Paul Matthews (Nicolas Cage) liebt seine Arbeit als Biologieprofessor, seit vielen Jahren träumt er davon, ein Buch über die Schwarmintelligenz von Ameisen zu schreiben. Bislang hat jedoch niemand wirklich Notiz von ihm genommen, er ist ein unscheinbarer Mensch, für den sich abgesehen von seiner Frau Janet (Julianne Nicholson) kaum jemand interessiert. Das ändert sich erst, als er anfängt, in den Träumen anderer zu erscheinen. Zunächst reagiert er verwirrt bis irritiert, umso mehr, da er in diesen Träumen nichts macht und tatenlos zusieht, wie den Leuten etwas Schlimmes geschieht. Als er später zu einer Mediensensation wird und auch von Trent (Michael Cera), Chef einer Marketingfirma, hofiert wird, genießt er die Aufmerksamkeit und möchte die Gelegenheit nutzen, doch noch sein Buch zu veröffentlichen. Doch dann nimmt die Geschichte eine unerwartete Wendung …
Ein groteske Traumkomödie
Kaum eine Schauspielfilmografie dürfte ähnlich abwechslungsreich sein wie die von Nicolas Cage. Nachdem er als echter Charakterdarsteller seine Karriere begonnen hatte, steckte er später bedingt durch seine enormen Schulden in der B-Actionthriller-Fließband-Maschine fest. Inzwischen sind diese aber abbezahlt, weswegen er deutlich wählerischer sein will. Tatsächlich hat er in den letzten Jahren zusätzlich zu den ganzen Wegwerftiteln bereits in einer Reihe sehr eigenwilliger Werke mitgespielt. Ob es nun die selbstironische Ex-Star-Groteske Massive Talent, das Schweine-Drama Pig oder die Komödie Renfield über eine toxische Vampirbeziehung ist, es ist eine Freude zu sehen, wie der US-Amerikaner ein künstlerisches Comeback gefeiert hat. Die Filme waren vielleicht nicht erfolgreich, dafür aber unterhaltsam. Und das gilt auch für seinen neuesten Streich Dream Scenario.
Die Idee ist kurios: Ein Mann taucht in den Träumen anderer auf, selbst bei Leuten, die er gar nicht kennt – und macht nichts. Dream Scenario spielt mit dieser Absurdität und arbeitet da gern mit Kontrasten zwischen gefährlichen Situationen und der Passivität des Protagonisten, der so unscheinbar ist, dass sich niemand wirklich an ihn erinnert. Er schaut zu, wie die schrecklichsten Dinge geschehen, ohne zu helfen oder überhaupt wirklich da zu sein. In dieser Phase ist der Film eine Mischung aus Komödie und Mystery. Das Publikum darf über die grotesken Traumszenen lachen und will wissen, was es damit auf sich hat. Wie kommt es, dass ausgerechnet ein solcher Niemand in diesen Träumen auftaucht? Und wie kann man dafür sorgen, dass das alles wieder aufhört?
Zwischen Satire und Tragödie
Eines vorweg: Wer eine Antwort auf diese Fragen haben will, der wird nicht bedient. Natürlich kann man über alles spekulieren, so wie es auch die Figuren tun. Es führt nur zu nichts. Für Kristoffer Borgli ist dieser Aspekt nicht wirklich relevant. Stattdessen interessiert sich der norwegische Regisseur und Drehbuchautor wie schon in seinem gefeierten Sick of Myself für menschliches Verhalten, die Sehnsucht nach Anerkennung und verbindet dies auch mit gesellschaftlichen Aspekten. Wie geht jemand mit einem plötzlichen Ruhm um? Aber auch: Wie geht die Gesellschaft damit um? Dream Scenario hat dabei deutlich satirische Züge, gerade in den Passagen, in denen Pauls „Talent“ kommerziell genutzt werden soll. Genauso macht sich Borgli über die Massenhysterie lustig, wenn Menschen zur Sensation werden und später wieder weggeworfen, sobald der nächste unsinnige Hype auftaucht.
Letzteres bringt dann auch eine starke Tragik mit sich. Auch wenn der Film allgemein als Komödie bezeichnet wird, ist er streckenweise doch sehr traurig, zum Ende hin wird es sehr bitter. Dream Scenario mag ein Film über skurrile Träume sein. Er ist aber auch ein Film über gescheiterte Träume, über verpasste Lebenschancen und die Suche nach einem Sinn, wenn nichts mehr einen Sinn ergibt. Das wird nicht allen gefallen. Das Werk, das 2023 auf dem Toronto International Film Festival Premiere feierte, lässt sich kaum in eine Schublade stecken mit den tonalen Schwankungen. Mitunter wird es sogar bei Horror einsortiert, was aber ebenso wenig passt wie Science-Fiction, ein weiterer Versuch, das greifbar zu machen, was nicht greifbar ist. Wer aber damit leben kann, dass der Film in seiner überbordenden Kreativität wenig konkret wird, findet hier einen weiteren Beweis dafür, dass es niemanden gibt wie Nicolas Cage. Selbst wenn er einen Niemand spielt.
OT: „Dream Scenario“
Land: USA
Jahr: 2023
Regie: Kristoffer Borgli
Drehbuch: Kristoffer Borgli
Musik: Owen Pallett
Kamera: Benjamin Loeb
Besetzung: Nicolas Cage, Julianne Nicholson, Michael Cera, Tim Meadows, Dylan Gelula, Dylan Baker
Toronto International Film Festival 2023
Zurich Film Festival 2023
Fantasy Filmfest White Nights 2024
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