Die Nachricht kommt für Simon (Lino Ventura) ziemlich unerwartet, hat er doch erfahren, dass er gemeinsam mit zwei anderen Insassen vorzeitig aus der Haft entlassen wird, im Rahmen einer jährlichen Begnadigung zu Silvester. Sechs Jahre saß er hinter Gittern, eigentlich hätten es zehn sein sollen, als Strafe für seinen Überfall auf einen Juwelier. Frisch aus dem Gefängnis draußen, versucht er, an sein altes Leben anzuknüpfen. Da wäre zum einen sein alter Kumpel Charlot (Charles Gérard), mit dem er das Verbrechen begangen hatte, der aber im Gegensatz zu ihm davonkam – mitsamt der Beute. Aber auch Françoise (Françoise Fabian) würde er gern wiedersehen. Sie hatte er seinerzeit während der Vorbereitungen auf den Überfall kennen und lieben gelernt. Dabei muss er feststellen, dass die Zeit nicht stehengeblieben ist …
Im falschen Film?
Zu Beginn darf man sich hier fragen, ob man versehentlich den falschen Film gestartet hat. Wenn wir da Jean-Louis Trintignant und Anouk Aimée sehen, wie sie sich gegenübersitzen und dazu die berühmte Melodie ertönt, ist klar, dass wir Ein Mann und eine Frau sehen. Aber wollten wir nicht eigentlich einen Krimi mit Lino Ventura anschauen? Erst nach ein paar Minuten ist klar, was eigentlich gespielt wird. Ein glückliches Jahr beginnt damit, dass sich die Insassen eines Gefängnisses den Klassiker anschauen und kräftig schimpfen. Ganz passend ist ein solcher Film in der Situation nun einmal nicht. Das ist insofern bemerkenswert, weil Claude Lelouch der Regisseur von beiden Werken war und sich hier quasi selbst ausbuhen lässt.
Das könnte man als kleine Spielerei abtun, eine Art Insider-Gag. Und doch passt es zu einem Film, der regelmäßig Erzählebenen miteinander vermischt. So spielt die Geschichte letztendlich zu zwei Zeiten. Da wäre die aktuelle, nachdem Simon aus dem Gefängnis gekommen ist und nach einem Weg sucht weiterzumachen. Die deutlich längere spielt in der Vergangenheit und beschreibt den eigentlichen Coup, wenn Simon und Charlot den Überfall vorbereiten. Interessant ist dabei eine Entscheidung bei der Inszenierung. So sind bei Ein glückliches Jahr die aktuellen Szenen in Schwarzweiß gehalten, die Rückblicke jedoch in Farbe. Man hätte das vermutlich anders herum erwartet, das Klischee verbindet zumindest Schwarzweiß mit der Vergangenheit. Warum Lelouch es auf diese Weise macht, darüber lässt sich spekulieren. Möglicherweise wollte er damit ausdrücken, dass die Vergangenheit die präsentere Zeit ist, während die Gegend nur die Folge davon.
Sprung zwischen Zeiten und Genres
Dass es überhaupt zu diesen Zeitsprüngen kommt, ist auch deshalb interessant, weil Lelouch und sein bewährter Co-Autor Pierre Uytterhoeven damit das Scheitern des Coups vorwegnehmen. So ist der gesamte Mittelteil des Films eigentlich ein klassischer Heist Movie, bei dem es um das Tüfteln und Ausführen eines Diebstahls geht. Normalerweise soll das Publikum dabei mitfiebern, ob die Geschichte gut ausgeht und der Coup geglückt ist. Das fällt hier weg, man weiß, dass das alles schiefgehen wird. Allgemein sollte man in der Hinsicht nicht ganz so viel von Ein glückliches Jahr erwarten. Die Methode der beiden Gauner ist nicht gerade komplex. Es gibt hier nichts, was es beispielsweise mit der legendären Tresorszene von Rififi aufnehmen kann. Stattdessen ist der Plan dermaßen plump, dass man sich fragen darf, ob der Film eine Komödie sein soll.
Und doch ist das Ergebnis sehenswert. Der französische Superstar Lino Ventura überzeugt in der Rolle des skrupellosen und zugleich schwer verliebten Gangsters, der sich in Unkosten stürzt, um einer Zufallsbekanntschaft näherzukommen. Teilweise hat Ein glückliches Jahr dann auch etwas Melancholisches, gerade wenn die Vergangenheit und die Gegenwart gegenübergestellt werden. Dass er zu Beginn seiner Rückkehr in das normale Leben einen Fremden in seiner Wohnung findet, ist ein passendes Symbol dafür, dass da kein Platz in dieser Welt zu sein scheint. Insofern steckt viel drin in diesem eigenwilligen Genremix, der viele bekannte Zutaten nimmt, aber irgendwie anders damit umgeht. Als reiner Krimi mag das weniger interessant sein. Und doch lohnt sich mehr als fünf Jahrzehnte später, diesem Trio durch die Jahre zu folgen, auf der Suche nach dem Glück.
OT: „La bonne année“
Land: Frankreich, Italien
Jahr: 1973
Regie: Claude Lelouch
Drehbuch: Claude Lelouch
Musik: Francis Lai
Kamera: Jean Collomb
Besetzung: Lino Ventura, Françoise Fabian, Charles Gérard, André Falcon
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
---|---|---|---|---|
BAFTA | 1975 | Beste Musik | Francis Lai | nominiert |
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