Als der 15-jährige Pär (Rolf Sohlman) mit seiner Familie seinen Großvater im Krankenhaus besucht, fällt ihm die schöne Annika (Ann-Sofie Kylin) auf. Zurück in Stockholm versucht er zusammen mit seinen Freunden, die Aufmerksamkeit des 14-jährigen Mädchens auf sich zu ziehen. Das ist aber nicht so leicht, denn auch ältere Jungs aus der Nachbarschaft haben ein Auge auf sie geworfen. Es dauert eine Weile, bis es endlich so weit ist, dass die beiden das erste Mal miteinander sprechen können und es stellt sich heraus, dass auch Annika von Pär sehr angetan ist. Immer wieder treffen sich die beiden, umarmen und küssen sich, und versuchen so viel Zeit wie möglich miteinander zu verbringen.
Während die Liebe ihrer Kinder aufblüht, scheinen die Ehen der Eltern Pärs und Annika in einer Krise zu sein. Besonders Annikas Vater (Bertil Norström) und ihre Mutter (Margreth Weivers) streiten sich immer wieder, scheinbar über Nichtigkeiten, sodass das Mädchen mehr als einmal nach Hause kommt und ihre Mutter weinend vorfindet. Auch ihre Tante Eva (Anita Lindblom) ist alles andere als glücklich, denn ihre Beziehung ist bestimmt durch häusliche Gewalt und sie trauert ihrem Traum hinterher, einen Job als Flugbegleiterin zu haben.
Ein Sommerfilm
Mittlerweile gehört Regisseur und Drehbuchautor Roy Andersson zu den festen Größen in Programmkinos und auf Festivals, wo seine Filme meist ihre Premiere feiern. Bereits sein Spielfilmdebüt Eine schwedische Liebesgeschichte wurde das erste Mal der Presse und dem Publikum auf der skandalreichen Berlinale 1970 gezeigt und dort mit dem UNICRIT-Preis, der IWG-Goldplakette sowie dem Spezialpreis der Filmjournalisten ausgezeichnet. Die Mischung aus Liebesfilm und Familiendrama legt dabei das Fundament eines Werkes, das die kleinen Tragödien und das private Glück in den Fokus rückt und dabei Fragen über unser Zusammenleben, unsere Beziehungen sowie das Menschsein generell nachgeht. Dabei nutzt Andersson das vor allem im europäischen Kino bekannte Subgenre des Sommerfilms, in dessen Verlauf eine Liebe erwacht und man zudem mit der harten Realität der Erwachsenen konfrontiert wird.
Im schwedischen Kino hat der Sommerfilm eine lange Tradition. Schon Ingmar Bergman erzählte in Einen Sommer lang aus der Sicht einer jungen Frau an eine Liebe aus Jugendtagen, deren Zauber, Leidenschaft und Unschuld noch lange nachwirkt. In seinem Spielfilmdebüt vereint Roy Andersson beide Perspektiven, indem er immer wieder zwischen den Sichtweisen seiner Figuren wechselt. Eine schwedische Liebesgeschichte wirkt deswegen, trotz seiner linearen Strukturen, beinahe episodisch. Zudem spielen der Wechsel der Räume, das Licht und die Farben eine große Rolle, wenn man beispielsweise die Enge des Raumes bei den Erwachsenen bemerkt und im Kontrast dazu die hellen Farben der Jugend sieht, die bei Zigaretten, Mopedröhren und Popmusik in den Discos und Sportplätzen Stockholms ihre Zeit miteinander verbringen.
Der Sommer wird zu einer Zeit der intensiven Gefühle, des Liebeskummers, der Sehnsucht und der Leidenschaft für Pär und Annika, während bei ihren Eltern derartige Emotionen schon lange zum Erliegen gekommen sind. Dramen wechseln sich ab mit Momenten der Heiterkeit und es gehört schon bei seinem ersten Spielfilm zu den Stärken Anderssons, dass er seine Figuren nicht bloßstellt, sondern auf ihr Umfeld, ihre Karriere, ihre Wünsche und Verantwortlichkeiten verweist.
Die Enttäuschungen und die Unschuld
Entsprechend dem schon erwähnten Perspektivwechsel, den Anderssons Film immer wieder vollzieht, muss man Eine schwedische Liebesgeschichte als einen Ensemblefilm betrachten. Rolf Sohlman und Ann-Sofie Kylin spielen Pär und Annka mit einer herrlichen Unbeschwertheit und changieren zwischen den extremen Gefühlsschwankungen ihrer Figuren. Die Darsteller der Erwachsenen, insbesondere Anita Lindblom und Bertil Norström, überzeugen als Charaktere, deren Enttäuschung über den Verlust der eigenen Träume und die Pflichten ihres Erwachsenenlebens in eine tiefe Verbitterung umgeschlagen sind. Anderssons Geschichte deutet mal mehr, mal etwas weniger subtil die Gefühlswelt seiner Figuren an, die vor allem die Einsamkeit der Erwachsenen beleuchten, die emotional Lichtjahre entfernt sind von der Intensität der Gefühle der Jugend. Einige von ihnen mögen sich noch an diese Jahre, an diese Momente ihrer Vergangenheit erinnern, während andere unrettbar verloren zu sein scheinen.
OT: „En kärlekhistoria“
Land: Schweden
Jahr: 1970
Regie: Roy Andersson
Drehbuch: Roy Andersson
Musik: Björn Isfält
Kamera: Jörgen Persson
Besetzung: Rolf Sohlman, Ann-Sofie Kylin, Anita Lindblom, Bertil Norström, Margreth Weivers, Lennart Tellfeldt
Berlinale 1970
Berlinale 2020
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)