg-Filme der letzten Jahre – die oscargekrönten 1917 und Im Westen nichts Neues – ist der Krieg hier nur der Hintergrund, vor dem die eigentliche Geschichte erzählt wird. Diese ist nicht uninteressant. Gerade der Wandel der Beziehung gibt Sy die Möglichkeit, einmal eine andere Seite von sich zu zeigen. Mein Sohn, der Soldat hat ein Szenario, bei dem es zu einer spannenden Hierarchie kommt, wenn Thierno nicht länger seinem Vater unterstellt ist. Der Krieg wird zu einer Möglichkeit, sich zu emanzipieren und eine eigene Position zu beziehen.
Unrühmlicher Umgang mit den Kolonien
Dennoch ist es schade, dass der Krieg streckenweise sekundär wird. Eigentlich wollte Regisseur und Co-Autor Mathieu Vadepied (In Therapie) mit seinem Film den sogenannten Tirailleurs, so der Original-Titel seines Werks, ein Denkmal setzen. Jenen Männern aus Afrika also, die von ihren französischen Kolonialherren dazu verpflichtet wurden, in einem Krieg zu kämpfen, der gar nicht ihrer ist. Zumindest indirekt ist Mein Sohn, der Soldat damit auch eine Kritik an dem wenig rühmlichen Umgang der Grande Nation mit den Menschen. Wobei Vadepied darauf verzichtet, das allzu einseitig an den Pranger zu stellen. Beispielsweise gibt es hier keinen dumpfen Rassismus, wie er gern mal bei solchen Themen bemüht wird, siehe etwa Der vermessene Mensch. Das deutsche Drama klagte die damalige Einstellung an, dass die afrikanische Bevölkerung grundsätzlich minderwertig ist. Die französische Variante ist da ambivalenter.
Grundsätzlich ist der Film, der 2022 bei den Filmfestspielen von Cannes debütierte, damit schon sehenswert. Der Versuch, irgendwie beide Themen unter einen Hut zu bringen, führt aber dazu, dass das Drama nicht so weit geht, wie es wünschenswert gewesen wäre. Die großen gesellschaftlichen und historischen Aspekte rücken hinter die persönlichen, das Ergebnis ist irgendwie unschlüssig. Positiv ist dabei die sprachliche Ausgestaltung. So wechselt Mein Sohn, der Soldat kontinuierlich zwischen Französisch und der eigentlichen Sprache der Senegalesen. So wie der Jugendliche ein bisschen zwischen den Stühlen sitzt: zwei Kulturen, zwei Vaterfiguren und die Unsicherheit, wo er in all diesem Chaos und dem Krieg selbst ist.
OT: „Tirailleurs“
IT: „Father & Soldier“
Land: Frankreich, Senegal
Jahr: 2022
Regie: Mathieu Vadepied
Drehbuch: Olivier Demangel, Mathieu Vadepied
Musik: Alexandre Desplat
Kamera: Luis Armando Arteaga
Besetzung: Omar Sy, Alassane Diong, Jonas Bloquet, Bamar Kane, Alassane Sy, Aminata Wone
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