Seit 26 Jahren lebt der Libanese Ali „Toni“ Hamady (Kida Khodr Ramadan) mittlerweile in Deutschland. Doch noch immer hat er keine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung, trotz zahlreicher Anläufe. Dabei bräuchte er diese dringend, um endlich richtig arbeiten zu können, seit Längerem träumt er davon, ins Immobiliengeschäft einsteigen zu können. In der Zwischenzeit bleibt ihm aber nichts anderes übrig, als weiterhin bei den kriminellen Geschäften seiner Familie mitzumachen. Dabei macht ihm nicht nur sein hitzköpfiger Bruder Abbas (Veysel Gelin) zu schaffen, der gerade einen Polizisten erschossen hat. Es kommt zudem immer wieder zu Auseinandersetzungen mit einer konkurrierenden Rockerbande, die von Rainer „Ruffi“ Ruff (Ronald Zehrfeld) geführt wird. Zu seinem Glück ist da aber immer noch Vince (Frederick Lau), ein guter Freund, dem er alles anvertraut. Dabei ahnt er nicht, dass dieser selbst Polizist ist und verdeckt ermittelt …
Graben im Morast
Deutsche Serien genossen lange Zeit, ähnlich zu hiesigen Filmen, keinen besonders guten Ruf. Vor allem Genrebeiträge mit düsteren Stoffen wurden misstrauisch beäugt. 2017 schien sich das zu ändern. Da war die Netflix-Produktion Dark, die mit ihrer mysteriösen Geschichte weltweit für Furore sorgte. Weniger fantastisch, aber ebenfalls sehr beliebt, war 4 Blocks, das uns mit den Berliner Stadtteil Neukölln nahm und dabei in erster Linie von den kriminellen Machenschaften dort erzählte. Drei Staffeln lang drehte sich alles um Drogen, um harte Gangster und andere Menschen, die irgendwie in die Geschichte hineingezogen wurden. Während die beiden späteren Staffeln zunehmend schlechter wegkamen, war die Resonanz auf den Auftakt sehr gut, sowohl bei Publikum wie auch in den Kritiken.
Ein paar mahnende Stimmen gab es aber auch dort schon, dass die Serie das Gangsterleben etwas zu sehr glorifizieren würde. Das mag auch damit zusammenhängen, dass es kaum Figuren gibt, die nicht darin feststecken. Natürlich sind einige weniger damit beschäftigt als andere, vor allem die Frauen sind nur Mitläuferinnen. Aber auch diese positionieren sich kaum dagegen, finden das zwar alles nicht so toll, verurteilen es jedoch nicht komplett. Etwas befremdlich ist, wie das Publikum gegen Ende mitfiebern soll, als das Leben der Hamadys in Gefahr ist, so als wären sie im Vergleich zu den Rockern irgendwie besser. Gewaltverherrlichend ist das dennoch kaum. 4 Blocks genießt es lediglich, tief im Morast zu graben, wo die Einteilung in gut und böse nicht so einfach sind, zumal auch bei der Polizei und um Gefängnis Korruption kein Fremdwort ist.
Spannend, aber stereotyp
Problematischer ist da schon, dass die Serie gern mit Klischees arbeitet. Vor allem in die Figuren wurde kaum Arbeit investiert, da werden einfach nur irgendwelche Stereotypen vorgesetzt. Am ehesten überzeugen in der Hinsicht noch Toni und Vincent, die zumindest an mehreren Stellen hin und her gerissen sind. Außerdem sind da noch die jungen Nebenfiguren Zeki (Rauand Taleb) und Issam (Emilio Sakraya), die von einem besseren Leben träumen und dabei feststellen müssen, dass dies alles ziemlich hässlich werden kann. Die restlichen Figuren in 4 Blocks sind hingegen überwiegend Wegwerfware. Ob es nun die cholerischen Gangsterbosse sind oder die Frauen, man versuchte nicht einmal, ihnen einen wirklichen Charakter zu geben. Sie sind nicht mehr als ein Mittel zum Zweck, um die Geschichte erzählen zu können.
Die ist dafür recht spannend. Gerade das Zusammenspiel von zwei konkurrierenden Banden und der Polizei sorgt immer wieder für brenzlige Situationen, bei denen mal die eine, mal die andere Gruppe die Oberhand hat. Da es auf keiner Seite Skrupel gibt, Gewalt an der Tagesordnung steht, darf man bis zum Schluss gespannt sein, wer heil aus der Sache herauskommt. Und auch wenn die Figuren die besagten Schwächen haben, durch deren großen Anzahl hat man tatsächlich das Gefühl, in ein Milieu hinabzusteigen, eine eigene Welt, wo alles mit allem zusammenhängt. Selbst wenn die damalige Euphorie vielleicht ein wenig übertrieben war und mehr mit übertroffenen Erwartungen zu tun hatte, 4 Blocks ist für sich genommen nach wie vor sehenswert. Langeweile kommt während der sechs Folgen nicht auf.
OT: „4 Blocks“
Land: Deutschland
Jahr: 2017
Regie: Marvin Kren
Drehbuch: Hanno Hackfort, Benjamin Hessler, Bob Konrad, Marvin Kren, Richard Kropf
Musik: Marco Dreckkötter, Stefan Will
Kamera: Moritz Schultheiß
Besetzung: Kida Khodr Ramadan, Veysel Gelin, Sami Nasser, Frederick Lau, Ronald Zehrfeld, Ludwig Trepte, Oliver Masucci, Erkan Sulcani, Maryam Zaree, Almila Bagriacik, Emilio Sakraya, Rauand Taleb
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