Für Mark Grayson war es der schlimmste Tag in seinem Leben: Sein Vater Nolan, zu dem er immer aufgeblickt hatte und der als Omni-Man immer wieder die Welt rettete, war kein Held. Vielmehr war er auf die Erde gekommen, um den Planeten für seine eigene Heimat Viltrum zu unterwerfen, so wie viele andere Planeten zuvor auch. Seit dieser Enthüllung ist Nolan verschwunden, Mark und seine Mutter Debbie müssen irgendwie mit der Erkenntnis klarkommen, dass ihr Leben eine Lüge war. Dabei hat der Teenager genug andere Sachen, die ihm durch den Kopf gehen. So wird er bald aufs College gehen und damit erstmals von zu Hause weg sein. Das ist schwierig, wenn man ständig im Einsatz ist und gegen Feinde kämpfen muss. Und dann ist da noch seine Freundin Amber, die nichts davon ahnt, dass der unscheinbare Student in Wahrheit der maskierte Superheld Invincible ist …
Aus dem Privatleben eines Nachwuchshelden
Als Robert Kirkman 2003 mit seiner Comic-Reihe Invincible begann, hätte er wohl nicht erwartet, wie erfolgreich er damit sein würde. Insgesamt 15 Jahre lang erschienen neue Geschichten rund um den jungen Superhelden. Und auch einige Jahre nach dem Ende erfreut sich das Werk größerer Beliebtheit, auch weil Amazon Prime Video den Comic als ebenfalls gefeierte Animationsserie umgesetzt hat. Der erste Band zeigte dabei bereits die Stärke und Besonderheit von Kirkmans Version des beliebten Genres. Zwar kam es darin zu einer Reihe von Einsätzen des Nachwuchshelden, auch andere stürzten sich immer wieder mutig in Kämpfe. Ebenso wichtig war aber das Privatleben der Figuren, allen voran des Titelhelden, der es irgendwie schaffen muss, seine besondere Berufung und einen gewöhnlichen Alltag unter einen Hut zu bekommen.
Im zweiten Band ist das nicht anders. Über weite Strecken ist Invincible da ein reines Coming-of-Age-Werk, bei dem die Superkräfte schon mal in den Hintergrund rücken können. Dann und wann findet sich darin der Humor, der auch schon beim Auftakt zu finden war. Wenn Mark beispielsweise seine Beziehung zu Amber vertiefen will, diese wegen seines sonderbaren Verhaltens immer misstrauischer wird, kann das schon komisch sein. Am anderen Ende der Skala ist der Strang um seine Mutter, der komplett der Boden unter den Füßen weggerissen wurde. Wenn sie zunehmend dem Alkohol verfällt und auch darunter leidet, dass ihr Sohn nun fort ist, wird der Comic sehr viel bitterer und tragischer, als man es aus diesem Bereich meistens gewohnt ist.
Zwischen spannend und generisch
Das heißt aber nicht, dass nicht auch zwischendurch traditionellere Superhelden-Passagen dabei sind. Die sind jedoch nach wie vor ein eher gemischtes Vergnügen. Viele der Helden und Heldinnen, die hier durchs Bild schwirren, sind schon sehr generisch. Durch die Luft fliegen? Laserstrahlen? Übermenschliche Kräfte? Sonderlich viel Mühe hat man sich da nicht gegeben. Nicht dass die menschlichen Figuren viel spannender wären. Von Mark einmal abgesehen gibt es in Invincible kaum jemanden, der einem in Erinnerung bleiben würde. Auch optisch ist da zu wenig, um den Comic von den vielen anderen abzuheben, die in diesem Segment um ihr Publikum kämpfen.
Es gibt aber auch spannendere Ideen. Eine davon betrifft die Mauler-Zwillinge, die sich ständig darum streiten, wer von ihnen das Original und wer der Klon ist. Das Alien Allen, den wir zuvor schon mal getroffen haben, bekommt eine interessante Hintergrundgeschichte. Und auch der Dimensionsspringer Angstrom Levy gehört zu den Stärken, wenngleich die Art und Weise, wie er zum Erzfeind Invincibles wird, etwas billig ist. Gegen Ende des zweiten Bands gibt es übrigens noch eine Reihe weiterer Vorgeschichten und Hintergründe, mit denen einige der Helden und Heldinnen mehr Kontur bekommen sollen. Das ist zwar grundsätzlich nicht verkehrt, verkommt in der Form aber zu reinem Füllmaterial.
OT: „Invincible“
Land: USA
Jahr: 2005
Text: Robert Kirkman
Zeichnungen: Ryan Ottley
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