In London geht ein Frauenmörder um und versetzt die Bevölkerung in Angst und Schrecken. Während die Polizei bei der Suche nach dem Täter im Dunkeln tappt, ahnt keiner, welche Abgründe sich hinter dem unscheinbaren Mark Lewis (Karlheinz Böhm) befinden, der für die Mordserie verantwortlich ist. Tagsüber verdient er seinen Lebensunterhalt als Kameramann bei einer Filmproduktionsfirma sowie als Fotograf für Nacktfotos, die unter der Ladentheke eines örtlichen Kiosks verkauft werden. Nachts macht er sich mitsamt seiner Kamera, ohne die er nie das Haus verlässt, auf die Suche nach neuen Opfern, deren Todesqualen er so gut es geht aufnimmt. Zurück in seiner Wohnung studiert er die Aufnahmen, wobei ihn besonders die Angst seiner Opfer fasziniert und nicht mehr loslässt.
Sein Leben erfährt jedoch einen Einschnitt, als er Helen (Anna Massey), die Tochter eine Mitbewohnerin, kennenlernt. Die junge Frau bringt Verständnis für die Leidenschaft ihres Nachbarn für Film und Fotografie auf, ohne natürlich zu ahnen, zu welchen Verbrechen Mark diese treibt. Immer mehr vertieft sich die Beziehung zwischen den beiden, bis Mark eines Tages merkt, dass der bekannte Drang, Helen zu filmen und ihr etwas anzutun, immer stärker wird.
Ein Skandal und seine Folgen
Bevor der britische Regisseur und Drehbuchautor Michael Powell mit Augen der Angst einen Film herausbrachte, der für viel Kritik und Skandale sorgte, hatte er sich in seiner Heimat durch Produktionen wie Die roten Schuhe oder Irrtum im Jenseits einen respektablen Ruf erarbeitet. So waren Kritiker schockiert, als er mit Augen der Angst einen Film vorlegte, der in ihren Augen die Lust an der Gewalt und Perversion thematisierte, noch dazu mit der durch die Sissi-Filme bekannt gewordenen Karlheinz Böhm in der Hauptrolle. Im Laufe der Jahre hat sich die Rezeption des einst als Schmuddelfilm betitelten Filmes erheblich verbessert und er gilt als Wegbereiter für das Thrillergenre. Dank einer neuen Restauration, eine Kollaboration von Studiocanal und BFI, erstrahlt der Film in neuem Glanz, sodass nunmehr heutige Zuschauer Augen der Angst (wieder-)entdecken können.
Lange könnte man darüber reden oder schreiben, welchen Einfluss Powells Film auf den Thriller und den Horrorfilm hat. Werke wie beispielsweise William Lustigs Maniac könnte man als moderne Variante von Powells Films verstehen und selbst eine Figur wie Norman Bates hat sehr viel gemein mit dem von Karlheinz Böhm gespielten Killer. Jedoch erfasst man die Wirkung von Augen der Angst nicht durch seine filmhistorische Stellung, denn Powell ist ein sehr zeitgemäßes Porträt einer Gesellschaft gelungen, die von Bildern beherrscht wird und eine sehr problematische Beziehung zu ihnen hat. Es ist leicht, jemanden wie Mark als einen Psychopathen abzustempeln, als einen Freak, wie es viele seiner Kollegen oder Nachbarn tun. Doch Powell zwingt die Zuschauer dazu, die Perspektive dieses Menschen aufzunehmen, der es gewohnt ist, seine Wirklichkeit durch die Kamera zu filtern. Sicherlich würde Mark heutzutage mit einem iPhone durch die Innenstadt Londons streifen und seinen dunklen Trieben nachgehen, die ihn vollends konsumiert haben. Die Suche nach der Angst im Gesicht seiner Opfer ist die Suche nach etwas Echtem, nach einer Wahrheit, die Mark mittels diverser Effekte filtert und in einer Endlosschleife in seiner Dunkelkammer laufen lässt. Er ist ebenso zum Opfer dieser Bilder geworden, ein einsamer Mann in einer dunklen Kammer.
Die Augen der Stadt
Darüber hinaus erzählt Augen der Angst von einer Gesellschaft, in der das Beobachten und Inszenieren zu einer Regel geworden sind. Powell zwingt uns die bisweilen unangenehme Perspektive seines Helden auf und damit die Sicht auf eine Realität, in der die Menschen ihr Leben auf Bildern und deren Arrangement ausrichten. Sie sind zu einem Konsumgut geworden, das unter dem Ladentisch verschachert wird oder mittels eines kitschigen Filmes, bei dem es weniger um die Magie der Bilder geht und mehr um Kommerz. Karlheinz Böhm als Mark Lewis ist einer, der dazwischen steht, weil er auf der einen Seite immer mehr zu diesem Strudel der Bilder beiträgt, dann aber wieder die Rolle des Konsumenten der Bilder übernimmt. Er ist nicht nur der Mann von nebenan, von dem man „so etwas“ nie erwartet hätte. Er ist einer von vielen, die nie auffallen und die nach einem authentischen Gefühl suchen. Als Mary ihm von ihrer Idee für ein Kinderbuch erzählt, in dem der Held mit einer magischen Kamera die Welt einfängt, scheint Mark zu wissen, dass es eigentlich um ihn geht. Tragisch ist lediglich, dass für ihn die Magie schon lange nicht mehr vorhanden ist.
Die oben skizzierte Dramaturgie von Augen der Angst funktioniert nicht nur wegen der Schauspieler, sondern auch (oder vor allem) wegen der technischen Inszenierung. Otto Hellers Kameraführung in Verbindung mit dem effektiven Einsatz von Ton macht das Unangenehme mancher Einstellungen aus, in denen wir als Zuschauer direkt die Perspektive des Protagonisten übernehmen. Die Annäherung und die Vollstreckung der Taten folgt in sich einer gewissen Dramaturgie und man wird hineingezogen in die Sicht eines kranken Menschen, der nicht mehr aufhören kann.
OT: „Peeping Tom“
Land: UK
Jahr: 1960
Regie: Michael Powell
Drehbuch: Leo Marks
Musik: Brian Easdale
Kamera: Otto Heller
Besetzung: Karlheinz Böhm, Anna Massey, Maxine Audley, Moira Shearer
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