Stillzusitzen ist für Savas Coban eher keine Option. Schon immer musste der gebürtige Bremer irgendwie in Bewegung sein. 2018 absolvierte er zwei MMA-Kämpfe. Nach seinem verlorenen Debüt beendete er seine Kampfsportkarriere mit einem Sieg im nächsten Fight. Ein paar Ausschnitte seiner Aktivitäten im Oktagon werden in Trail der Träume gezeigt, vielleicht hätte er es irgendwann ja wirklich in die UFC geschafft. Allerdings machten ihm die physischen Auseinandersetzungen keinen Spaß – lediglich die Herausforderung an sich reizte ihn. Es musste also etwas anderes her. Im Sommer 2020 kam ihm die Idee, mit dem Fahrrad die 2.700 Kilometer von Hamburg nach Sevilla zu fahren. Warum es ausgerechnet die andalusische Hauptstadt sein musste, wird nicht klar. Unterlegt ist diese Erzählung jedenfalls mit Archivmaterial von seiner Unternehmung. Das Erlebnis war für ihn inspirierend, konnte ihn aber auf Dauer auch nicht zufriedenstellen.
Hauptsache, die Strecke ist lang
2021 machte er sich auf den Weg von München nach Istanbul – mit etwa 1.900 Kilometern zwar eine deutlich kürzere Strecke, aber dafür legte er sie dieses Mal zu Fuß zurück. Es handelte sich dabei jedoch nicht um einen ausgedehnten Spaziergang, Coban absolvierte die Distanz in täglichen Ultramarathons. Während die Streckenlänge bei einem herkömmlichen Marathon klar definiert ist, ist sie bei einem Ultramarathon im Prinzip nach oben offen, muss nur eben länger sein. Wer also 42,196 Kilometer in einem fort hinter sich bringt, hat bereits einen Ultramarathon absolviert. Im Juli dieses Jahres erschien Cobans Buch Trail der Träume … und Albträume: Mein Weltrekordlauf durch Peru, in welchem er über seine 87 konsekutiven Ultramarathons berichtet. Dabei wurde er auch von den Regisseurinnen Steffi Rostoski und Dorit Jeßner begleitet, welche das Abenteuer filmisch festhalten ließen. Für die nun ins Kino kommende Dokumentation wurde der Buchtitel schlicht auf Trail der Träume gekürzt.
Trail der Träume setzt immer wieder auf Drohnenaufnahmen. Generell erinnert der Film optisch ein wenig an Expedition Niger – Pures Afrika. Alles ist sehr hochwertig festgehalten. Inhaltlich weckt die Doku eher Assoziationen zu Kurs Südwest, zumindest am Anfang von Cobans Reise. Als er unerwartet vor einem verschlossenen Tor steht, wird zwar noch gezeigt, wie er nach kurzer Überlegung über die anschließende Mauer klettert, bei einem späteren Hindernis wird die Auflösung der Situation dann aber schon nicht mehr gezeigt. Ebenso wenig wird verschwiegen, wer den Koffer mit neuen Laufschuhen und entsprechende Kleidung bezahlt hat und nach Peru transportieren ließ, den Coban in einer der wenigen wohl gestellten Szenen für die Kamera auf dem Weg „findet“. Den Code, um den Koffer zu öffnen, muss er sich dann von jemandem auf der anderen Seite der Linse geben lassen. Die erhaltene Ausrüstung ist jedenfalls essenziell, denn von nun an geht es erst einmal durch eiskaltes, verschneites Gebiet.
Der Mensch hinter dem Lauf
Ansonsten lässt Coban die üblichen Kalendersprüche vom Stapel. Jeder könne alles schaffen, wer seine Gedanken ändere, ändere seine Welt, und was die Glückskeksmaschinerie eben sonst noch so alles an Phrasen bereit hält. Ganz so platt und plakativ wie in Facing Down Under – Die Doku eines Backpackers wird es hier aber nie, außerdem leistet der 29-Jährige mit täglich etwa 59 zurückgelegten Kilometern ja tatsächlich etwas mehr, als einfach nur auf einen anderen Kontinent zu reisen und dort ein wenig herumzuscharwenzeln.
Bei so einer körperlichen Belastung ist die Stimmung natürlich nicht immer gut. Es kann logischerweise nicht beurteilt werden, wie viel Material zurückgehalten wurde, aber Trail der Träume scheut sich nicht, auch negativ aufgeladene Momente zu zeigen. So fährt etwa Coban das Kamerateam einmal an, dass es überhaupt nicht verstehen würde, was er da eigentlich macht. Ein andermal fordert er wütend beim Laufen, dass die Kamera ausgeschaltet werden soll. Dabei scheint Coban generell ein sympathischer Typ zu sein – solche Ausraster sind die Ausnahme, und in den jeweiligen Kontexten auch verständlich. Während der Großteil der Doku seinem Lauf durch Peru gewidmet ist, kommt zu Beginn sein Umfeld, vor allem seine Familie, zu Wort, und bringt uns den Menschen hinter dem Läufer näher, auch wenn es doch eher oberflächlich bleibt.
OT: „Trail der Träume“
Land: Deutschland
Jahr: 2023
Regie: Steffi Rostoski, Dorit Jeßner
Drehbuch: Steffi Rostoski
Musik: Maria Ziegler
Kamera: Lucía Venero, Javier Sobremazas, Hans Bauer, Robert Koschitzki, Uwe Nadler, Savas Coban
Mitwirkende: Savas Coban
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