Die Simpsons sind ein absolutes Kulturphänomen. Die von Matt Groening (Futurama) erdachte Serie hat in mehreren Kategorien die Nase vorn: Es handelt sich um die am längsten laufende amerikanische Animationsserie, die am längsten laufende amerikanische Sitcom sowie die am längsten laufende amerikanische Primetimeserie – und zwar sowohl in Bezug auf die Staffel als auch die Folgenanzahl. Dass Die Simpsons diese Rekorde einmal aufstellen würde, konnte Groening natürlich nicht vorhersehen, als er 1985 von James L. Brooks kontaktiert wurde, der von Groenings Existenz durch dessen Comicserie Life in Hell erfahren hatte. Folge davon war letzten Endes, dass im Jahre 1987 ein Kurzfilm von Die Simpsons in der The Tracey Ullman Show ausgestrahlt wurde. 1989 lief dann die Pilotfolge der Serie beim Sender FOX, der die Serie ab 1990 wöchentlich zeigte.
Ohne Comics hätte es Die Simpsons also wohl nie gegeben. Groening zeichnete nicht nur Comics, sondern war wie viele der Autoren von Die Simpsons auch selbst Fans von Comicheften. Comics spielen auch in der Serie immer wieder eine Rolle. So ist Bart Simpson etwa Fan von Radioactive Man, außerdem gibt es mit Comic Book Guy einen immer wieder auftretenden Nebencharakter, der gezielt das wandelnde Klischee eines Comicnerds ist. Daneben haben auch echte Comicbuchautoren Gastauftritte, wie etwa Neil Gaiman, Stan Lee, Alan Moore oder Art Spiegelmann. Folgen wie Drei Freunde und ein Comic-Heft zeigen darüber hinaus weiterhin die Verbundenheit zwischen den Formaten.
Die Simpsons als Comics
Wir wollen uns hier zwar mit Die Simpsons befassen, aber nicht zu sehr mit der Serie. 1993 waren Die Simpsons bereits so erfolgreich, dass sie sich in ein anderes Medium ausbreiteten. Groening sah sich die Comicszene zu der Zeit an und kam zu der Schlussfolgerung, dass es um den Humoraspekt nicht allzu gut bestellt sei – Simpsons Comics waren geboren. Ab 2000 wurden die Comics monatlich veröffentlicht, über 200 Ausgaben erschienen insgesamt bis 2018. Es gab noch weitere Ableger, aber Simpsons Comics war die bekannteste und beliebteste Veröffentlichung. Die in diesen Heften erzählten Geschichten waren im Prinzip völlig losgelöst von der animierten Serie. Es handelte sich also nicht einfach nur um Adaptionen, wiewohl es durchaus vorkommen konnte, dass eine im Comic erzählte Geschichte etablierte Elemente aus der Serie aufgriff und weiterführte. Vereinzelt gab es auch Storys, welche eine in einer Folge wiedergegebene Begebenheit in veränderter Form präsentierte. Das Gros der statischen Bilder auf den Papierseiten interferierte aber kaum mit den bewegten Bildern, die über die heimischen Bildschirm flimmerten.
Seit der zweiten Staffel gibt es jährlich eine Treehouse of Horror-Folge in der Serie. Diese Episoden, die im Original über die einzelnen Staffeln hinweg fortlaufend mit römischen Ziffern nummeriert sind, haben im Deutschen jeweils individuelle Titel und sind somit nicht auf den ersten Blick erkennbar miteinander verbunden. Während es sich bei Die Simpsons um eine Quasi-Status-Quo-Serie handelt – am Ende jeder Folge ist der Ausgangszustand also wieder erreicht, auch wenn es Rückbezüge auf frühere Episoden geben kann –, finden diese Halloween-Specials außerhalb der serieninternen Kontinuität statt. Was sich in ihnen abspielt, hat also weder eine Auswirkung auf den weiteren Verlauf der Serie noch ist das was passieren kann den Regeln des fiktionalen Universums unterworfen.
Sammelband der Horror-Geschichten
So erschien auch zwischen 1995 und 2017 jedes Jahr im Herbst eine Ausgabe des Comicablegers Bart Simpsons Horrorshow (im Original The Simpsons‘ Treehouse of Horror). Genau wie beim animierten Vorbild gab es dabei jedes Mal drei Storys, die sich jeweils sämtliche Freiheiten mit den Charakteren nehmen konnten. Dazu gehört natürlich auch, Figuren umzubringen. Während die meisten dieser Comics vergriffen sind, gab es immer wieder Neuveröffentlichungen in verschiedenartigen Sammelbänden.
