Eigentlich führen Vera (Karoline Herfurth) und Wolf Küper (Tom Schilling) eine glückliche Beziehung. Sie lieben einander. Sie lieben auch die gemeinsamen Kinder Nina (Pola Friedrichs) und Simon (Piet Levi Busch). Doch Vera kann nicht mehr. Da Wolf ständig wegen seiner Arbeit für die UN unterwegs ist, muss sie sich allein um die Kinder kümmern, was gerade auch bei Nina anstrengend ist, bei der eine Entwicklungsverzögerung diagnostiziert wurde. Als es mal wieder zwischen den beiden kracht, beschließt Wolf, sein Leben anders organisieren zu wollen. Um Nina mehr Familienleben zu ermöglichen, wollen sie zwei Jahre wegfahren, ihre Arbeit von unterwegs aus erledigen und sich so wieder näherkommen. Die Wahl fällt dabei auf Thailand und Island. Doch der Traum vom gemeinsamen Nomadenleben ist komplizierter als gedacht …
Der Traum vom Neustart
Viele träumen davon, einmal alles hinter sich zu lassen und für eine Zeit lang die Welt zu sehen und etwas zu erleben. Wolf Küper erfüllte sich den Traum und zog mit seiner Familie ins Ausland. Im Gegensatz zu anderen Gleichgesinnten behielt er diese private Geschichte aber nicht für sich, sondern schrieb ein Buch über diese Erfahrungen. Dieses war erfolgreich, Eine Million Minuten schaffte es bis auf die SPIEGEL Beststeller Liste. Und er schaffte es auf den Nachttisch von Christopher Doll. Der sah in dem Stoff großes Potenzial und wollte daraus einen Film machen. Ursprünglich wollte er dies wie gehabt als Produzent tun, bislang hat er unter anderem die Regiearbeiten seiner Partnerin Karoline Herfurth (Wunderschön, Einfach mal was Schönes) produziert. Am Ende ging er aber noch einen Schritt weiter und liefert mit der Adaption sein Debüt als Regisseur vor.
Es ist nicht schwer zu erkennen, was Doll in dem Buch sah. So behandelt der Film eine ganze Reihe von Themen, die von einer sehr universellen Natur sind. Eine Kernfrage ist die, wie man Familie und Beruf unter einen Hut bekommen kann. Dabei kommt gerade auch die Schwierigkeit einer ausgewogenen Aufteilung innerhalb der Partnerschaft zu Wort. Wo früher die Rollenverteilung klar war – der Mann arbeitet, die Frau bleibt zu Hause –, steht Selbstverwirklichung heute viel weiter oben auf der Prioritätenliste. Und das führt in Eine Million Minuten unweigerlich zu zahlreichen Konflikten. So steht Vera zu Beginn des Films vor dem Kollaps, sie ist überfordert, fühlt sich nicht genügend gewürdigt und unterstützt. Da geht es nicht nur um ein paar Stellschrauben, sondern Grundsätzliches. Klar sind die beiden in einer sehr privilegierten Situation. Einfach mal so zwei Jahre weggehen und vom Strand aus arbeiten? Andere mit den Problemen haben diese Möglichkeit nicht. Dennoch ist die Identifikationsfläche hoch.
Ein Drama voller Denkanstöße
Interessant ist in dem Zusammenhang der Beruf von Wolf, der sich bei seiner Arbeit für Klimaschutzmaßnahmen einsetzt. Es geht ihm also nicht um Macht oder Geld, braucht den Job nicht, um sich seinen eigenen Wert zu beweisen. Er will etwas Gutes für die Welt tun. Das macht die Geschichte von Eine Million Minuten interessanter, da es auch um eine Verantwortung außerhalb der Familie geht. Sollte Vera ihre Ansprüche zurückstecken, wenn es um ein viel größeres Thema geht? Wie vermittelt man zwischen dem individuellen Glück und einer gesellschaftlichen Verantwortung? Auch sonst ist der Film vollgepackt mit Themen, über die es sich nachzudenken lohnt. Beispielsweise spielt auch das Verhältnis zwischen Wolf und seinem Vater Werner (Joachim Król) eine größere Rolle, der so sehr von alten Bildern geprägt ist, dass er keinen Zugang zu seinem Sohn findet.
Das führt allerdings auch dazu, dass der Film recht lang geworden ist und man zuweilen das Gefühl hat, dass möglichst viele Probleme angesprochen werden sollten. Etwas beliebig ist beispielsweise der spätere Strang, in dem Wolf aus heiterem Himmel sehr eifersüchtig wird. Irritierend ist zudem, dass sich Eine Million Minuten von der konkreten Vorlage löst. So reiste Familie Küper eigentlich von Thailand nach Australien und Neuseeland weiter. Doll und die vier anderen, die an dem Drehbuch gearbeitet haben, machten jedoch eine eigene Geschichte daraus, was bei der Adaption eines Sachbuchs etwas absurd wirkt. Wer sich daran nicht stört, findet in dem Drama aber ein Werk, das mit schönen Aufnahmen lockt, guten schauspielerischen Leistungen und natürlich dem einen oder anderen Denkanstoß. Dass am Ende keine richtige Erkenntnis rausspringt, ist kein Manko. Vielmehr ist der Film eine Aufmunterung, immer weiter zu suchen, sich zu hinterfragen, anstatt sich damit zufriedenzugeben, alles wie immer beizubehalten. Denn dafür ist das Leben dann doch zu kostbar.
OT: „Eine Million Minuten“
Land: Deutschland
Jahr: 2024
Regie: Christopher Doll
Drehbuch: Monika Fässler, Tim Hebborn, Malte Welding, Ulla Ziemann, Christopher Doll
Musik: Dascha Dauenhauer
Kamera: Andreas Berger
Besetzung: Tom Schilling, Karoline Herfurth, Pola Friedrichs, Piet Levi Busch, Hassan Akkouch, Anneke Kim Sarnau, Rúrik Gíslason, Ulrike Kriener, Joachim Król
Ihr wollt mehr über den Film erfahren? Wir haben uns mit Regisseur Christopher Doll unterhalten. Im Interview zu Eine Million Minuten sprechen wir über die Arbeit an dem Drama, die schwierige Balance aus Beruf und Familie sowie seinen künstlerischen Werdegang.
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