Als die Leiche einer älteren Frau am Ufer eines Flusses gefunden wird, wird Detective Ma Zhe (Zhu Yilong) mit den Ermittlungen beauftragt. Sein Vorgesetzter setzt ihn und sein Team unter Druck, schnell Ergebnisse zu liefern und den Fall zu den Akten zu legen. Die Nachforschungen erweisen sich als schwierig, jedoch ist schnell ein Tatverdächtiger gefunden in einem jungen Mann, den das Opfer vor ein paar Wochen bei sich aufgenommen hatte. Allerdings ergeben viele der Beweisstücke wenig Sinn für den Polizisten, vor allem eine Kassette, auf der eine junge Frau zu hören ist, die von ihrem Geliebten, einem Mann namens Hong, redet, von dem aber ebenfalls jede Spur fehlt. Die Spur führt Ma Zhe schließlich zu einem Universitätsprofessor für Poesie, in eine nahe Textilfabrik und zu einem Friseur, der eine Vorstrafe hat und sich gegenüber den Beamten mehr als merkwürdig verhält.
Als der Mitbewohner der älteren Frau letztlich doch gefunden wird, scheint der Fall gelöst zu sein, zumindest sehen es Mas Vorgesetzte so. Der Polizist ist aber unzufrieden mit dem Verlauf der Ermittlungen, alles scheint zu einfach zu sein und vieles ergibt keinen Sinn für ihn. Eine private Entwicklung und ein daraus entstehender Konflikt mit seiner Frau Bai Jie (Chloe Maayan) verlagern jedoch die Aufmerksamkeit des Detectives, der droht, im Netz der Ermittlungen und der privaten Verwicklungen unterzugehen.
Ein Fall und ein Leben
In seinen bisherigen Projekten hat Regisseur Wei Shujun (Striding Into the Wind) dramatische wie auch komödiantische Geschichten aufgegriffen, sodass Only the River Flows sein erster Film im Bereich Thriller ist. Immer wieder spielt auch das Medium Film an sich eine Rolle in den Geschichten, die er erzählt, ob bei seinen Figuren oder eben Themen wie Realität und Fantasie, was jedoch in Only the River Flows einen neuen Aspekt hinzu gewinnt, nämlich dem der Inszenierung von Wirklichkeit. Der Film, der seine Premiere bei den Filmfestspielen in Cannes 2023 feierte, wurde bereits auf vielen Festivals, wie dem Asian Film Festival Barcelona oder dem Pingyao International Film Festival ausgezeichnet wurde.
Im Prinzip erzählt Only the River Flows zwei Geschichten, die sich mit den verschiedenen Rollen der Hauptfigur befassen. Auf der einen Seite ist Ma Zhe, ein fähiger Ermittler, der maßgeblich die Ermittlungen vorantreibt, sich aber mehr und mehr in diesem Falle verliert, was mit seiner anderen Rolle verbunden ist, nämlich die des Ehemannes und des baldigen Vaters. Das Private und das Berufliche verschwimmen immer mehr und hinterlassen Spuren bei dem jungen Mann, dessen Eindrücke von den Tatorten und den Zeugenbefragungen einen Nachhall haben. Wei Shujun setzt inszenatorisch auf Aspekte, die man im Film Noir findet, und auch in ästhetischer Hinsicht zeigen sich einige Verweise auf die „schwarze Serie“. Die Räume werden immer mehr zu Spiegeln einer tiefen Verwirrung, bei der zwischen Wirklichkeit und Fantasie nicht mehr unterscheiden kann und die Zurechnungsfähigkeit (und Zuverlässigkeit) der Hauptfigur zusehends nachlässt, was Darsteller Zhu Yilongs minimalistisch, aber sehr gekonnt darzustellen weiß.
Die große Bühne
Wie schon gesagt, spielt auch der Film eine Rolle in Only the River Flows. Als eine Art Bonbon oder Motivation erhalten Ma Zhe und sein Team ein neues Büro in einem verlassenen Kino, was sie natürlich noch herrichten müssen. Wei Shujun nutzt den Handlungsort als eine Art Reflektion der Ermittlungen, bei denen es immer weniger um den eigentlichen Fall, um Gerechtigkeit oder Schuld geht, sondern vielmehr um Quoten sowie die Machthierarchie innerhalb der Polizei gilt. Die Ermittler werden zu Darstellern, die auf der Basis von „Regieanweisungen“, die von den Mächtigen innerhalb dieses Systems kommen, handeln, verhaften und verhören sollen. Der Protagonist wird zu einem Zuschauer einer Dynamik, die er nicht mehr vollends im Griff hat, ähnlich wie die Beziehung zu seiner Frau, die ihm zu entgleiten droht. Tatsachen spielen keine Rolle, die Inszenierung wird immer wichtiger und das Individuum erfährt einen Zustand der Hilflosigkeit, sodass man die Wahl hat, bei diesem Spiel noch weiter mitzumachen oder endgültig die Bühne zu verlassen.
OT: „Hébiān de Cuòwù“
Land: China
Jahr: 2023
Regie: Shujun Wei
Drehbuch: Shunlei Kang, Shujun Wei
Musik: Tuu Duu-Chih, Tu Tse-Kang
Kamera: Chengma Zhiyuan
Besetzung: Yilong Zhu, Chloe Maayan, Tianlai Hou, Linkai Tong, Chunlei Kang
Cannes 2023
International Filmfestival Mannheim Heidelberg 2023
Around the World in 14 Films 2023
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