Mit The Simpsons: Treehouse of Horror Necronomnibus. Band 1: Grusel-Spektakel & Glibber-Tentakel legt der Splitter Verlag nun einen neuen davon in Deutschland vor. Dadurch wird hierzulande eine Lücke geschlossen. Die bei Panini erschienene Simpsons Comic-Kollektion umfasst 72 Bände und enthält fast alle jemals veröffentlichten Geschichten – allerdings fehlen vor allem sämtliche in den Halloween-Ausgaben erzählten Storys. In insgesamt drei Bänden sollen diese nun alle nach und nach der deutschen Fangemeinde zugänglich gemacht werden. Bei einem Preis von knapp 60 Euro muss diese aber auch deutlich tiefer in die Tasche greifen als die Kundschaft in der Heimat der gelben Familie. Bei dem dort ein Jahr früher erschienenen Werk werden umgerechnet lediglich etwa 40 Euro verlangt. Im stylischen Pappschuber kommt die Ausgabe für uns auch nicht daher. Das sollte jedoch niemanden davon abhalten, hier zuzugreifen.
Hohe Bildqualität
Das Design des Pappschubers ist hierzulande auf den Einband umgemünzt worden. Somit hat nun der Deckel ein eingestanztes Loch, durch welches das Motiv des Fliegenden Blattes – das im Original also der Deckel ist – zu sehen ist. Das ist natürlich nicht so cool wie ein dezidierter Pappschuber, funktioniert aber auch. Nur geht dadurch der Effekt des Originals verloren und die zahlreichen Augen der mutierten Charaktere leuchten nicht mehr im Dunkeln. Wertig aufgezogen ist das Ganze aber trotzdem auf jeden Fall; die Bindung ist den 416 Seiten entsprechend stabil, für die einzelnen Blätter wurde ein dichtes Material gewählt, welches beim Umblättern gut in den Fingern liegt. Die Farben sind kräftig und gut saturiert. Zudem besticht der Hochglanzdruck mit seiner Schärfe. Die Originalcomics waren eher matt und etwas unscharf, was auch seinen ganz eigenen Charme mit sich brachte. In der neuen Form hier aber doch besser aussieht.
Die Bildqualität ist durchgehend hoch, der Zeichenstil ist überwiegend derselbe. Es gibt hier und da die ein oder andere Geschichte, bei der gezielt auf eine andere Optik gesetzt wird, aber insgesamt wirkt alles schon wie aus einem Guss. Auch inhaltlich gibt es natürlich einige Schwankungen, aber insgesamt überzeugen alle Storys und sorgen bei Fans für gute Unterhaltung. Anders als bei der Fernsehserie lassen sich die einzelnen Erzählungen auch nicht eindeutig einer Schaffensperiode zuordnen. Dazu muss kurz erläutert werden, wie The Simpsons: Treehouse of Horror Necronomnibus. Band 1: Grusel-Spektakel & Glibber-Tentakel aufgebaut ist.
Ohne klare Ordnung
Der Sammelband gruppiert die verschiedenen Geschichten in sechs Kategorien: Außerirdisches Gewusel, Technisches Versagen, Süßes oder Schauriges, Eiskalte Killer-Thriller, Aus dem Schatten und Parallele Parabeln. Die Storys stammen dabei aus drei verschiedenen Jahrzehnten, die älteste ist von 1995, die neueste von 2016. Die genauen Auswahlkriterien – sowohl dafür, welche Geschichten aufgenommen wurden, als auch dafür, in welcher Reihenfolge sie angeordnet sind – werden dabei nicht klar. Da zwei weitere Bände geplant sind, womit dann sämtliche Treehouse of Horror-Comics neu aufgelegt wären, wäre das Naheliegendste gewesen, die Storys einfach chronologisch zu veröffentlichen. Da es sich wie weiter oben erwähnt um abgeschlossene Einzelgeschichten handelt, spielt die Reihenfolge natürlich keine Rolle. Jede von einer chronologischen Anordnung, welche bereits inhärent arbiträr ist, abweichende kann selbst nur arbiträr sein, ist aber mit mehr Aufwand verbunden. Die künstliche Einteilung in die sechs kapitelartigen Abschnitte scheint auch eher rein kosmetischer Natur zu sein. Neben den Storys gibt es auch kleinere Gagseiten, die aus anderen Sammelbänden übernommen wurden. Einzig ein begrüßendes Vorwort von Bart Simpson wurde neu für diese Ausgabe hinzugefügt.
