Martha (Pia Frankenberg) ist eine Regisseurin und lebt mit ihrem kleinen Sohn in einer Wohnung in Hamburg. Obwohl sie schon ein paar Filme gemacht hat, findet sie, dass sie im Leben wie auch in ihrer Kunst sehr oberflächlich ist, wie sie gegenüber einer Reporterin behauptet. Um nahe am Puls der Gesellschaft zu sein, wie sie es nennt, lebt mit ihr die gebürtige Portugiesin Teresa (Adelina Almeida), die sich hauptberuflich um ausländische Familien kümmert, die nach Deutschland einreisen wollen. Daneben betreut sie noch Marthas Sohn, wenn sie es zeitlich schafft, und tauscht sich mit ihr immer wieder über ihre Sorgen und Nöte aus, vor allem aber über diverse frustrierende Behördengänge.
Dann ist da noch Alfred (Klaus Bueb), der seine ganz eigenen Sorgen hat. Nach der Trennung von seiner Freundin kommt er mit Martha zusammen, die ebenso wenig anzufangen weiß mit der speziellen, sehr direkten Art ihres neuen Freundes. Trotz der Differenzen bleiben die beiden zusammen und vielleicht findet Martha auch einen Weg aus ihrer Sinnkrise, wenn es denn überhaupt eine ist.
Aber nicht dasselbe
Nach dem plötzlichen Tod ihres Vater erbte Pia Frankenberg ein beträchtliches Vermögen, was sie am liebsten sofort verschenkt hätte. Stattdessen folgte sie dem Rat eines Freundes, in einen Film zu investieren, was den Grundstein legte für ihre eigene Karriere sowohl vor als auch hinter der Kamera. 1985 drehte Frankenberg dann mit Nicht nichts ohne Dich ihren ersten Spielfilm, für den sie 1986 mit dem Max-Ophüls-Preis ausgezeichnet wurde. Die Komödie, die deutliche Verweise auf das US-amerikanische Independentkino aufweist, behandelt Frankenberg eine ganze Reihe von Themen, darunter die Rolle der Kunst in der Gesellschaft sowie die Stellung des Künstlers an sich. Auffällig dabei ist die Herangehensweise in puncto Inszenierung und Ästhetik, welche zwar einige Parallelen zu anderen Werken zeigt, aber vor allem erfrischend unverkrampft ist, auch noch aus heutiger Sicht.
In Erich Frieds Gedichts Ohne Dich, auf das sich der Titel von Frankenbergs Film bezieht, geht es in dem für ihn typischen reduktiven Stil um die das Fehlen von etwas im Leben eines Menschen. Während Generationen von Künstlern und Künstlerinnen scheinbar genau benennen können, was genau dieses Fehlen beinhaltet, gibt es in Frieds Gedicht dafür keine Worte, nur eine Umschreibung, oder vielmehr eine linguistische Einkreisung. Im Prinzip gilt dies ebenso für die drei Hauptfiguren in Frankenbergs erstem Spielfilm, denen ebenso etwas in ihrem Leben fehlt, wobei sie genauso wenig in der Lage sind, dieses Fehlen zu beschreiben. Mit ihnen scheint auch Frankenbergs Erzählung nach diesem etwas zu suchen, damit sie endlich vollkommen sind, was den teils etwas erratischen, episodischen Stil erklärt, der bisweilen an das Kino eines John Cassavetes erinnert. Im Falle von Frankenbergs Kino ist es aber meist nicht das Drama, was im Vordergrund steht, sondern die absurden Situationen, in die sich die Figuren verstricken, ihre Widersprüche und ihre bizarres Handeln, nur um einem Ideal zu entsprechen, was bei genauer Hinsicht anmutet wie eine leere Pose und weniger wie eine Überzeugung.
Mangelnde Ernsthaftigkeit
Es ist die mangelnde Ernsthaftigkeit, die Pia Frankenbergs Martha bei sich und der Welt beklagt, und die zu einem Mangel an Tiefe führt. Bei ihr ist es die Sicherheit einer Künstlerin und Mutter, die es eigentlich besser wissen müsste, mit der Kunst wie auch mit den Frau- und Mutter-Sein, doch dabei beginnt jeden Tag die Suche erneut. Frankenbergs Heldin ist sympathisch wegen ihrer Unsicherheit, ihren Aussagen, die sie nur wenig später revidiert, und ihrem Erfinden von Problemen, nur um sich in den Augen einer kritisch dreinschauenden Interviewerin etwas Tiefe zu verleihen, was eigentlich gar nicht nötig ist. Bei den Männern läuft es nicht besser, denn Klaus Buebs Figur wirkt fahrig und wirr, vor allem bei Bestehen auf maskulinen Positionen, die wie auswendig gelernt wirken. Immer mehr gerät er dabei nahe an die Karikatur, was zu einigen bizarr-komischen Szenen führt, wie der Trennung von seiner Freundin, für die er sich weigert einen Kuchen zu backen, weil das mit den Eiern ihm einfach zu eklig ist.
Frankenberg spricht in Nicht nichts ohne Dich vielen Menschen aus der Seele. Die Suche nach festen Positionen, einer Orientierung im Leben, könnte nicht relevanter sein in einer Kultur der Bewegungen, die es alle besser wissen wollen, als man selbst. Martha will die Frau sein, von der sie gelesen hat und die sie aus den Filmen kennt, sie will die Liebhaberin sein, von der man ihr aus Magazinen immer berichtet, doch scheitert sie an einem künstlichen Anspruch, der wenig mit ihr selbst zu tun hat. Vielleicht ist dies dann das Fehlen – etwas, das uns suggeriert wird, um uns von den tatsächlichen Problemen fernzuhalten.
OT: „Nicht nichts ohne Dich“
Land: Deutschland
Jahr: 1985
Regie: Pia Frankenberg
Drehbuch: Pia Frankenberg
Musik: Horst Mühlbrandt
Kamera: Thomas Mauch
Besetzung: Pia Frankenberg, Klaus Bueb, Alfred Edel, Adelina Almeida
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