Die zehnjährige Helena (Brooklyn Prince) lebt zurückgezogen mit ihren Eltern Beth (Caren Pistorius) und Jacob (Ben Mendelsohn) im Wald, wo sie die Kunst der Jagd erlernt. Als sich eines Tages ein Mann dorthin verirrt, nutzt Beth die Gelegenheit, zusammen mit Helena zu fliehen. Schließlich war sie von Jacob seinerzeit entführt wurden und dazu gezwungen, mit ihm zu leben. Die Flucht gelingt, der Peiniger wird ins Gefängnis gesteckt. Viele Jahre später ist aus dem Mädchen eine erwachsene Frau (Daisy Ridley) geworden, die ein glückliches Leben mit Ehemann Stephen (Garrett Hedlund) und Tochter Marigold (Joey Carson) führt. Mit ihrem alten Dasein hat sie abgeschlossen, lebt unter einem anderen Namen und vermied viele Jahre den Kontakt zu ihrer inzwischen verstorbenen Mutter. Da erhält sie die Nachricht, dass Jacob aus dem Gefängnis ausgebrochen ist …
Das Leben in der Wildnis
Die Menschen sind bekanntlich inzwischen so sehr von der Natur entfremdet, dass die meisten wohl gar nicht mehr in der Lage wären, in dieser zu überleben. Das wiederum motiviert manche dazu, in die Wildnis zu ziehen und sich darauf vorzubereiten, falls die Welt irgendwann zusammenbricht. Anfangs meint man noch, Das Erwachen der Jägerin sei einer dieser Filme, bei denen es eben darum geht, wie Leute zurück zur Natur wollen in Erwartung einer Apokalypse. Da gibt es Waffen, Tiere und viele etwas verschwurbelte Dialoge darum, wie man sich verhalten muss, um ein erfolgreicher Jäger zu sein. In dem Moment weiß man noch nicht so genau, ob wir es mit einem liebenden Vater oder einem brutalen Psychopathen zu tun haben. Das klärt sich erst nach der frühen Wende, welche die Hintergründe beleuchtet. Jacob ist beides, irgendwie.
Aus dieser Ausgangssituation hätte man die unterschiedlichsten Geschichten basteln können. Bei Karen Dionne, auf deren Roman Die Moortochter der Film basiert, wurde eine Mischung aus Familiendrama und Thriller daraus. So befasst sich Das Erwachen der Jägerin nach dem größeren Zeitsprung damit, wie Helena mit ihrer Vergangenheit klarkommen muss. Das erinnert vom Szenario her ein wenig an Raum. In beiden Filmen wurde eine Frau entführt und bekam in der Gefangenschaft ein. Wo es bei dem preisgekrönten Drama aber um die Mutter ging und ihre Schwierigkeit, zurück ins normale Leben zu finden, wird diese hier kaum beachtet. Stattdessen muss sich Tochter Helena damit auseinandersetzen, das Ergebnis eines Verbrechens zu sein.
Starke Elemente mit Temposchwächen
Das hätte grundsätzlich sehr spannend werden können. Der Film vertieft das alles aber gar nicht, auch die Szenen mit Clark (Gil Birmingham), der Beth als Ehemann ein zweites Leben schenkte, fallen sehr kurz aus. Stattdessen liegt der Fokus in der zweiten Hälfte auf der zunehmenden Paranoia der Protagonistin und der obligatorischen Begegnung mit ihrem Vater. Da sind schon einige spannende Momente dabei. Aber auch Leerlauf: Es gelingt Regisseur Neil Burger (Voyagers, The Illusionist – Nichts ist wie es scheint) nicht so wirklich, aus der Vorlage einen konstant fesselnden Thriller zu machen. Grundsätzlich ist nichts dagegen einzuwenden, wenn ein Film etwas ruhiger ist oder sich Zeit lässt alles aufzubauen. Diese Zeit wird aber zu wenig genutzt, inhaltlich kommt das kaum voran.
Das ist schade, weil der Film viele sehr gute Elemente enthält. Da sind die umwerfenden Landschaftsaufnahmen, wenn uns Burger mitnimmt in eine abgelegene Gegend, die von Wäldern und Mooren geprägt ist. Atmosphärisch ist das auf jeden Fall gelungen. Außerdem konnte man hier ein hervorragendes Ensemble versammeln. Daisy Ridley bringt eine Mischung aus Toughness und Zerbrechlichkeit mit. Ben Mendelsohn gibt den bedrohlichen Antagonisten, der selbst in der Ruhe noch Gefahr ausstrahlt. Nachwuchsschauspielerin Brooklynn Prince, die in ihrer jungen Karriere schon manche spannenden Rollen hatte, ist hier zwar nur kurz zu sehen, zeigt aber auch da, welches großes Talent sie ist. In der Summe ist da also schon einiges, wofür sich der Thriller lohnt, auch wenn Das Erwachen der Jägerin nicht das erhoffte Highlight geworden ist.
OT: „The Marsh King’s Daughter“
Land: USA
Jahr: 2023
Regie: Neil Burger
Drehbuch: Elle Smith, Mark L. Smith
Vorlage: Karen Dionne
Musik: Adam Janota Bzowski
Kamera: Alwin H. Küchler
Besetzung: Daisy Ridley, Ben Mendelsohn, Garrett Hedlund, Caren Pistorius, Brooklynn Prince, Gil Birmingham
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