Was mit dieser Präsentation aber immerhin schön veranschaulicht werden kann, ist der erwähnte fehlende Qualitätsabfall. Nur selten lassen sich die Storys durch den Inhalt zeitlich verorten. Wenn in Der Tag des Xt’tapalataketel der große olmekische Steinkopf eine Rolle spielt, ist das zwar eine konkrete Referenz auf die Fernsehserie, als Querverweis aber kein sonderlich hilfreicher, da der Kopf bereits in der zweiundzwanzigsten Folge der zweiten Staffel auftauchte. Diese wurde 1991 ausgestrahlt, also lange bevor die Comics überhaupt existierten.
Kreativer Titel
The Simpsons: Treehouse of Horror Necronomnibus. Band 1: Grusel-Spektakel & Glibber-Tentakel ist eine gelungene deutsche Übersetzung von The Simpsons Treehouse of Horror: Ominous Omnibus Vol. 1: Scary Tales & Scarier Tentacles. Ominöser Omnibus klänge eher lächerlich, ein Kofferwort mit „Necronomicon“ zu kreieren ist dagegen kreativ und dem Thema angemessen. Mit „Omnibus“ wird in der Welt der Comics eine Ausgabe bezeichnet, in welcher mehrere Einzelhefte gemeinsam veröffentlicht werden. Die Kombination von „Spektakel“ und „Tentakel“ funktioniert auch deutlich besser als jene von „Tales“ und „Tentacles“.
Aber die deutsche Fassung kommt auch mit ganz eigenen Problemen daher. Direkt beim Aufschlagen des Werkes prangt dem geneigten Leser in orthographisch falscher Art der Hinweis auf den so genannten Kreaturen-Index entgegen, in welchem Künstler und Autoren festgehalten sind (wer also weder in der chronologischen noch in der Deckel-zu-Deckel-Reihenfolge lesen möchte, kann somit beispielsweise alphabetisch nach Autor vorgehen). Das ist ein passables Wortspiel in Bezug auf das Original (Creator Index), hängt für sich genommen aber etwas im luftleeren Raum. Während der Rest des Necronomnibus nicht in dieser unleserlichen Art gestaltet ist, gibt es im ganzen Band knapp zehn Druckfehler. Das klingt bei 416 Seiten zunächst nicht weiter tragisch, ist im jeweiligen Einzelfall aber doch jedes Mal störend. Mehrheitlich ist entweder ein Buchstabe zu wenig oder einer zu viel abgedruckt. Es gibt aber auch Inkonsistenzen: Die bereits erwähnte Geschichte Der Tag des Xt’tapalataketel etwa wird im Inhaltsverzeichnis als Der Tag des Xt’tapalatakettle’s aufgeführt. Kein Übersetzungsfehler, aber auffällig: Die Inflektive sind im englischen Original belassen, was eher unüblich ist.
OT: „The Simpsons Treehouse of Horror: Ominous Omnibus Vol. 1: Scary Tales & Scarier Tentacles“
Land: USA
Jahr: 2022
Texte: Mike Allred, Sergio Aragonés, Chris Bonham, Pat Boone, Ian Boothby, Dan Brereton, C.F., Alice Cooper, Terry Delegeane, Paul Dini, Evan Dorkin, Scott Gimple, Mark Hamill, Tim Hensley, Nathan Kane, Lemmy Kilmister, Batton Lash, Jom Mahfood, Kelvin Mao, Bill Morrison, Patton Oswalt, Tom Peyer, Eric Powell, Steve Ringgenberg, Stan Sakai, Scott Shawl, Gail Simone, Jeff Smith, Doug TenNapel, Jill Thompson, Chris Yambar
Zeichnungen: Sergio Aragonés, Dan Brereton, C.F., Geoff Darrow, Evan Dorkin, Tim Hensley, Jason Ho, Kelley Jones, Nathan Kane, Jim Mahfood, Bill Morrison, C. Scott Morse, Eric Powell, Mike Rote, Stan Sakai, John Severin, Doug TenNapel, Jill Thompson, Angelo Torres
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