Nach dem tragischen Tod seiner Mutter schwört der ehrgeizige Victor Frankenstein (Kenneth Branagh), er werde alles daran setzen, einen Weg zu finden, wie man durch die Wissenschaft den Tod überwinden kann. Die Liebe zu seiner Adoptivschwester Elizabeth (Helena Bonham Carter) ist ein wichtiger Anker für ihn, bevor er vom Sitz seiner Familie in Genf nach Ingolstadt reist, wo er sein Studium der Medizin beginnt. In dem gleichaltrigen Studenten Henry Cleval (Tom Hulce) findet er einen Freund, der ihn aufbaut, wenn Victor wieder einmal mit einem seiner Professoren im Streit auseinander gegangen ist. Jedoch nimmt Frankensteins Frust mit jedem Tag zu und letztlich beschließt er seine Theorien in die Praxis umzusetzen, wobei er sich vor allem auf Elektrizität als Mittel verlässt, totes Gewebe wieder lebendig zu machen. Über Wochen schließt er sich in seinem Labor ein, sucht auf den Friedhöfen der Stadt Teile Verstorbener zusammen und erschafft schließlich eine Kreatur (Robert De Niro). Jedoch kommen Victor schon kurz nach dem Experiment Zweifel an seiner Tat und er verbannt die Kreatur, welche die Flucht in die Stadt sucht. Dort, wie auch auf seinen weiteren Reisen, erfährt die Kreatur nur Ablehnung und Gewalt, lernt aber zugleich das Lesen und Schreiben.
Der Weg in ein neues Zeitalter
In den 1990er begann Kenneth Branagh seine Passion für Literatur, besonders die Dramen William Shakespeares, auszuleben, indem er eine ganze Reihe von Filmadaptionen schuf, die von interessant bis hin zu redundant reichen. Dazwischen drehte er mit Mary Shelley’s Frankenstein eine Adaption des bekannten Romans von Mary Shelley, die sich, im Gegensatz zu vorherigen Verfilmungen, stärker an der Vorlage orientiert. Wie bei seinen Shakespeare-Adaptionen ist auch Frankenstein ein großes Kostüm- und Ensembledrama, dessen Elemente, wie beispielsweise die Sets, wie Theaterkulissen anmuten. Dies ist nur folgerichtig bei einer Herangehensweise, welche die Geschichte als große Tragödie betrachtet, in der Themen wie Fortschrittsglaube, Wissenschaft und Moral angesprochen werden. Das Ergebnis ist ein schauspielerisch und ästhetisch überzeugender Film, der seiner Vorlage aber wenig abgewinnen kann und eher das Spektakel sucht als die Tiefe.
Wer generell Probleme mit den Literaturadaptionen Branaghs hat, wird mit Mary Shelley’s Frankenstein einen weiteren Grund haben, diesen gegenüber kritisch zu sein. Shellys Romans ist ein Meisterwerk, nicht nur der Horrorliteratur, sondern zugleich als menschliches Drama über Hochmut, Moral und die Grenzen der Wissenschaft. Der komplexe thematische Unterbau der Vorlage klingt in Branaghs Verfilmung zwar immer wieder an, beispielsweise beim Prolog oder in den Streitgesprächen zwischen Frankenstein und seinem Mentor Professor Waldman (John Cleese). Auf diesem Wege, wie auch durch die Kulissen, wird die Atmosphäre einer Ära evoziert, in der man nicht nur alles erklären wollte, sondern auch die Grenzen des Lebens überschreiten wollte.
Dies könnte ein hochinteressantes Fundament sein, was Shelley zu nutzen weiß, aber in den Händen Branagh nur Teil der Ästhetik ist, wie die elektrischen Anzeigen und Maschinen im Labor Frankensteins, was schon mehr an die Universal-Verfilmungen erinnert. Spätestens hier meint man zu glauben, nun wolle Branaghs Verfilmung vollends zu einem Horrorfilm werden, doch dann wird sie eben wieder zum Versuch eines Dramas über die eingangs erwähnten Themen, was versucht das Level der berühmten Vorlage zu erreichen, es aber zu keiner Zeit schafft.
Der Schmerz des Lebens
Dass Branagh Theaterschauspieler ist, sieht man seiner Darstellung als Victor Frankenstein an. Die Manierismen, die Gestik und so gut wie jede Bewegung des Schauspielers mögen für die Bühne toll sein, wirken aber im Film bisweilen unglaublich überzogen und wenig subtil. Im Zusammenspiel mit anderen Komponenten meint man in vielen Szenen eher einer Oper als einem Film zu folgen, bei der die Darsteller nur das Singen verlernt haben. Schauspiel und Inszenierung suchen immerzu das Spektakel, was spätestens beim Finale schon arg auf die Nerven geht. Einzig und allein Robert De Niro scheint sich bewusst zu sein, dass er in einem Film mitspielt und trägt zu einigen der wirklich guten Szenen dieser ansonsten redundanten Verfilmung bei. Der Schmerz über die Enttäuschung mit der Welt, in die die Kreatur hineingeboren wurde, die Wut auf deren Erschaffer und schließlich die Konfrontation auf dem Berg sind Indikatoren für die Reife De Niros als Schauspieler.
OT: „Mary Shelley’s Frankenstein“
Land: USA, Japan
Jahr: 1994
Regie: Kenneth Branagh
Drehbuch: Steph Lady, Frank Darabont
Vorlage: Mary Shelley
Musik: Patrick Doyle
Kamera: Roger Pratt
Besetzung: Kenneth Branagh, Robert De Niro, Tom Hulce, Helena Bonham Carter, Aidan Quinn, Ian Holm, John Cleese
Wer noch tiefer in die Geschichte des legendären Monsters einsteigen möchte: In unserem Special rund um Frankenstein stellen wir zahlreiche Filme und Serien vor, die auf dem berühmten Roman basieren oder davon inspiriert waren.
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
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Academy Awards | 1995 | Bestes Make-up | Daniel Parker, Paul Engelen, Carol Hemming | nominiert |
BAFTA | 1995 | Bestes Szenenbild | Tim Harvey | nominiert |
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