Green Border Zielona granica
© Agata Kubis / Piffl Medien
„Green Border“ // Deutschland-Start: 1. Februar 2024 (Kino) // 13. Juni 2024 (DVD)

Inhalt / Kritik

Bashir (Jalal Altawil) und Amina (Dalia Naous) träumten wie viele andere davon, in Europa ein neues Leben beginnen zu können. Also packten sie alles zusammen und gaben viel Geld aus, um nach Minsk zu fliegen. Von Belarus aus wollen sie über die Grenze nach Polen, von dort aus weiter nach Schweden, wo sie sich ein Ende der Verfolgung und Unterdrückung erhoffen. Doch so weit kommt es nicht. Anstatt in Europa willkommen geheißen zu werden, wie sie es erwartet hatten, versuchen Grenzschützer wie Jan (Tomasz Włosok), die Menschen wieder loszuwerden. Nach Belarus dürfen sie aber auch nicht zurück, weshalb sie im Grenzgebiet feststecken, wo sie zahlreiche Misshandlungen erfahren. Gleichzeitig versuchen Julia (Maja Ostaszewska) und andere Aktivisten und Aktivistinnen, den Geflüchteten zu helfen und riskieren dabei selbst sehr viel …

Der Streit um Geflüchtete

Es soll ja Leute geben, die im Alter milder werden. Die nur noch ihren Lebensabend genießen wollen, ganz ohne Stress und Ärger. Agnieszka Holland ist keiner dieser Menschen. Die polnische Regisseurin mag inzwischen 75 Jahre alt sein, scheut sich aber nicht davor zurück, schwierige gesellschaftliche oder historische Themen anzupacken. So erzählte sie in Red Secrets – Im Fadenkreuz Stalins (2019), wie Stalin die verheerende Hungersnot 1933 leugnete, weil sie nicht in die sowjetische Erfolgsgeschichte passte, und wie ein Journalist die Wahrheit aufzudecken versucht. Auch in Charlatan (2020) erzählte sie von totalitären Systemen und Menschen, die darin gefangen sind. Mit Green Border setzte sich die streitbare Filmemacherin aber so richtig in die Nesseln. Nachdem sie sich zuvor mehrfach mit dem Nationalsozialismus und der kommunistischen Diktatur auseinandergesetzt hat, zeigt sie in ihrem neuesten Werk das zynische bis grausame Spiel mit Geflüchteten.

Dass das in ihrer Heimat nicht gut ankam, ist verständlich. Während der Film an den Kinokassen ein großer Erfolg war, gab es von Seiten der Regierung das übliche Poltern und Hetzen, auch ohne den Film gesehen zu haben. Schließlich ist der menschenverachtende Umgang mit Geflüchteten dort wie auch an anderen europäischen Grenzen etwas, von dem bitte schön niemand reden soll. Wobei Holland natürlich auch nicht sonderlich subtil ist in ihrer Kritik. Die Grenzbeamten begnügen sich nicht einfach damit, die wehrlosen Fremden zurückzuweisen. Sie nutzen ihr Leid aus, zeigen sich manchmal auch von einer grausamen Seite. Wenn an einer Stelle von Green Border einem Mann Wasser zum Trinken gegeben wird, in dem zerbrochenes Glas ist, dann wird es schon sehr arg. Das Drama ist dann nicht weit entfernt von einem Torture Porn Horror.

Zwischen Wut und Hoffnung

Effektiv ist diese Schreckensodyssee dabei. Gehört hat man von diesen Misshandlungen an den Grenzen zwar schon. Green Border packt diese Geschichten aber in Bilder, die einem im Anschluss nicht mehr so leicht aus dem Gedächtnis kommen. Wobei Holland mit ihrem Film nicht nur den Schrecken aufzeigt. Indem sie mehrere Stränge und Schicksale miteinander verbindet – die Geflüchteten, der Grenzbeamte, die Aktivistin –, gewinnt das Drama an Komplexität. Vor allem Letztere dient als Gegenpol, der Film zeigt, dass nicht alle Menschen sich diesem Hass angeschlossen haben. Dabei war Julia eigentlich gar nicht politisch. Sie erkannte nur, dass sie aktiv werden muss und nicht darauf warten kann, dass sich die Probleme von selbst lösen, vergleichbar zu den Demonstrationen hierzulande, die als Folge der Deportationsfantasien entstanden sind.

Eine Lösung auf die Probleme haben Holland und ihr Drehbuchteam nicht. Der Film behandelt weder die Ursachen der Migration, noch wird gesagt, wie die Betroffenen integriert werden können. Das Drama, das im Wettbewerb der Filmfestspiele von Venedig 2023 Premiere feierte, versteht sich mehr als ein Aufruf, angesichts der Probleme die Menschlichkeit nicht aus den Augen zu verlieren. Es sind dann auch die Momente der Solidarität, die in Green Border Eindruck hinterlassen und zu Herzen gehen, ohne dass hierfür auf Kitsch zurückgegriffen werden muss, wie es das ähnlich engagierte White Bird tut. Die europäische Coproduktion ist geprägt von Wut und Empörung, aber auch von dem festen Glauben, dass die Menschen besser sein können. Und so gibt es sie, die Hoffnungsschimmer innerhalb der Misere, die einen weitermachen lassen, trotz der großen Widerstände.

Credits

OT: „Zielona granica“
Land: Polen, Frankreich, Tschechische Republik, Belgien
Jahr: 2023
Regie: Agnieszka Holland
Drehbuch: Maciej Pisuk, Gabriela Łazarkiewicz-Sieczko, Agnieszka Holland
Musik: Frédéric Vercheval
Kamera: Tomasz Naumiuk
Besetzung: Jalal Altawil, Maja Ostaszewska, Behi Djanati Atai, Mohamad Al Rashi, Dalia Naous, Tomasz Włosok

Bilder

Trailer

Filmpreise

Preis Jahr Kategorie Ergebnis
Europäischer Filmpreis 2023 Bester Film nominiert
Beste Regie Agnieszka Holland nominiert
Bestes Drehbuch Maciej Pisuk, Gabriela Łazarkiewicz-Sieczko, Agnieszka Holland nominiert

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Green Border
fazit
„Green Border“ sorgte für mächtig Kontroverse, wenn die brutalen Machenschaften an der polnisch-belarussischen Grenze thematisiert werden. Das Drama ist geprägt von der Wut über die menschenverachtende Behandlung von Geflüchteten, spendet aber auch Hoffnung, wenn inmitten der Misere Leute ihre Menschlichkeit und Solidarität entdecken.
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