Es mag dem ein oder anderen wie ein Klischee vorkommen, wenn man von dem Leben oder vielmehr den Eskapaden eines Rockmusikers berichtet. Spontan fallen einem Bilder von verwüsteten Hotelzimmern, Groupies auf der After-Show-Party oder Drogenexzessen ein, die bis in die frühen Morgenstunden gehen. Irgendwann findet man dann doch noch ein paar ruhige Minuten, um etwas Musik zu machen oder gar ein Album aufzunehmen, was jedoch nur eine kurze Ruhepause ist, bevor das Gesicht des Musikers oder der Musikerin abermals in der Boulevardpresse erscheint. Natürlich sind dies alles Stereotypen, aber die Personen, auf die zu treffen, geraten eben so sehr ins Scheinwerferlicht, dass sie die anderen Kollegen in der Branche überstrahlen. Im Falle des britischen Musikers Peter Doherty hatte man das Gefühl, dass es sich um einen solchen Kasus handelt und dass auch sein Licht bald verglühen würde, wie es leider bei vielen seiner Kollegen, unter anderen seiner guten Freundin Amy Winehouse der Fall war. Aber Doherty scheint die sprichwörtliche Kurve gekriegt zu haben und auf dem besten Wege zu sein, seine Sucht in den Griff bekommen zu haben, zumindest wenn man den wenigen öffentlichen Auftritten vertrauen kann, bei denen man Doherty sehen konnte.
Die Dokumentation Stranger in My Own Skin beleuchtet den steinigen Weg Dohertys aus der Sucht und zurück auf die Bühne. Seine Lebensgefährtin Katia de Vidas, die zugleich Regisseurin ist, gibt einen sehr intimen Einblick in die Karriere eines Mannes, der vielen durch die mediale Aufmerksamkeit, die er erhielt, bekannt ist, den aber in Wirklichkeit niemand kennt. Neben den wichtigen Punkten seiner Karriere, wie seine Rolle bei der Band Libertines, seine Poesie und Kunst wie auch die Auftritte mit der später gegründeten Band Babyshambles wird man auch Zeuge der Drogensucht Dohertys, die immer wieder Besitz von ihm ergreift. Besonders in diesen Momenten oder den Opfern, die die Drogensucht von Doherty verlangt hat über die Jahre, wird die Dokumentation brutal ehrlich, auch wenn es schade ist, dass Aspekte wie der Tod Mark Blancos, mit dem Doherty in Verbindung gebracht wird, außen vor gelassen werden.
Die Balance halten
An einer Stelle spricht Doherty über das Leben als einen Drahtseilakt, der einem alles abverlangt und der stets einen in den Abgrund ziehen kann. Die Wahrheit dieser Metapher erkennt der Zuschauer schon nach wenigen Minuten der Dokumentation, als man den rasanten Verfall des Musikers in die Drogensucht sieht, die bald ganz vom Besitz ergreifen soll. Anders, als man es vielleicht denken könnte, wählt De Vidas nicht den sensationellen Ansatz, der bestimmt kommerziell reizvoll gewesen wäre. Alles driftet am Zuschauer vorbei, wie auch an Doherty, der letztlich versucht, einen Halt zu finden, mit der Popularität klarzukommen und mit der problematischen Beziehung zum Vater, dessen Reaktion auf die Zukunftspläne des Sohnes eher verhalten ausfiel.
Dazwischen gibt es bei Stranger in My Own Skin auch die Perspektive auf den Künstler Doherty. Fast schon hyperaktiv wirkt er, wenn er scheinbar immer etwas sucht, was er schreiben oder kommunizieren kann, wobei die Sucht mehr und mehr zu einem Gegner wird, was schließlich auch Doherty selbst einsieht. Dazwischen kommen Gedanken Dohertys zu unterschiedlichen Themen wie dem Erleben eines Konzerts, der Kunst sowie den verschiedenen Projekten, an denen er über die Jahre beteiligt war. Letztlich ist Stranger in Own Skin die Begleitung eines Selbst-Exorzismus, nach dem man froh ist, dass Doherty sich einigermaßen im Griff hat, der aber den Künstler an sich nur in kleinen Dosen zeigt, was schade ist.
OT: „Stranger in My Own Skin“
Land: UK
Jahr: 2023
Regie: Katia de Vidas
Drehbuch: Christine Busset
Kamera: David Hoser, Rebekka Riise
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